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Geschäftsmodell Wahlkampf
Geld verdienen mit Parteienwerbung

Kugelschreiber, Quietsche-Entchen, Luftballons - vor der Bundestagswahl verteilen die Parteien sehr vielfältige Geschenke im Straßenwahlkampf. Dafür sorgen verschiedene Unternehmen. "Begeisternder Wahlkampf" aus Berlin ist so eine Firma. Ihr Name aber ist erklärungsbedürftig.

Von Dieter Nürnberger |
    Wahlkämpfer von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen bereiten in Stuttgart Wahlkampfplakate ihrer Partei für das Aufhängen vor.
    Wahlkampfplakate von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Die Firma "Begeisternder Wahlkampf" bietet auch Plakate aus Altpapier. (dpa / Sebastian Gollnow)
    "Begeisternder Wahlkampf" heißt das Startup - doch wer die Firmenzentrale betritt, ist erst einmal verwundert. Ein schmuckloser Bürobau in Berlin-Tempelhof - zwischen Kleingärten und einem Industriegebiet gelegen. Im Büro hängen keine Wahlplakate, lediglich wenige Parteibroschüren liegen auf einem Konferenztisch. Sonst ist nicht viel zu sehen, außer ein paar Computern. Carsten Wutke ist 27 Jahre alt - ein noch jugendlicher Geschäftsführer in Jeans, gelernter Produktdesigner. Zusammen mit seinem Bruder Christian, einem Informatiker, vertreibt er Werbemittel für den Wahlkampf:
    "Wir haben ursprünglich eine Onlineagentur gegründet. Wir haben Onlineshops für Kunden umgesetzt. Wir waren damals - noch in Niedersachsen - vor Ort ganz gut vernetzt. Dann kam ein örtlicher Kandidat auf uns zu und fragte, ob wir seinen Wahlkampf unterstützen könnten. Das haben wir gerne gemacht. Und so haben wir dort das Wahlkampfgeschäft kennengelernt. Er wurde dann sogar in den Bundestag gewählt. Und so haben wir begonnen, uns mit dem Thema Wahlkampf auseinanderzusetzen."
    Spezialisiert auf den herkömmlichen Wahlkampf
    Das erste Unternehmen gründeten die beiden 2007 - doch seit gut fünf Jahren haben sie sich auf Wahlkämpfe spezialisiert. Und zwar auf die herkömmlichen. Es geht somit nicht um neue Strategien der Wähleransprache mittels sozialer Medien, nicht um die so oft zitierten Chat Bots oder Filter Bubbles, sondern um klassischen Wahlkampf. Der Renner im gegenwärtigen Bundestagswahlkampf ist beispielsweise ein schlichtes Plakat aus Pappe:
    "Es besteht zu mindestens 90 Prozent aus Altpapier. Um es wetterfest zu halten, hat es einen ganz kleinen Kunststoffanteil von rund 3 Prozent. Im Vergleich zu den normalen Hohlkammer-Plakaten, welche zu 100 Prozent aus Kunststoff bestehen, sind wir hiermit wesentlich umweltfreundlicher. Es kann nach Gebrauch wieder im Altpapier entsorgt werden. Ein Kunststoffplakat wird hingegen verbrannt. Derzeit hängen zwischen 500.000 und einer Million Plakate von uns draußen."
    Wahlkämpfer können online bestellen
    Carsten Wutke bezeichnet sich als Wahlkampfdienstleister. Hier werden Kampagnen, die von den Parteizentralen und den beauftragten Werbeagenturen vorgegeben wurden, umgesetzt.
    "Wir haben uns auf die Produktentwicklung spezialisiert. Auch auf den Vertrieb der Produkte, die wir entwickelt haben. Die Produktion findet in der Regel mit Partnern statt, wir arbeiten viel mit Druckereien zusammen, die deutschlandweit verteilt sind. Dort werden unsere Produkte hergestellt."
    Der Unterschied zu einem herkömmlichen Werbemittel-Vertrieb liegt in der Vernetzung. Wahlkämpfer können hier 24 Stunden online bestellen. Und dank digitaler Datenanalyse können die Wähler gezielter angesprochen werden. Zum Paket der Wahlkampfdienstleister gehört beispielsweise eine individuelle Datenkarte für die Kandidaten:
    "Wir können auswerten, wie die Einwohner- oder auch Altersstruktur eines Wahlkreises ist. Wie ist der Sozialstatus in gewissen Gegenden? Hier ermöglichen wir dem Wahlkämpfer, einen gezielten Wahlkampf zu machen und die Botschaften an der richtigen Stelle zu streuen. So kann man beispielsweise junge Familien mit einem gezielten Thema ansprechen. Und zwar dort, wo die Familien auch wohnen."
    Neuerungen auch bei Kugelschreibern
    Man arbeite mit allen demokratischen Parteien zusammen, sagt Carsten Wuttke. Und auch wenn die traditionellen Werbemittel seit Jahren mehr oder weniger die gleichen sind, gibt es hin und wieder doch Neuerungen. Einen Kugelschreiber beispielsweise bieten die meisten Parteien als sogenanntes Give-away an ihren Wahlkampfständen an. Bei der Agentur "begeisternder Wahlkampf" gibt es ihn auch, aber in Verbindung mit einer kleinen, verankerten Broschüre:
    "Der Kugelschreiber wird gerne eingesteckt, aber die Botschaft dahinter - was normalerweise auf einem beigelegten Flyer steht - wird gar nicht wahrgenommen. Deshalb haben wir eine Trägerkarte entwickelt, die fest mit dem Kugelschreiber verbunden ist. Und so muss sich der Wähler die Botschaft schon durchlesen. Oder zumindest benötigt er mehr Zeit, um den Kugelschreiber von der Trägerkarte zu lösen."
    Bis die Plakate verschwunden sind, dauert es noch lange
    Inzwischen wurde das Personal auf sechs Mitarbeiter aufgestockt. Der gegenwärtige Bundestagswahlkampf gilt als abgehakt, doch es geht relativ schnell weiter, denn in Niedersachsen wird schon im Oktober ein neuer Landtag gewählt. Ansonsten gehören auch Werbemittel für Volksentscheide oder Messen zum Geschäftsalltag. Der Firmenname "Begeisternder Wahlkampf" bedarf allerdings noch einer Erklärung - besonders in Zeiten, in denen sich relativ viele über den eher langweiligen Bundestagswahlkampf aufregen:
    "Wir wollen den Wahlkämpfer begeistern. Den Wähler zu begeistern, ist Sache der Kandidaten oder der Parteien. Wir fokussieren uns auf die Produktion der Produkte. Insofern liegt die Begeisterung bei den Kandidaten."
    In der Wahlkampfszene haben sich die Gebrüder Wutke inzwischen einen Namen gemacht. Ein kleines Start-up-, welches vor allem auf die traditionelle Wähleransprache setzt. Das mag überraschen, doch es funktioniert, sagt Geschäftsführer Carsten Wutke.
    "Bis sich der Wahlkampf komplett auf online verlagert, wird es noch einige Jahre dauern. Klar, es wird mehr Internet im Wahlkampf gemacht. Aber bis die Plakate aus dem Straßenbild verschwunden sind, wird es noch recht lange dauern."