Justizstaatssekretär Alfons Bayerl verteidigte 1971 den Reformbedarf im Scheidungsrecht. Sechs Jahre später war es soweit: Im Juli 1977, vor genau 25 Jahren, trat das neue Familienrecht in Kraft - eines der großen Reformprojekte der sozialliberalen Koalition. Scheidungswillige Paare sollten nicht mehr nur durch gegenseitige Schuldzuweisungen ihre Ehe beenden können. An speziellen Gerichten sollten die Richter versuchen, aus einer Hand die Konflikte bei Trennung und Scheidung angemessen zu lösen. Und letzte patriarchalische Gedanken verschwanden zumindest aus den Gesetzestexten.
Ich habe natürlich schon in den 20er Jahren die benachteiligte Rechtsstellung der Frau erkannt. Und dann hatte ich natürlich auch die Vorstellung, dass der Scheidungsprozess in Zukunft entgiftet werden musste, denn ich habe damals Horrorfälle bearbeitet, die unbeschreiblich sind. Es hat dann allerdings noch bis zum Jahre '77 gedauert, bis das neue Scheidungsrecht diesen Weg in eine neue Zeit gefunden hat.
So erinnerte sich Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes und Autorin des Gleichberechtigungsartikels 3 Abs. 2 in einem Hörfunkinterview.
Die wichtigsten Neuerungen waren neben den frisch installierten Familiengerichten: Bei einer Scheidung musste nicht mehr untersucht werden, wer denn "Schuld" hatte, stattdessen zählte nur, dass die Ehe "zerrüttet" war. Unterhalt bekommt nicht mehr nur der schuldlos geschiedene Ehegatte, sondern - zumindest im Regelfall - derjenige, der darauf angewiesen ist. Und auch die Frau, die in der Ehe keine eigenen Rentenansprüche erwerben konnte, bekommt ein selbständiges Recht auf Altersversorgung. Reformen, die vor allem das Scheidungsverfahren veränderten, die aber auch die intakte Ehe bis heute prägen, glaubt der Stuttgarter Familienrichter Christoph Strecker, der das neue Recht von Anfang an in der Praxis verfolgt hat.
Ein Paar kann halt alle möglichen Arten von Konflikten haben und mit diesen Konflikten irgendwie mehr oder weniger gut dann auch hinkommen. Und Techniken entwickeln, wie man diese Konflikte in den Griff kriegt, wie man trotz dieser Konflikte und mit diesen Konflikten vielleicht sogar in Harmonie lebt. Entscheidend für die Chancen, die beide in einem Konflikt haben, ist natürlich, wie es aussehen würde, wenn der Konflikt sich zuspitzt. Wir wollen ja gar nicht davon ausgehen, dass die Leute immerzu gleich jetzt hier mit harten Gegenständen nacheinander werfen und sich scheiden lassen. Aber von Belang ist schon: Was würde denn passieren, wenn einer von beiden jetzt kündigt?
Die Reform markierte das Ende der Ungleichbehandlung der Frau im Familienrecht. Eine Entwicklung, die im bundesdeutschen Recht schon mit der Formulierung der Verfassung begonnen hatte. "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", steht dort ganz allgemein, nicht mehr nur begrenzt auf die staatsbürgerlichen Rechte wie noch in der Weimarer Verfassung. Dieser eine Satz machte es nötig, das ganze Familienrecht umzuschreiben, denn von Gleichberechtigung konnte keine Rede sein. Elisabeth Selbert erzählt in einer Rundfunksendung 1949 von Beratungsgesprächen mit Frauen vor der Trennung oder Scheidung.
Wie groß war immer das Erschrecken dieser Frauen, die vielleicht ein ganzes Leben lang hinter dem Ladentisch gestanden, wenn sie dann hörten, dass sie bei der Scheidung mit leeren Händen aus dem Hause gingen, weil sie nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verpflichtet waren, im Geschäft oder im Betrieb des Mannes mitzuarbeiten, ohne allerdings an dem Gewinn oder dem Vermögen, das sie miterarbeitet hatten, beteiligt zu sein.
Der Mann konnte sogar das Vermögen verwalten, das die Frau geerbt hatte, oder er durfte ihren Arbeitsvertrag kündigen.
Wissen überhaupt die meisten Frauen, wie rechtlos sie sind? Wissen sie, dass sie beispielsweise bei einem Rechtsgeschäft, das über die Schlüsselgewalt hinausgeht, die Genehmigung des Mannes in jedem Fall brauchen? Genau wie ein Minderjähriger?
All das blieb so bis 1956, und auch für diese erste Reform des Familienrechts hatten die Gerichte kräftig nachhelfen müssen. Weil die Parlamentarier nicht, wie es die Verfassung verlangte, bis 1953 das Bürgerliche Gesetzbuch überarbeitet hatten, erklärte das Bundesverfassungsgericht alle gleichheitswidrigen Bestimmungen für nichtig. Der Bundesgerichtshof erfand danach praktisch selbst das Recht für die Zwischenzeit - nur auf der Basis des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts. Und selbst für das neue Recht konnten sich die Bundestagsabgeordneten eine echte Gleichstellung nicht vorstellen: Ohne ein nochmaliges Veto aus Karlsruhe hätte der Vater in Fragen der Kindererziehung weiterhin das letzte Wort gehabt.
Aber auch danach - bis zur Reform vor 25 Jahren - galt weiterhin das Leitbild der Hausfrauenehe. Christoph Strecker:
Ab `57 galt dann immerhin - das war schon ein Fortschritt: Da war die Frau zu einer Berufstätigkeit berechtigt, aber nur soweit das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war. Also das Leitbild der Ehe war nach wie vor: Die Frau gehört zunächst einmal an den Herd und ist dafür zuständig, dass sie die Kinder kriegt und die Kinder groß zieht usw. Und wenn dann noch Zeit und Energie übrig bleibt und der Mann nichts dagegen hat, dann darf sie auch berufstätig sein.
Jetzt regeln - so sieht das zumindest das Gesetz vor - die Eheleute die Haushaltsführung im beiderseitigen Einvernehmen. Das entsprach der Stimmung 1977. Unumstritten war es aber auch damals nicht, so auch nicht in einer Sendung, in der der konservative Soziologe Erwin Scheuch mit seiner familienpolitisch aktiven Kollegin Helge Pross diskutierte.
Es können in einer Ehe, solange Kinder dort sind und einer der beiden sich bevorrechtigt den Kindern widmen muss, nicht beide Ehegatten gleichzeitig primär an ihre Karriere denken. Sie können beide gleichzeitig berufstätig sein, aber nicht im Sinne: Berufstätigkeit zur Höherqualifikation.
Aber Herr Scheuch, da bringen sie wieder das uralte Prinzip auf den Tisch, dass praktisch gesprochen, also die Frauen in erster Instanz nun für die Kinder da zu sein haben.
Umstritten war auch eine ganz greifbare Verbesserung für Frauen: Zum ersten Mal gab es einen eigenen Anspruch der Frau auf Altersversorgung, erläutert Helga Pense, Familienrechtsanwältin und Notarin, die seit den sechziger Jahren praktiziert.
Wenn sie also selbst nicht, wie man früher gesagt hat, geklebt hat, dann hatte sie keinen eigenen Rentenanspruch. Sie hatte allerdings auch als geschiedene Ehefrau einen Anspruch auf Witwenrente, den es ja heute nicht mehr gibt. Und sonst hatte sie, aber nur als nicht schuldig geschiedene Ehefrau, einen Unterhaltsanspruch. Und sonst hatte sie nichts.
Der so genannte Versorgungsausgleich, also der Ausgleich der Rentenanwartschaften, stieß auf Widerstand, weil seine Berechnung kompliziert ist.
Auch sonst weckte die Reform Ängste. Der damalige CDU-Rechtspolitiker Ernst Benda, später Innenminister und dann Verfassungsgerichtspräsident, kritisierte, dass jetzt kein Ehepartner mehr die Scheidung verhindern konnte.
Unsere Befürchtung setzt dort an, wo durch die Normierung einer unwiderleglichen Vermutung der Zerrüttung der Ehe aufgrund einer dreijährigen häuslichen Trennung das praktische Ergebnis nach unserer Befürchtung ist, dass der eine Partner die Ehe einseitig kündigen kann, in gleicher Weise, wie er auch heute ein Sparkonto, das er um höhere Zinsen zu erzielen auf drei Jahre festlegt, eben nach Ablauf von drei Jahren kündigen kann, ohne dass irgendjemand widersprechen kann.
Tatsächlich schien es aber schon 1977 genau dieses Bedürfnis gegeben zu haben, notfalls im Alleingang die Ehe zu beenden. Der Stau löste sich in einer ganzen Flut von Scheidungen, die vorher am Widerspruch des "unschuldigen" Partners, meist der Frau, gescheitert waren.
Dagegen hatte das strenge Verschuldensprinzip des alten Rechts eine moralische Grenze gezogen, aufgehängt an einer Handlung. Sei es mangelnde Treue oder sei es, dass ein Partner ging. In dem Fall wurde aus dem Auseinanderleben, der Zerrüttung, dann die Eheverfehlung "böswilliges Verlassen". Christoph Strecker:
Damals, bis `77, war eben das Verlassen ein Grund, das war dann eine Eheverfehlung. Da kam es im Grunde nicht darauf an, was davor gewesen war, wie unrasiert der Mann sein durfte oder was sonst er sich für Eigenheiten und Unarten angewöhnen durfte, die die Frau alle miterleiden und miterdulden musste, darüber gab es keine Vorschriften. Das war allein dieses objektive sich ins Unrecht setzen, indem man sich eine neue Freundin oder einen neuen Freund zulegte oder indem man den anderen verließ. Das als solches war die Eheverfehlung.
Wie auch sonst die Suche nach objektiven Kriterien für die Bewertung einer Beziehung aus heutiger Sicht befremdet. Und zwar bis in das Scheidungsverfahren hinein, wie sich Helga Pense erinnert.
Es wurde in jedem Ehescheidungsverfahren von Amts wegen gefragt und es musste auch vorher vorgetragen werden, wann der letzte eheliche Verkehr stattfand. Das steht in jedem alten Ehescheidungsurteil drin. Denn wenn nach diesen behaupteten Eheverfehlungen ein ehelicher Verkehr stattfand, galten die als verziehen und war es aus.
Dabei hatte das Alles-oder-Nichts-Prinzip, das aus dem Gedanken der unauflöslichen Ehe stammt, schon in den siebziger Jahren nicht mehr gepasst.
Die Ehe ist ja heute, man kann sagen, kein Bund mehr fürs Leben. Also ich protokolliere auch sehr viel Eheverträge für junge Leute, die heiraten wollen, also deren Beziehung gut ist und die beide sagen, wir wollen unsere Dinge geregelt haben. Wir wollen zwar zusammenbleiben, aber das muss kein Bund fürs Leben sein. Und ich denke so war das auch im Juli 1977 schon.
Die Folge waren in den letzten Jahren unter dem alten Recht einstudierte Justizkommödien, die keiner der Beteiligten mehr so recht ernst nahm, erinnert sich Christoph Strecker.
Er nannte sie eine Schnalle und sie nannte ihn einen Ochsen. Und dann waren das also beiderseitige schwerwiegende Vorwürfe und Beschimpfungen, damit Eheverfehlungen. Und das wurde dann also zur Kenntnis genommen. Und aufgrund dieser beiderseitigen Eheverfehlungen aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Gut, das war die Dekadenz des Systems.
Jetzt wurde aber nicht einfach nur die Zerrüttung als Scheidungsgrund anerkannt. Die Folgen der Scheidung wurden ganz neu geregelt, vor allem auch die finanziellen. Einerseits bekam die Frau, die vorher unschuldig geschieden worden wäre, weniger Absicherung als zuvor. Ausgeglichen werden jetzt nur noch die Nachteile oder die eigenen Bedürfnisse, die sich in der Ehezeit ergeben haben. Sei es, dass die Frau Ausbildungschancen verpasst hat, sei es, dass sie nach der Scheidung nicht arbeiten kann, weil sie die Kinder versorgt. Vorher war die Ehe dagegen die Grundlage für die gegenseitige Versorgung. Und das hieß: Auch den höheren Unterhalt, den die Frau brauchte, um ihre Eltern zu pflegen, oder weil sie selbst erst nach der Ehe erkrankte, musste der Mann ausgleichen. Das neue Recht zwang auch zu einem neuen Rollenverständnis, wie Ernst Benda voraussagte.
Diese Situation, einmal von den Frauen während der Ehe, oder schon vor dem Entschluss zu heiraten erkannt, drängt sie dahin, sich rechtzeitig darum zu bekümmern, dass sie für den Fall der Scheidung nicht draußen steht, sondern dass sie eigenen Erwerb, eigene Erwerbsmöglichkeiten und infolge dessen also eigene Arbeitstätigkeit hat. Dies wird die Tendenz zur Arbeitstätigkeit während der Ehe verstärken.
Für die Mehrzahl der Frauen bedeutete der Übergang von der moralischen zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise, von der Frage der Schuld zu der der Bedürftigkeit, aber eine Verbesserung. Für Frauen eher als für Männer, denn es waren ja in aller Regel die Frauen, die etwas zu verlieren hatten - und bis heute haben. Christoph Strecker:
Der Mann, der seine Frau loswerden wollte, musste nur sich auf die Lauer legen, bis er sie ertappte. Und dann, wenn er sie ertappte, dann war das eine schwere Eheverfehlung und dann konnte er sich von ihr scheiden lassen und sie hatte null Unterhaltsanspruch. Insofern ist das schon noch ein Unterschied in der Chancenverteilung. Der Mann riskierte allenfalls die Unterhaltspflicht bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Die Frau riskierte den Verlust des Unterhaltsanspruchs.
Soweit zur ursprünglichen Reform, und damit zur Theorie. Tatsächlich fand über den Umweg des nachehelichen Unterhalts das Verschulden dann doch wieder den Weg ins Scheidungsverfahren. Unterhalt wird ohnehin nur geschuldet, wenn ein Partner bedürftig ist, und da kann eine neue Beziehung schon mal eine Rolle spielen. Aber ganz abgesehen von dieser wirtschaftlichen Berechnung gibt es auch eine Grenze dessen, was dem zahlenden Partner zugemutet werden soll. Und die Frage, wann diese Grenze überschritten ist, lag erst einmal in den Händen der Richter. Vor allem der am Bundesgerichtshof.
Im Gesetz standen einige der Fälle, wann kein Unterhalt fällig wurde: Nichts bekam und bekommt zum Beispiel derjenige, der immer wieder zumutbare Arbeiten ausschlägt, und dadurch seine Bedürftigkeit selbst herbeiführt. Wer dem Partner nach dem Leben getrachtet hat, darf auch nicht damit rechnen, von ihm noch finanziert zu werden. In die weiteren Klauseln interpretierten die Richter aber dann einiges aus der alten Verschuldensregelung mit hinein. Teilweise wurde diese Rechtsprechung dann Gesetz, und teilweise wurde die neue, weniger moralgetragene Unterhaltsregelung dann auch akzeptiert.
Also es hat keine rechtlichen Gründe, denke ich. Das hat gesellschaftliche Gründe, das kann man rationell gar nicht erklären. Es ist eine neue Richtergeneration jetzt da, so kann ich es nur erklären.
So sieht es Helga Pense. Die Vorstellung, das Verschulden hätte etwas mit Scheidung und Unterhalt zu tun, glaubt die Anwältin, gehört auch zu dem Bild, das sich die Betroffenen machen.
Ich lass' dann die Leute erst einmal erzählen. Und dann erzählen sie, wie es dazu kam, und dass Schuld daran der Andere hat. Wobei also bei einer Zerrüttung der Ehe nie einer alleine Schuld hat, das wissen wir alle. Aber das zeigt nur, dass für die Rechtssuchenden das Verschulden doch irgendwo noch eine ganz große Rolle spielt.
Umso mehr muss hier ausgeglichen werden, müssen Anwälte und Richter versuchen, auch im Verfahren zerstrittenen Paaren das Gefühl zu geben, dass es einigermaßen gerecht zugeht. Die Richter, das sind seit 1977 die Familienrichter. Und nicht mehr eine ganze Reihe verschiedener Instanzen, die sich um die unterschiedlichen Facetten einer gescheiterten Beziehung kümmern, an die sich Christoph Strecker erinnert.
Da ging es zum Beispiel um die Scheidung, die fand statt vor dem Landgericht. Dann gab es vielleicht Auseinandersetzungen um die Kinder. Die fanden beim Vormundschaftsgericht, beim Amtsgericht statt. Dann stritt man vielleicht ums Geld, wenn es viel Geld war, dann war das beim Landgericht, war es wenig, dann war es die Zivilabteilung beim Amtsgericht. Da stritt man vielleicht um den Unterhalt, das fand wiederum statt bei der Zivilabteilung des Amtsgerichts.
All das, um letztlich das gleiche Problem zu lösen.
Nämlich dass ein Paar auseinandergeht, traurig ist, frustriert ist, aggressiv ist. In seiner Trauer, in seiner Frustration sucht jeder zunächst mal die Schuld oder Entlastung in Schuldzuweisungen bei dem Anderen und das wird nun transformiert. Da wird eben die Trauer transformiert in Geldansprüche. Ich sage das deswegen, weil wenn Leute nicht diese Aggression oder Trauer oder ähnliches mit sich rumschleppen, können sie sich über so was ja vielleicht verständigen. Und das ist also eine große, ja ich möchte schon sagen, kulturelle Errungenschaft, dass man gesehen hat, das ist ja ein Problemkomplex, der wird gemeinsam erörtert und gemeinsam gelöst.
Dass es nur ein Gericht für alle Probleme gibt, das führt - zumindest im Idealfall - nicht nur zu einem schnelleren und billigeren Verfahren. Es gibt dem Richter, der sich der Scheidungswilligen annimmt, auch ganz andere Möglichkeiten.
Zum Beispiel: Es wird um das Kind gestritten, und im Hintergrund spielt eine Rolle der daraus resultierende Unterhaltsanspruch vielleicht. Der Mann meinetwegen, der es schafft, dass das Kind bei ihm wohnt, braucht der Frau keinen Unterhalt zu zahlen. Oder die Frau, die es schafft, dass sie das Kind zu versorgen hat, hat damit vielleicht verbunden einen Unterhaltsanspruch gegen den Mann. Das können offene, das können verdeckte Motive sein, kann auch gar nichts miteinander zu tun haben. Aber so was ein bisschen in den Blick zu bekommen, ist sicher erst dann möglich, wenn man den gesamten Komplex ein bisschen mit den Leuten erörtert.
Ob der Idealfall erreicht wird, das hängt natürlich auch vom Engagement und der sozialen Kompetenz des Richters ab. Deshalb sollte der Familienrichter ursprünglich besser besoldet werden. Das wurde ebenso wenig umgesetzt, wie die verpflichtende Ausbildung zum Familienrichter.
Es können bereits Assessoren im dritten Lehrjahr Familiensachen machen, also Richter auf Probe, die noch gar nicht planmäßig sind. Fortbildung gibt es schon. Es gibt nicht eine Familienrichterschule etwa oder eine standardisierte Ausbildung für Familienrichter, dass man anfängt mit Grundbegriffen der Psychologie und vielleicht der Verhandlungstechnik, der Gesprächsführung. Das kann man aber auch sehr verbessern, indem man das systematisch unterrichtet und systematisch lernt.
Wenn auch der einfühlsamste Richter den Konflikt nicht lösen kann, und auch der rechtliche Rahmen nur das Gerüst bieten kann. Ein anderes Problem des Scheidungsrechts hätte auch die beste Reform des Familienrechts nicht lösen können. Wo es nichts zu verteilen gibt, da können auch die Richter nicht weiterhelfen. Schwierig wird es vor allem, wo Kinder zu versorgen sind. Auch das ein Problem, das nicht neu ist. Schon der erste Sprecher des Familiengerichtstages, der nach der Reform gegründet wurde, Jannpeter Zopfs, beklagte:
Die Mangelbewirtschaftung kann durch Richtersprüche nicht zur Bewirtschaftung von größeren Vorräten werden. Immerhin wird man sagen müssen, dass die Forderung zu erheben ist, dass eine Scheidungsweise, das heißt also, ein Kind, das aus einer geschiedenen Ehe hervorgeht, eigentlich nicht schlechter gestellt werden darf. Die Frage ist bloß, wovon soll es bezahlt werden, was das Kind verdient? Im Grunde ist es so, dass wenn eine Ehe geschieden ist, zwei Haushalte nun zu bezahlen sind. Das Geld, das früher für den einen nicht reichte, reicht nun für die zwei neuen erst recht nicht. Es wird also darauf hinauslaufen, dass derjenige, der das Sorgerecht hat und die Kinder zu betreuen hat, irgendwann doch eine Halbtagstätigkeit aufnimmt, wenn er nicht andauernd der Sozialfürsorge anheim fallen will.
Aber um dieses Problem familiärer Armut zu lösen, müsste die Gesellschaft insgesamt andere Prioritäten setzen.
Ich habe natürlich schon in den 20er Jahren die benachteiligte Rechtsstellung der Frau erkannt. Und dann hatte ich natürlich auch die Vorstellung, dass der Scheidungsprozess in Zukunft entgiftet werden musste, denn ich habe damals Horrorfälle bearbeitet, die unbeschreiblich sind. Es hat dann allerdings noch bis zum Jahre '77 gedauert, bis das neue Scheidungsrecht diesen Weg in eine neue Zeit gefunden hat.
So erinnerte sich Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes und Autorin des Gleichberechtigungsartikels 3 Abs. 2 in einem Hörfunkinterview.
Die wichtigsten Neuerungen waren neben den frisch installierten Familiengerichten: Bei einer Scheidung musste nicht mehr untersucht werden, wer denn "Schuld" hatte, stattdessen zählte nur, dass die Ehe "zerrüttet" war. Unterhalt bekommt nicht mehr nur der schuldlos geschiedene Ehegatte, sondern - zumindest im Regelfall - derjenige, der darauf angewiesen ist. Und auch die Frau, die in der Ehe keine eigenen Rentenansprüche erwerben konnte, bekommt ein selbständiges Recht auf Altersversorgung. Reformen, die vor allem das Scheidungsverfahren veränderten, die aber auch die intakte Ehe bis heute prägen, glaubt der Stuttgarter Familienrichter Christoph Strecker, der das neue Recht von Anfang an in der Praxis verfolgt hat.
Ein Paar kann halt alle möglichen Arten von Konflikten haben und mit diesen Konflikten irgendwie mehr oder weniger gut dann auch hinkommen. Und Techniken entwickeln, wie man diese Konflikte in den Griff kriegt, wie man trotz dieser Konflikte und mit diesen Konflikten vielleicht sogar in Harmonie lebt. Entscheidend für die Chancen, die beide in einem Konflikt haben, ist natürlich, wie es aussehen würde, wenn der Konflikt sich zuspitzt. Wir wollen ja gar nicht davon ausgehen, dass die Leute immerzu gleich jetzt hier mit harten Gegenständen nacheinander werfen und sich scheiden lassen. Aber von Belang ist schon: Was würde denn passieren, wenn einer von beiden jetzt kündigt?
Die Reform markierte das Ende der Ungleichbehandlung der Frau im Familienrecht. Eine Entwicklung, die im bundesdeutschen Recht schon mit der Formulierung der Verfassung begonnen hatte. "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", steht dort ganz allgemein, nicht mehr nur begrenzt auf die staatsbürgerlichen Rechte wie noch in der Weimarer Verfassung. Dieser eine Satz machte es nötig, das ganze Familienrecht umzuschreiben, denn von Gleichberechtigung konnte keine Rede sein. Elisabeth Selbert erzählt in einer Rundfunksendung 1949 von Beratungsgesprächen mit Frauen vor der Trennung oder Scheidung.
Wie groß war immer das Erschrecken dieser Frauen, die vielleicht ein ganzes Leben lang hinter dem Ladentisch gestanden, wenn sie dann hörten, dass sie bei der Scheidung mit leeren Händen aus dem Hause gingen, weil sie nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verpflichtet waren, im Geschäft oder im Betrieb des Mannes mitzuarbeiten, ohne allerdings an dem Gewinn oder dem Vermögen, das sie miterarbeitet hatten, beteiligt zu sein.
Der Mann konnte sogar das Vermögen verwalten, das die Frau geerbt hatte, oder er durfte ihren Arbeitsvertrag kündigen.
Wissen überhaupt die meisten Frauen, wie rechtlos sie sind? Wissen sie, dass sie beispielsweise bei einem Rechtsgeschäft, das über die Schlüsselgewalt hinausgeht, die Genehmigung des Mannes in jedem Fall brauchen? Genau wie ein Minderjähriger?
All das blieb so bis 1956, und auch für diese erste Reform des Familienrechts hatten die Gerichte kräftig nachhelfen müssen. Weil die Parlamentarier nicht, wie es die Verfassung verlangte, bis 1953 das Bürgerliche Gesetzbuch überarbeitet hatten, erklärte das Bundesverfassungsgericht alle gleichheitswidrigen Bestimmungen für nichtig. Der Bundesgerichtshof erfand danach praktisch selbst das Recht für die Zwischenzeit - nur auf der Basis des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts. Und selbst für das neue Recht konnten sich die Bundestagsabgeordneten eine echte Gleichstellung nicht vorstellen: Ohne ein nochmaliges Veto aus Karlsruhe hätte der Vater in Fragen der Kindererziehung weiterhin das letzte Wort gehabt.
Aber auch danach - bis zur Reform vor 25 Jahren - galt weiterhin das Leitbild der Hausfrauenehe. Christoph Strecker:
Ab `57 galt dann immerhin - das war schon ein Fortschritt: Da war die Frau zu einer Berufstätigkeit berechtigt, aber nur soweit das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war. Also das Leitbild der Ehe war nach wie vor: Die Frau gehört zunächst einmal an den Herd und ist dafür zuständig, dass sie die Kinder kriegt und die Kinder groß zieht usw. Und wenn dann noch Zeit und Energie übrig bleibt und der Mann nichts dagegen hat, dann darf sie auch berufstätig sein.
Jetzt regeln - so sieht das zumindest das Gesetz vor - die Eheleute die Haushaltsführung im beiderseitigen Einvernehmen. Das entsprach der Stimmung 1977. Unumstritten war es aber auch damals nicht, so auch nicht in einer Sendung, in der der konservative Soziologe Erwin Scheuch mit seiner familienpolitisch aktiven Kollegin Helge Pross diskutierte.
Es können in einer Ehe, solange Kinder dort sind und einer der beiden sich bevorrechtigt den Kindern widmen muss, nicht beide Ehegatten gleichzeitig primär an ihre Karriere denken. Sie können beide gleichzeitig berufstätig sein, aber nicht im Sinne: Berufstätigkeit zur Höherqualifikation.
Aber Herr Scheuch, da bringen sie wieder das uralte Prinzip auf den Tisch, dass praktisch gesprochen, also die Frauen in erster Instanz nun für die Kinder da zu sein haben.
Umstritten war auch eine ganz greifbare Verbesserung für Frauen: Zum ersten Mal gab es einen eigenen Anspruch der Frau auf Altersversorgung, erläutert Helga Pense, Familienrechtsanwältin und Notarin, die seit den sechziger Jahren praktiziert.
Wenn sie also selbst nicht, wie man früher gesagt hat, geklebt hat, dann hatte sie keinen eigenen Rentenanspruch. Sie hatte allerdings auch als geschiedene Ehefrau einen Anspruch auf Witwenrente, den es ja heute nicht mehr gibt. Und sonst hatte sie, aber nur als nicht schuldig geschiedene Ehefrau, einen Unterhaltsanspruch. Und sonst hatte sie nichts.
Der so genannte Versorgungsausgleich, also der Ausgleich der Rentenanwartschaften, stieß auf Widerstand, weil seine Berechnung kompliziert ist.
Auch sonst weckte die Reform Ängste. Der damalige CDU-Rechtspolitiker Ernst Benda, später Innenminister und dann Verfassungsgerichtspräsident, kritisierte, dass jetzt kein Ehepartner mehr die Scheidung verhindern konnte.
Unsere Befürchtung setzt dort an, wo durch die Normierung einer unwiderleglichen Vermutung der Zerrüttung der Ehe aufgrund einer dreijährigen häuslichen Trennung das praktische Ergebnis nach unserer Befürchtung ist, dass der eine Partner die Ehe einseitig kündigen kann, in gleicher Weise, wie er auch heute ein Sparkonto, das er um höhere Zinsen zu erzielen auf drei Jahre festlegt, eben nach Ablauf von drei Jahren kündigen kann, ohne dass irgendjemand widersprechen kann.
Tatsächlich schien es aber schon 1977 genau dieses Bedürfnis gegeben zu haben, notfalls im Alleingang die Ehe zu beenden. Der Stau löste sich in einer ganzen Flut von Scheidungen, die vorher am Widerspruch des "unschuldigen" Partners, meist der Frau, gescheitert waren.
Dagegen hatte das strenge Verschuldensprinzip des alten Rechts eine moralische Grenze gezogen, aufgehängt an einer Handlung. Sei es mangelnde Treue oder sei es, dass ein Partner ging. In dem Fall wurde aus dem Auseinanderleben, der Zerrüttung, dann die Eheverfehlung "böswilliges Verlassen". Christoph Strecker:
Damals, bis `77, war eben das Verlassen ein Grund, das war dann eine Eheverfehlung. Da kam es im Grunde nicht darauf an, was davor gewesen war, wie unrasiert der Mann sein durfte oder was sonst er sich für Eigenheiten und Unarten angewöhnen durfte, die die Frau alle miterleiden und miterdulden musste, darüber gab es keine Vorschriften. Das war allein dieses objektive sich ins Unrecht setzen, indem man sich eine neue Freundin oder einen neuen Freund zulegte oder indem man den anderen verließ. Das als solches war die Eheverfehlung.
Wie auch sonst die Suche nach objektiven Kriterien für die Bewertung einer Beziehung aus heutiger Sicht befremdet. Und zwar bis in das Scheidungsverfahren hinein, wie sich Helga Pense erinnert.
Es wurde in jedem Ehescheidungsverfahren von Amts wegen gefragt und es musste auch vorher vorgetragen werden, wann der letzte eheliche Verkehr stattfand. Das steht in jedem alten Ehescheidungsurteil drin. Denn wenn nach diesen behaupteten Eheverfehlungen ein ehelicher Verkehr stattfand, galten die als verziehen und war es aus.
Dabei hatte das Alles-oder-Nichts-Prinzip, das aus dem Gedanken der unauflöslichen Ehe stammt, schon in den siebziger Jahren nicht mehr gepasst.
Die Ehe ist ja heute, man kann sagen, kein Bund mehr fürs Leben. Also ich protokolliere auch sehr viel Eheverträge für junge Leute, die heiraten wollen, also deren Beziehung gut ist und die beide sagen, wir wollen unsere Dinge geregelt haben. Wir wollen zwar zusammenbleiben, aber das muss kein Bund fürs Leben sein. Und ich denke so war das auch im Juli 1977 schon.
Die Folge waren in den letzten Jahren unter dem alten Recht einstudierte Justizkommödien, die keiner der Beteiligten mehr so recht ernst nahm, erinnert sich Christoph Strecker.
Er nannte sie eine Schnalle und sie nannte ihn einen Ochsen. Und dann waren das also beiderseitige schwerwiegende Vorwürfe und Beschimpfungen, damit Eheverfehlungen. Und das wurde dann also zur Kenntnis genommen. Und aufgrund dieser beiderseitigen Eheverfehlungen aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Gut, das war die Dekadenz des Systems.
Jetzt wurde aber nicht einfach nur die Zerrüttung als Scheidungsgrund anerkannt. Die Folgen der Scheidung wurden ganz neu geregelt, vor allem auch die finanziellen. Einerseits bekam die Frau, die vorher unschuldig geschieden worden wäre, weniger Absicherung als zuvor. Ausgeglichen werden jetzt nur noch die Nachteile oder die eigenen Bedürfnisse, die sich in der Ehezeit ergeben haben. Sei es, dass die Frau Ausbildungschancen verpasst hat, sei es, dass sie nach der Scheidung nicht arbeiten kann, weil sie die Kinder versorgt. Vorher war die Ehe dagegen die Grundlage für die gegenseitige Versorgung. Und das hieß: Auch den höheren Unterhalt, den die Frau brauchte, um ihre Eltern zu pflegen, oder weil sie selbst erst nach der Ehe erkrankte, musste der Mann ausgleichen. Das neue Recht zwang auch zu einem neuen Rollenverständnis, wie Ernst Benda voraussagte.
Diese Situation, einmal von den Frauen während der Ehe, oder schon vor dem Entschluss zu heiraten erkannt, drängt sie dahin, sich rechtzeitig darum zu bekümmern, dass sie für den Fall der Scheidung nicht draußen steht, sondern dass sie eigenen Erwerb, eigene Erwerbsmöglichkeiten und infolge dessen also eigene Arbeitstätigkeit hat. Dies wird die Tendenz zur Arbeitstätigkeit während der Ehe verstärken.
Für die Mehrzahl der Frauen bedeutete der Übergang von der moralischen zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise, von der Frage der Schuld zu der der Bedürftigkeit, aber eine Verbesserung. Für Frauen eher als für Männer, denn es waren ja in aller Regel die Frauen, die etwas zu verlieren hatten - und bis heute haben. Christoph Strecker:
Der Mann, der seine Frau loswerden wollte, musste nur sich auf die Lauer legen, bis er sie ertappte. Und dann, wenn er sie ertappte, dann war das eine schwere Eheverfehlung und dann konnte er sich von ihr scheiden lassen und sie hatte null Unterhaltsanspruch. Insofern ist das schon noch ein Unterschied in der Chancenverteilung. Der Mann riskierte allenfalls die Unterhaltspflicht bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Die Frau riskierte den Verlust des Unterhaltsanspruchs.
Soweit zur ursprünglichen Reform, und damit zur Theorie. Tatsächlich fand über den Umweg des nachehelichen Unterhalts das Verschulden dann doch wieder den Weg ins Scheidungsverfahren. Unterhalt wird ohnehin nur geschuldet, wenn ein Partner bedürftig ist, und da kann eine neue Beziehung schon mal eine Rolle spielen. Aber ganz abgesehen von dieser wirtschaftlichen Berechnung gibt es auch eine Grenze dessen, was dem zahlenden Partner zugemutet werden soll. Und die Frage, wann diese Grenze überschritten ist, lag erst einmal in den Händen der Richter. Vor allem der am Bundesgerichtshof.
Im Gesetz standen einige der Fälle, wann kein Unterhalt fällig wurde: Nichts bekam und bekommt zum Beispiel derjenige, der immer wieder zumutbare Arbeiten ausschlägt, und dadurch seine Bedürftigkeit selbst herbeiführt. Wer dem Partner nach dem Leben getrachtet hat, darf auch nicht damit rechnen, von ihm noch finanziert zu werden. In die weiteren Klauseln interpretierten die Richter aber dann einiges aus der alten Verschuldensregelung mit hinein. Teilweise wurde diese Rechtsprechung dann Gesetz, und teilweise wurde die neue, weniger moralgetragene Unterhaltsregelung dann auch akzeptiert.
Also es hat keine rechtlichen Gründe, denke ich. Das hat gesellschaftliche Gründe, das kann man rationell gar nicht erklären. Es ist eine neue Richtergeneration jetzt da, so kann ich es nur erklären.
So sieht es Helga Pense. Die Vorstellung, das Verschulden hätte etwas mit Scheidung und Unterhalt zu tun, glaubt die Anwältin, gehört auch zu dem Bild, das sich die Betroffenen machen.
Ich lass' dann die Leute erst einmal erzählen. Und dann erzählen sie, wie es dazu kam, und dass Schuld daran der Andere hat. Wobei also bei einer Zerrüttung der Ehe nie einer alleine Schuld hat, das wissen wir alle. Aber das zeigt nur, dass für die Rechtssuchenden das Verschulden doch irgendwo noch eine ganz große Rolle spielt.
Umso mehr muss hier ausgeglichen werden, müssen Anwälte und Richter versuchen, auch im Verfahren zerstrittenen Paaren das Gefühl zu geben, dass es einigermaßen gerecht zugeht. Die Richter, das sind seit 1977 die Familienrichter. Und nicht mehr eine ganze Reihe verschiedener Instanzen, die sich um die unterschiedlichen Facetten einer gescheiterten Beziehung kümmern, an die sich Christoph Strecker erinnert.
Da ging es zum Beispiel um die Scheidung, die fand statt vor dem Landgericht. Dann gab es vielleicht Auseinandersetzungen um die Kinder. Die fanden beim Vormundschaftsgericht, beim Amtsgericht statt. Dann stritt man vielleicht ums Geld, wenn es viel Geld war, dann war das beim Landgericht, war es wenig, dann war es die Zivilabteilung beim Amtsgericht. Da stritt man vielleicht um den Unterhalt, das fand wiederum statt bei der Zivilabteilung des Amtsgerichts.
All das, um letztlich das gleiche Problem zu lösen.
Nämlich dass ein Paar auseinandergeht, traurig ist, frustriert ist, aggressiv ist. In seiner Trauer, in seiner Frustration sucht jeder zunächst mal die Schuld oder Entlastung in Schuldzuweisungen bei dem Anderen und das wird nun transformiert. Da wird eben die Trauer transformiert in Geldansprüche. Ich sage das deswegen, weil wenn Leute nicht diese Aggression oder Trauer oder ähnliches mit sich rumschleppen, können sie sich über so was ja vielleicht verständigen. Und das ist also eine große, ja ich möchte schon sagen, kulturelle Errungenschaft, dass man gesehen hat, das ist ja ein Problemkomplex, der wird gemeinsam erörtert und gemeinsam gelöst.
Dass es nur ein Gericht für alle Probleme gibt, das führt - zumindest im Idealfall - nicht nur zu einem schnelleren und billigeren Verfahren. Es gibt dem Richter, der sich der Scheidungswilligen annimmt, auch ganz andere Möglichkeiten.
Zum Beispiel: Es wird um das Kind gestritten, und im Hintergrund spielt eine Rolle der daraus resultierende Unterhaltsanspruch vielleicht. Der Mann meinetwegen, der es schafft, dass das Kind bei ihm wohnt, braucht der Frau keinen Unterhalt zu zahlen. Oder die Frau, die es schafft, dass sie das Kind zu versorgen hat, hat damit vielleicht verbunden einen Unterhaltsanspruch gegen den Mann. Das können offene, das können verdeckte Motive sein, kann auch gar nichts miteinander zu tun haben. Aber so was ein bisschen in den Blick zu bekommen, ist sicher erst dann möglich, wenn man den gesamten Komplex ein bisschen mit den Leuten erörtert.
Ob der Idealfall erreicht wird, das hängt natürlich auch vom Engagement und der sozialen Kompetenz des Richters ab. Deshalb sollte der Familienrichter ursprünglich besser besoldet werden. Das wurde ebenso wenig umgesetzt, wie die verpflichtende Ausbildung zum Familienrichter.
Es können bereits Assessoren im dritten Lehrjahr Familiensachen machen, also Richter auf Probe, die noch gar nicht planmäßig sind. Fortbildung gibt es schon. Es gibt nicht eine Familienrichterschule etwa oder eine standardisierte Ausbildung für Familienrichter, dass man anfängt mit Grundbegriffen der Psychologie und vielleicht der Verhandlungstechnik, der Gesprächsführung. Das kann man aber auch sehr verbessern, indem man das systematisch unterrichtet und systematisch lernt.
Wenn auch der einfühlsamste Richter den Konflikt nicht lösen kann, und auch der rechtliche Rahmen nur das Gerüst bieten kann. Ein anderes Problem des Scheidungsrechts hätte auch die beste Reform des Familienrechts nicht lösen können. Wo es nichts zu verteilen gibt, da können auch die Richter nicht weiterhelfen. Schwierig wird es vor allem, wo Kinder zu versorgen sind. Auch das ein Problem, das nicht neu ist. Schon der erste Sprecher des Familiengerichtstages, der nach der Reform gegründet wurde, Jannpeter Zopfs, beklagte:
Die Mangelbewirtschaftung kann durch Richtersprüche nicht zur Bewirtschaftung von größeren Vorräten werden. Immerhin wird man sagen müssen, dass die Forderung zu erheben ist, dass eine Scheidungsweise, das heißt also, ein Kind, das aus einer geschiedenen Ehe hervorgeht, eigentlich nicht schlechter gestellt werden darf. Die Frage ist bloß, wovon soll es bezahlt werden, was das Kind verdient? Im Grunde ist es so, dass wenn eine Ehe geschieden ist, zwei Haushalte nun zu bezahlen sind. Das Geld, das früher für den einen nicht reichte, reicht nun für die zwei neuen erst recht nicht. Es wird also darauf hinauslaufen, dass derjenige, der das Sorgerecht hat und die Kinder zu betreuen hat, irgendwann doch eine Halbtagstätigkeit aufnimmt, wenn er nicht andauernd der Sozialfürsorge anheim fallen will.
Aber um dieses Problem familiärer Armut zu lösen, müsste die Gesellschaft insgesamt andere Prioritäten setzen.