Schnell noch ein Rasierwasser für Papa und Eierlikör für Mama, schnell noch Heiligabend im Supermarkt ergattert, galten lange als letzte Rettung aus der Geschenkenot. In unserer Welt der digitalisierten Selbstdarstellung jedoch, darf es gern etwas ausgefallener sein: Der Baconkalender oder das Riesenschaukelpferd Pinolino für Erwachsene – Kostenpunkt: 2.500 Euro – bieten sich an. Wer aber wirklich auf der Scheitelwelle des Zeitgeistes segeln will, ist hiermit besser beraten:
"Ein Teppich von Muschi Kreuzberg."
Sozialer Brennpunkt in bunten Farben
Teppiche haben etwas Gediegenes. Ein sozialer Brennpunkt als gewebtes Motiv darauf, wie das Kottbusser Tor in Berlin, ergibt Fallhöhe: Ein Hug Rug aus der Kotti d'Azur-Kollektion zeigt nun den berüchtigten Platz in Kreuzberg - Bausünde der Moderne, Drogenumschlagplatz, Weggehmeile. Extasy-Pillen, überdimensionierte Hundekackhaufen und Junkiespritzen zieren den Teppich - als Geschenk für Sozialromatiker, der fernab von sogenannten Problemkiezen residieren.
"Naja, wir haben natürlich probiert, ein realistisches Bild vom Kotti zu zeichnen. Und der hat ja unserer Meinung nach einen unverdienten schlechten Ruf. Für uns ist es ein Ausdruck von Respekt. Wir huldigen dem Kotti damit und Ticker und Junkies gehören halt dazu", stellt Steph Heim vom Label Muschi Kreuzberg fest. Fürs Kinderzimmer ist das rotzige Stück Berlin nichts. Obwohl es an einen Spielteppich erinnert: Der Platz und die angrenzenden Straßen sind in der Vogelperspektive gezeichnet - in fröhlichen Farben. Im Wohnzimmer wirkt der zwei Mal anderthalb Meter große Teppich vielleicht etwas infantil - für 300 Euro. Werden die Probleme eines geschundenen Bezirks von Hipstern versilbert?
"Hä? Nö. So viele haben wir davon nicht verkauft. Und so viel Geld verdienen wir an den Dingern auch nicht. Wir dachten einfach, das wäre ne coole Geschichte und ein toller Spaß. Mehr nicht."
Richtig auf den Putz hauen geht jetzt wieder
Mal richtig auf den Putz hauen? Das geht jetzt wieder - nachdem uns Political Correctness lange den Mund verboten hatte. In einem kontrollierten Umfeld, über jeden Proll-, Sexismus- und Rechtsaußenverdacht erhaben, wird das möglich durch:
"Cards against Humanity – Karten gegen die Menschheit."
Das gruppentherapeutische Spiel können Trendbewusste angesagter Weise selber basteln: Die Spielkarten als PDF herunterladen, auf Karton ausdrucken und - hoffentlich unfallfrei - mit einem Teppichmesser zerschneiden. Fertig.
"Also die weißen Karten: Davon bekommt jeder Teilnehmer zehn. Und die schwarzen Karten sind die Spielkarten."– "Okay, du hast gerade so eine schwarze Karte gezogen. Gib mal ein Beispiel. – Also: Punkt, Punkt, Punkt ist was Frauen wollen, ist die Frage. Und das ist herausgekommen: Kantinenfraß, Popel und Dessertpizza." - "Ist was Frauen wollen? – Ist was Frau wollen."
So lauten die vorgegebenen Antworten, die Spieler aus ihren weißen Karten bestimmen. Für die meisten Lacher gibt es einen Punkt.
"Es kommen total sinnlose lustige Sachen dabei raus. – (Autor) Aber muss man so einen Sinnen für Humor haben, um dabei zu punkten? - klar, auf jeden Fall. – (Autor) Also würde sich nicht eignen für Spaßbremsen? – Wahrscheinlich nicht."
Auch Weihnachtsdeko erhält zeitgenössische Facelifts. Ein Beispiel ist:
"Die Weihnachtskrippe für Hipster."
Maria und Josef als Hipster
In der Figurinengruppe "Modern Nativity" kommen die Heiligen Drei Könige auf Segwayrollern daher. Unterm Arm: Geschenke von Amazon. Josef trägt Männerdutt und Denimhemd zu beigen Chinos. Maria steckt kurz nach der Geburt schon wieder in engen Jeans: immer sexy - trotz Baby. Die beiden machen Selfies und trinken Coffee-To-Go.
"Die Idee zu dem Produkt wurde an einem feuchtfröhlichen Abend geboren. Wir haben Witze gemacht: Wie würden Religionen aussehen, wenn ihre heiligen Texte in der Gegenwart angesiedelt wären", schreiben die Erfinder in einer E-Mail: Sie brechen mit den tradierten Darstellungen der alten Generation, halten aber trotzdem an Traditionen fest. Irgendwie. Allerdings erinnern die Figuren entfernt an Urlauber, die sich in historischen Gewändern ablichten lassen: Josef und Maria waren keine gut betuchten Trendsetter, sondern mittellose Flüchtlinge. Die gibt es heute immer noch.