Am Ende waren beide Seiten gar nicht so weit auseinander, am Ende ging es wohl nicht mehr nur ums Geld, sondern ums Prinzip. Am Ende waren die Mitgliedstaaten nach eigenen Aussagen dem Parlament weit entgegengekommen. Der letzte Vorschlag für das Budget im nächsten Jahr lag über dem der Kommission.
Allerdings weigerten sich die Staaten, eine bisher noch nie angewendete Regelung im Haushalt zu aktivieren und damit einen Präzedenzfall für die Zukunft zu schaffen. Die Vertreter des Parlamentes verließen daraufhin den Verhandlungstisch.
Kritik an "Technokraten"
"Das Europäische Parlament ist ziemlich verzweifelt über eine Situation, wo die Staats- und Regierungschefs in Sonntagsreden großartige Pläne für Zukunftsprojekte in Europa entwickeln, aber montags ihre Technokraten aus den Finanzministerien losschicken und den Haushaltseinsatz zusammenkürzen."
So beschreibt es der Sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Jens Geier gegenüber dem Deutschlandfunk.
Der neue Artikel 15/3 der Haushaltsverordnung sieht vor, dass nicht abgerufene Mittel zumindest im Bereich Wissenschaft, Forschung, Bildung in das nächste Haushaltsjahr hinübergerettet werden können und nicht wieder an die Staaten zurück fließen. Ein Verfahren, das in nationalen Haushalten durchaus üblich ist. In diesem Fall ging es um 400 Millionen aus der Forschungsförderung, die nicht abgeflossen waren.
Dem Rat der Mitgliedstaaten fehlte eine Begründung dafür, weshalb die Gelder nicht eingesetzt wurden. Das Parlament hätte sie gern per Artikel 15/3 dem nächsten Haushaltsjahr gutgeschrieben. Während die Staaten befürchten, dass die jährliche Finanzplanung dadurch zerlöchert wird, will das Europaparlament gerade dadurch "Flexibilität" für den Haushalt erreichen.
"Weil ja immer im Haushaltsverzug jedes Jahr was passiert, was nicht vorhergesehen ist: Dürren, irgendwelche Zusammenbrüche von Firmen, Migrationsfragen. Also man muss als Europa-Parlament, wenn man den Bürgern mehr helfen, mehr Solidarität zeigen will, muss man im Haushalt flexibel sein", sagt etwa die Grünen Abgeordnete Helga Trüpel, die dem Haushaltsauschuss des Europaparlamentes angehört im Gespräch mit dem Deutschlandfunk-Studio in Brüssel.
"Das will der Rat im Prinzip nicht, weil sie da nicht so Spitz auf Knopf planen können, wie die Finanzminister der 27 Staaten das wollen. Und daher gibt es immer diesen Konflikt zwischen dem ambitionierten Europa-Parlament und dem sehr zurückhaltenden Rat."
Europawahl und Post-Brexit-Ära im Visier
In diesem Jahr scheint der Konflikt noch mal besonders engagiert ausgetragen zu werden - angesichts der bevorstehenden Europa-Wahlen und des grundsätzlichen Gerangels um den Haushalt ab 2021, das gerade erst beginnt, wenn die Briten nicht mehr dabei sein werden, auf die EU aber immer mehr Aufgaben zu kommen. Und die Staaten weder gern kürzen noch gern mehr ausgeben möchten.
Die Stimmung ist deutlich angespannter, so beschreibt es die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier gegenüber unserem Studio: "Wir haben die Verhandlungen nicht platzen lassen, sondern es gab einen Grunddissens - und der sah so aus, dass die Mitgliedstaaten wollten, dass wir eine Milliarde zusätzlich übernehmen und die Mitgliedstaaten um eine Milliarde entlasten gegenüber dem letzten Mal."
Im Kern hatte sich der Streit mit entzündet an der nächsten Tranche, die die Türkei im Rahmen des Flüchtlingspaktes bekommen soll. Bei der ersten Tranche kamen noch zwei Milliarden aus den nationalen Haushalten der Mitgliedstaaten und eine Milliarde aus dem EU-Budget. Nun soll es umgekehrt sein. Das bedeutet eine Milliarde Mehrbelastung für den europäischen Haushalt.
Dafür habe man dann wenigstens verlangt, dass die nicht verbrauchten Gelder aus dem Forschungstopf - 400 Millionen Euro - im nächsten Jahr wieder eingeplant werden können. Die Kommission wird am 30. November einen neuen Vorschlag vorlegen. Dann sollen die Verhandlungen zügig weitergehen.