Der Begriff des "Weltkriegs" wurde schon vor 1914 gebraucht. Gemeint war damit ein großer Krieg zwischen den europäischen Mächten. In diesem Sinne hat ihn auch der deutsche Generalstabschef Moltke gebraucht, als er am 31. Juli zu seinem Adjutanten sagte:
"Dieser Krieg wird sich zu einem Weltkrieg auswachsen, in den auch England eingreifen wird. Nur Wenige können sich eine Vorstellung über den Umfang, die Dauer und das Ende dieses Krieges machen. Wie das alles enden soll, ahnt heute niemand."
In dieser eurozentrischen Bedeutung wurde der Krieg dann auch schon bald als "Weltkrieg" bezeichnet. Das bedeutete aber nicht in erster Linie "globaler Krieg", sondern "Krieg von welthistorischer Bedeutung". Oft sprach man daher auch einfach vom "großen Krieg", eine Bezeichnung, die sich bis heute in vielen Ländern erhalten hat. Die Historiker haben den Begriff in seiner Unschärfe und auf Europa zentrierten Bedeutung von den Zeitgenossen übernommen. Dabei wurde die globale Dimension meist ausgeblendet. Sie ist von den Historikern erst in den letzten Jahren in den Blick genommen worden.
Definitionen von Weltkrieg
Nach Auffassung einiger Historiker liegt ein Weltkrieg vor, wenn mindestens fünf größere Mächte beteiligt sind und es auf mindestens zwei Kontinenten zu Kampfhandlungen kommt. Schon die Kämpfe um die deutschen Kolonien in Afrika machten den Ersten Weltkrieg danach zu einem Weltkrieg. Der Historiker Stig Förster schreibt dazu:
"Treibende Kraft war hierbei zunächst Großbritannien. Der völkerrechtswidrige deutsche Überfall auf das neutrale Belgien bot einen glänzenden Vorwand, die kolonialen Abmachungen für hinfällig zu erklären. Bereits am 5. August beschloss in London das Committee for Imperial Defence, alle deutschen Kolonien anzugreifen. Mithilfe indischer, südafrikanischer, französischer und britischer Truppen sollten Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo und Kamerun erobert werden."
Deutschland verfügte hier nur über bescheidende Truppen. Diese waren von ihren Nachschubwegen weitgehend abgeschnitten. Dennoch haben sich die Kämpfe hier bis November 1918 hingezogen. Das lag vor allem an der Entscheidung der Briten, die Eroberung der deutschen Kolonien ausschließlich mit lokalen Truppen zu bewerkstelligen. Schnelle Erfolge haben die Alliierten nur in Togo erzielt, wo die kleine deutsche Schutztruppe schon Ende August 1914 kapitulierte. Die Eroberung Kameruns, an der sich neben britischen und französischen auch belgische Truppen aus dem Kongo beteiligten, band bereits sehr viel mehr Kräfte und zog sich bis Februar 1916 hin.
Aufstände in der Armee
Die Einnahme Deutsch-Südwestafrikas sollte durch die Südafrikanische Union erfolgen, deren Regierung ein "Greater South Africa" anstrebte und daher auf das Ansinnen Londons bereitwillig einging. Auch sie zog sich jedoch länger hin als geplant. Das lag nicht zuletzt daran, dass der Krieg gegen die deutschen Nachbarn selbst in Teilen der weißen Bevölkerung wenig populär war, vor allem bei den "Altburen", die ihrer Unabhängigkeit hinterher trauerten und keine Neigung hatten, gegen die deutschen Kolonisten in Südwest zu kämpfen, die sie im Burenkrieg unterstützt hatten. So kam es zu Aufständen in der Armee, deren Niederschlagung mehr Opfer kostete als der Feldzug gegen die Deutschen, der im Sommer 1915 erfolgreich beendet wurde.
Am längsten und verlustreichsten war der Krieg um Deutsch-Ostafrika. Er wies an sich schon globale Züge auf, denn in ihm kamen nicht nur Kolonialtruppen der Briten und Belgier aus anderen Teilen Afrikas, sondern auch Einheiten aus Indien zum Einsatz. Seit 1916 waren auch starke weiße Verbände aus Südafrika beteiligt. Die deutsche Schutztruppe hielt über Jahre hinweg einer erdrückenden Übermacht stand, da Lettow-Vorbeck erfolgreich auf den Guerillakrieg setzte. Dennoch lief seine Strategie, beträchtliche Kräfte des Gegners an der Peripherie zu binden, letztlich ins Leere, denn die Kolonialtruppen der Alliierten, die jahrelang in Afrika gegen die Deutschen kämpften, wären kaum in Europa eingesetzt worden.
Dennoch kann der Krieg in Ostafrika nicht einfach als Nebenschauplatz abgetan werden. Zwar war die Zahl der eingesetzten Soldaten mit 200.000 recht begrenzt. Die Folgen des Krieges für die Region waren jedoch verheerend. Das lag vor allem daran, dass er als Bewegungskrieg in einem großen Gebiet geführt wurde, in dem es kaum Straßen und Eisenbahnen gab. Da Packtiere für Krankheiten anfällig waren, setzten beide Seiten in großem Stil Einheimische als Hilfskräfte und Träger ein. Insgesamt wurden zehnmal mehr Träger als Soldaten eingesetzt. Allein die Briten haben in Kenia, Rhodesien, Malawi, dem Kongo, Mosambik und Deutsch-Ostafrika mindestens eine Million Träger rekrutiert.
Hohe Todesrate
Diese Zwangsrekrutierung junger Männer hatte fatale Folgen für die Wirtschaft der gesamten Region, aber auch für die Träger selbst. Denn diese wurden nur unzureichend versorgt und erkrankten daher oft. Vor allem in der letzten Phase des Krieges sanken ihre Kalorienrationen dramatisch. Die Todesrate unter ihnen lag viel höher als unter den Soldaten und entsprach etwa der an der Westfront. Allein von den auf britischer Seite eingesetzten Trägern sind über 100.000 während des Feldzugs gestorben. 45.000 von ihnen stammten aus Kenia, wo sie ein Achtel der erwachsenen männlichen Bevölkerung ausmachten.
Auch sonst wurde die Zivilbevölkerung der Region schwer in Mitleidenschaft gezogen. Infolge der fehlenden Infrastruktur und der chronischen Nachschubprobleme mussten sich die Truppen beider Seiten auf ihren Märschen zum großen Teil aus dem Land versorgen. So wurde die einheimische Bevölkerung nicht nur durch die Zwangsrekrutierung der jungen Männer als Soldaten und Träger, sondern auch durch Requisitionen und Plünderungen belastet, die ihre Lebensgrundlagen zerstörten. Hungersnöte und Seuchen waren die Folge. Einer der Ärzte in Lettow Vorbecks Truppe hat dies in seinem Tagebuch festgehalten:
"Hinter uns lassen wir zerstörte Felder, restlos geplünderte Magazine und für die nächste Zeit Hungersnot [...] Wir sind keine Schrittmacher der Kultur mehr; unsere Spur ist gezeichnet von Tod, Plünderung und menschenleeren Dörfern, gerade so wie im Dreißigjährigen Kriege nach dem Durchmarsch der eigenen und feindlichen Truppen."
650.000 Kriegsopfer
Am härtesten hat der Krieg Deutsch-Ostafrika getroffen. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Kolonie bis Kriegsende rund 650.000 Menschen infolge des Krieges ums Leben kamen, fast ein Zehntel der Einwohner.
Die Kämpfe in Afrika allein machen den Ersten Weltkrieg jedoch noch nicht zum Weltkrieg. Militärische Konflikte zwischen den europäischen Mächten außerhalb Europas hatte es auch schon in früheren Zeiten gegeben. Die Besonderheit moderner Weltkriege besteht vor allem darin, dass sich in ihnen regionale Konflikte zu einem globalen Geschehen vernetzen und dass sich im Zuge dieser Ausweitung auch souveräne außereuropäische Mächte beteiligen. Zu diesem Flächenbrand kam es in größerem Umfang erst in dem Krieg, der 1914 begann.
Die intensiven Bemühungen beider Seiten um weitere Bündnispartner führten schnell dazu, dass sich der Krieg ausweitete. Um weitere Staaten zum Kriegseintritt zu bewegen, mussten Zugeständnisse an sie gemacht werden. So wurden immer mehr regionale Konflikte an den Krieg angedockt, die mit dem zentralen Geschehen wenig zu tun hatten. Diese Dynamik lässt sich nicht nur im Fall von Italien, Bulgarien, Rumänien oder Portugal, sondern auch von Japan, China und dem Osmanischen Reich beobachten. Sie alle versuchten, den europäischen Kernkonflikt auszunutzen.
Defensive Motive
Das Osmanische Reich handelte eher aus defensiven Motiven. Für die Machthaber in Istanbul ging es darum, dem weiteren Machtgewinn Russlands vorzubeugen, verlorene Territorien und Souveränität wiederzugewinnen und internationale Gleichberechtigung zu erlangen. Für das mit Großbritannien seit 1908 verbündete Japan dagegen war der Krieg die willkommene Gelegenheit, um weiter zu expandieren und zur dominanten Macht in Ostasien aufzusteigen. Aber auch Australien und Südafrika nutzten den Krieg zu Expansion und Souveränitätsgewinn. Darauf weist der britische Historiker Hew Strachan hin:
"Großbritannien sah im Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht die Gelegenheit, sich deutsche Kolonien anzueignen. Andere, deren Dienste es in Anspruch nahm, dagegen schon. Der britische Imperialismus mag zwischen 1914 und 1918 geruht haben, dafür schoss der sogenannte Subimperialismus ins Kraut."
Zunächst war es vor allem der Kriegseintritt des Osmanischen Reichs, der den Krieg über Europa hinaus ausweitete. Der Krieg wurde nun in den Kaukasus, nach Mesopotamien, Persien, den Sinai und Arabien getragen. Das hatte beträchtliche Auswirkungen auf den Krieg in Europa. Die osmanische Armee, die 1,6 Millionen Mann einsetzte, band starke russische und britische Kräfte. Aber auch die Folgen für die Region waren dramatisch. Es kam zu Völkermord und Deportationen in bisher völlig unbekanntem Ausmaß. Die Zivilbevölkerung Kleinasiens wurde durch Hungersnöte und Epidemien schwer dezimiert. Über ein Drittel der zivilen Opfer des Ersten Weltkrieges entfielen auf diese Region. Am Ende kamen weitere Vertreibungen und ein Bevölkerungsaustausch hinzu, der die über zweitausendjährige Geschichte der Griechen in Kleinasien beendete.
Tiefgreifende Umwälzungen durch den Krieg
So hat der Krieg nicht nur die politischen, sondern auch die demografischen, ethnischen und sozialen Strukturen der Region tief greifend umgewälzt. Aus der Sicht des Nahen und Mittleren Ostens ist der Erste Weltkrieg Teil eines umfassenderen Konfliktgeschehens, das mit dem italienisch-osmanischen Krieg von 1911 einsetzt und bis zum griechisch türkischen Krieg reicht, der 1922 zu Ende ging. Der Blick auf diese Region relativiert also konventionelle Periodisierungen des Ersten Weltkriegs. Ähnliches lässt sich auch für Osteuropa sagen, wo der Weltkrieg nahtlos in den russischen Bürgerkrieg überging, der erst 1922 endete.
Ein globaler Krieg war der Erste Weltkrieg aber auch, weil Frankreich und Großbritannien von Beginn an in großem Stil auf die Ressourcen ihrer Kolonialimperien zurückgriffen. Diese waren 1914 größer als jemals zuvor und umfassten ein Viertel der Weltbevölkerung, 440 Millionen Menschen, von denen 90 Prozent auf das britische Weltreich entfielen.
Fast automatisch ein Weltkrieg
Einer der wenigen, die vorausgesehen hatten, dass ein künftiger Krieg zwischen den europäischen Mächten durch ihre kolonialen Imperien fast automatisch zu einem Weltkrieg werden würde, war der deutsche Journalist Ferdinand Grautoff. Er hatte 1905 einen fiktiven Bericht über einen künftigen Krieg veröffentlicht. Hier heißt es über die europäischen Mächte:
"Das hatten sie nicht berechnet, dass ein europäischer Krieg bei den tausendfältigen Beziehungen zu den überseeischen Neuländern, deren Millionenvölker widerwillig einer Handvoll Weißer gehorchten, notwendigerweise die Welt in Flammen setzen musste."
Die britischen Dominions unterstützten die Kriegsanstrengung des Mutterlandes von Anfang an in beträchtlichem Umfang mit Soldaten, aber auch mit Rüstungsgütern und Arbeitskräften. Sie stellten 1,2 Millionen Soldaten, rund ein Sechstel der britischen Streitkräfte. Über die Hälfte von ihnen fielen oder wurden verwundet. Die Rekrutierungsrate war mit 53 Prozent nicht geringer als in Großbritannien und auch die Verluste standen denen des Mutterlandes in nichts nach. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich der Erste Weltkrieg tief in das kollektive Gedächtnis dieser Länder eingeschrieben hat.
Eigenständige Streitkräfte
Die Kontingente der Dominions waren zunächst voll in die britischen Streitkräfte eingegliedert. Im Laufe des Krieges wurden sie jedoch immer mehr zu eigenständigen Streitkräften.
Dieser Souveränitätsgewinn fand seinen sichtbaren Ausdruck darin, dass die Dominions bei den Friedensverhandlungen mit eigenen Delegationen vertreten waren. Insgesamt hat der Krieg die Nationbildung der Dominions deutlich vorangetrieben, zumal sie der Krieg mit Mythen und Symbolen wie Gallipoli versorgte, die bis heute zum Kernbestand ihrer nationalen Erinnerungskultur zählen. Kein Land der Welt gibt für die gegenwärtigen Feiern zur Erinnerung an den Weltkrieg mehr Geld aus als Australien.
Aber auch aus anderen Teilen des Empire kamen Soldaten und Arbeitskräfte, vor allem aus Indien. Ursprünglich plante London, indische Soldaten nur in Ägypten zu stationieren. Doch seit Anfang 1915 wurden indische Einheiten auch in Frankreich, in Mesopotamien, Ostafrika, in Gallipoli, in Palästina und auf der arabischen Halbinsel eingesetzt. Insgesamt wurden 1,3 Millionen Inder mobilisiert und 827.000 auch eingesetzt. Das waren mehr Soldaten als Serbien oder Rumänien in den Kampf geschickt haben. 60.000 indische Soldaten kamen ums Leben, deutlich mehr Gefallene als Belgien zu beklagen hatte.
Forderung nach Autonomie
Auch in Indien verstärkte der Krieg die Bestrebungen, die auf mehr Autonomie und Selbstverwaltung zielten. Der Indische Nationalkongress und die Muslimliga forderten "Home Rule" nach dem Vorbild der Dominions. 1916 verabschiedeten sie ein gemeinsames Programm, das der einheimischen Bevölkerung eine Mehrheit in den Vertretungsorganen sichern sollte. In der britischen Indienpolitik kam es zu einem Umdenken, zumal sich der hohe Steuerdruck und der Preisanstieg infolge der Kontributionen negativ auf die wirtschaftliche Lage auswirkten.
Der Krieg hat zu einer Politisierung der indigenen Eliten und Intellektuellen geführt und zum Eintritt vieler Inder in Provinzpolitik und Verwaltung. Das war eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Darüber hinausgehende Reformen blieben freilich aus. So wurde die Forderung nach einer eigenen Vertretung Indiens auf der Friedenskonferenz nicht erfüllt. Wilsons Parole von der nationalen Selbstbestimmung, die auf dem Subkontinent große Hoffnungen erzeugt hatte, blieb für die Inder ein leeres Versprechen, was erhebliche Enttäuschung auslöste.
Verluste bei Soldaten aus Kolonien besonders hoch
Auch Frankreich hat in großem Stil Truppen in seinen Kolonien rekrutiert, nämlich 550.000 Soldaten, von denen 438.000 in Europa oder dem Nahen Osten zum Einsatz kamen. Die Kolonialsoldaten kamen vor allem aus Nord- und Westafrika, aber auch aus Indochina, Madagaskar und Somalia. Sie waren vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Ihre Aufstiegschancen in der französischen Armee waren begrenzt, ihre Verluste besonders hoch.
Frankreich rekrutierte auch rund 220.000 Arbeiter in Übersee. Die meisten von ihnen kamen aus Algerien und Indochina. In China wurden 36.000 Kulis angeworben. Die Gewerkschaften waren über die Anwerbung nicht begeistert. Französische Arbeiter und Soldaten befürchteten, dass ihnen die Arbeiter aus Übersee die Arbeit und die Frauen wegnähmen. So kam es auch zu Ausschreitungen gegen sie oder gegen Kolonialsoldaten, die sich auf Fronturlaub befanden.
Der Krieg hat die französischen Kolonien stärker in Mitleidenschaft gezogen als die der Briten und die Herrschaft dort auch stärker destabilisiert. Die bürokratische Infrastruktur wurde durch die Einberufung vieler Kolonialbeamter geschwächt. Die Unterbrechung des Handels mit Deutschland führte zu wirtschaftlichen Schäden. Durch die Steigerung der staatlichen Nachfrage kam es zu einer Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln und anderen Gütern. Das traf vor allem die indigene Bevölkerung, die auch unter erhöhten Steuern und Abgaben zu leiden hatte. Hunger und Epidemien waren die Folge. Verschärfte Zensur, Überwachung und Propaganda konnten nicht verhindern, dass die Unzufriedenheit rasch wuchs.
Aufstände und Revolten
So kam es zu zahlreichen Revolten in Westafrika, Algerien, Marokko, Neukaledonien und Indochina. Die größte von ihnen war der Grande Rivière Aufstand in Westafrika 1915/16, der sich neun Monate hinzog und an dem 160.000 Menschen beteiligt waren. Er wurde mit aller Härte niedergeschlagen, wobei Tausende ums Leben kamen. Diese Revolten waren vor allem Reaktionen auf den zunehmenden Zwang bei der Rekrutierung von Soldaten. 1917 wurde in den afrikanischen Kolonien die Wehrpflicht eingeführt, obwohl die Einheimischen keine Bürger, sondern nur weitgehend rechtlose Untertanen waren. Daraufhin flohen viele Männer in die portugiesischen oder britischen Nachbarkolonien. Die Revolten zielten nicht auf die Abschaffung der Kolonialherrschaft, sondern auf das Ende der Aushebungen. Es gab jedoch personelle Kontinuitäten zwischen ihnen und den späteren Befreiungsbewegungen, etwa in Madagaskar oder Tunesien.
Russland auf der Suche nach Soldaten
Weitgehend unbekannt ist, dass auch Russland auf nicht-europäische Soldaten zurückgegriffen hat. Die Zahl der Freiwilligen aus den asiatischen Teilen des Reiches hielt sich allerdings angesichts der Brutalität und Korruptheit der dortigen russischen Herrschaft in Grenzen. 1916 wurde auch dort die Wehrpflicht eingeführt. In Turkestan sollten 500.000 Mann ausgehoben werden. Doch die Bevölkerung leistete Widerstand, wie Stig Förster betont:
"Der Aufstand, der in der Region von Samarkand begann, kostete mehr als 3.000 russische Zivilisten das Leben. Die Rache der russischen Machthaber war fürchterlich. Über hunderttausend Moslems wurden getötet und eine noch viel größere Zahl floh nach China. Dies war die bei weitem größte Revolte gegen die Zwangsrekrutierung nicht-europäischer Truppen während des Ersten Weltkriegs."
Ein globaler Wirtschaftskrieg
Der Erste Weltkrieg war aber auch ein globaler Wirtschaftskrieg. Die Mittelmächte wurden durch die britische Seeblockade von den Weltmärkten weitgehend abgeschnitten. Sie mussten daher ihre Wirtschaft besonders radikal umstellen. Der U-Boot-Krieg zwang jedoch auch die Entente-Mächte zu einer Konzentration der heimischen Ressourcen auf kriegswichtige Branchen und zur Reglementierung der Importe.
Die Westalliierten waren auf allen Feldern kriegswirtschaftlicher Organisation erfolgreicher als die Mittelmächte: Bei der Erhöhung der Rüstungsproduktion und der Versorgung mit Rohstoffen, bei der Kriegsfinanzierung und auch bei der Lebensmittelversorgung, obwohl gerade Großbritannien wegen seiner geringen landwirtschaftlichen Produktion besonders verwundbar war. Dies ist vor allem auf die konsequente Ausnutzung globaler Marktmacht zurückzuführen. Zwar entwickelten die Deutschen zahlreiche Ersatzstoffe für kriegswichtige Materialien. Doch letztlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als den zunehmenden Mangel zu verwalten.
Auch in Großbritannien wurden kriegswichtige Güter staatlich bewirtschaftet und rationiert. Darin sieht der britische Wirtschaftshistoriker Theo Balderston jedoch nicht den Schlüssel zum Erfolg der Alliierten:
"Das revolutionäre Element der britischen Kriegswirtschaft lag nicht in der Kontrolle des heimischen Marktes und Requisitionen, sondern in der Ausnutzung der britischen See- und Finanzmacht, die es erlaubte, den größten Teil der Weltproduktion an kriegswichtigen Gütern aufzukaufen. Diese Politik, die darauf hinauslief, den privaten Wettbewerb auszuschalten, erstreckte sich auch auf Lebensmittel. Das britische Munitionsministerium stieg auf diese Weise zum größten Handelskonzern der Welt auf."
Kein privater Wettbewerb mehr
Durch den globalen Einsatz der geballten Marktmacht des Staates konnte der private Wettbewerb weitgehend ausgeschaltet und die Preise relativ niedrig gehalten werden. Dabei kooperierten die Briten zunehmend mit ihren Verbündeten, um unnötigen Wettbewerb zu vermeiden. 1915 wurde die amerikanische Privatbank J.P. Morgan zum gemeinsamen Einkaufsagenten in den USA ernannt. Sie sorgte auch dafür, dass Deutschland an der Wall Street von der Kreditvergabe ausgeschlossen wurde.
Mit dem Kriegseintritt der USA machte die Kontrolle der globalen Märkte durch die Alliierten weitere Fortschritte. Sie war deshalb so erfolgreich, weil es außerhalb der Entente nun kaum noch Märkte gab, auf denen die Rohstoffproduzenten ihre Waren hätten verkaufen können. Noch einmal Balderston:
"Mit dem Eintritt der USA in den Krieg wurde der Einkauf von Waren aller Art immer mehr durch interalliierte Agenturen kontrolliert. Diese Kontrolle der wichtigsten internationalen Märkte führte zu einer Revolution im globalen Wirtschaftssystem. Sie war zentral für den Erfolg der Alliierten."
Weltweites Netz von Kohlestationen
Die Importe konnten leicht kontrolliert werden, weil sie über wenige Häfen, vor allem in Großbritannien und Frankreich, liefen. Hinzu kam, dass die Alliierten den internationalen Schiffsverkehr und auch das maritime Versicherungswesen dominierten, dessen Fäden in London zusammenliefen. Schon 1913 befanden sich 60 Prozent der globalen Schiffskapazitäten in britischer Hand. Über ihr weltweites Netz von Kohlestationen, auf das alle angewiesen waren, konnten die Briten Druck auf den Schiffsverkehr der Neutralen ausüben.
Auch das hat die Kontrolle des Welthandels erleichtert. Ähnliches lässt sich auch für die Versorgung mit Arbeitskräften sagen, die wegen der Einberufungen überall knapp wurden. Die Deutschen setzten zunehmend Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten ein. Die Franzosen dagegen konnten auf Arbeiter aus ihren Kolonien und China zurückgreifen, aber auch aus Spanien.
Ein Wendepunkt für Japan
Der Erste Weltkrieg hatte tief greifende Auswirkungen auch auf Weltregionen, in denen nicht oder kaum gekämpft wurde. Japan konnte sich nicht nur unter minimalem Aufwand einen großen Teil der deutschen Kolonien in Ostasien und im Pazifik sichern und seinen Einfluss in China deutlich ausbauen, auch wirtschaftlich hat es vom Ersten Weltkrieg stark profitiert, denn dieser eröffnete neue Absatzmärkte. Für die Industrie, den Handel und den Finanzmarkt des Landes markierte der Krieg daher einen Wendepunkt, so der Historiker Wolfgang Schwentker:
"Wo die europäischen Wirtschaften als Produzenten und Lieferanten von Konsumgütern ausfielen, sprang die japanische Industrie ein. Darüber hinaus belieferte sie die alliierten Mächte selbst mit kriegswichtigen Gütern, vor allem mit Munition, und stellte mit ihrer Handelsflotte den Transport von und nach Europa sicher."
Einschneidender Effekt in Lateinamerika
Ein weiteres Beispiel ist Lateinamerika, das sich am Krieg militärisch kaum beteiligte, auch wenn viele Länder der Region im Gefolge der USA in den Krieg eintraten. Eine der wichtigsten Folgen für die Region ergab sich daraus, dass sich die globalen Kräfteverhältnisse durch den Krieg veränderten. So wie Japan in Ostasien mehr Handlungsfreiheit erhielt, so agierten die USA in der westlichen Hemisphäre. In Zentralamerika hatten sich die USA als Schutz- und Polizeimacht bereits vor dem Krieg fest etabliert. Das verstärkte sich noch mit der Eröffnung des Panama-Kanals im August 1914. Mit dem Argument, den Kanal vor Übergriffen der Kriegsparteien schützen zu müssen, vertraten die Vereinigten Staaten ihren Hegemonialanspruch nun noch offensiver. So besetzten U.S. Marines 1915 Haiti, 1916 die Dominikanische Republik und 1917 Kuba. In Nicaragua waren die US Amerikaner bereits 1912 einmarschiert.
Einschneidend waren auch die wirtschaftlichen Folgen des Krieges, wie der Lateinamerika-Historiker Stefan Rinke betont hat. Die Blockade brachte die Unterbrechung der freien Handelsbeziehungen nach Europa und damit zu den wichtigsten oder zweitwichtigsten Märkten. Die britische Regierung entschied von Fall zu Fall, ob bestimmte Waren zu beschlagnahmen waren oder nicht.
Im November 1914 fiel Kaffee darunter. Damit sollten vor allem die deutschen Kaffeehändler in Guatemala und Venezuela getroffen werden. Dies schuf jedoch Probleme für alle lateinamerikanischen Kaffeeexporteure. So mussten die Lateinamerikaner ihre Geschäfte auf die Alliierten und die Ausfuhr kriegswichtiger Rohstoffe ausrichten. Diese Umstellung bereitete massive Probleme.
Überdies kam der Kapitalzufluss aus Europa zu einem abrupten Ende. Außerdem sanken die Importe überall so stark, dass Versorgungskrisen nicht ausblieben. Inflation, sinkende Reallöhne und Arbeitslosigkeit führten zum Anstieg der sozialen Spannungen. Im Krieg zeigte sich stärker denn je, wie abhängig die lateinamerikanischen Volkswirtschaften von Europa waren. Die Vereinigten Staaten wurden nun für zahlreiche Länder der Region zum wichtigsten Handelspartner und einzigen Quelle von ausländischem Kapital. So konnten sich denn auch viele Staaten der Region dem Sog nicht entziehen, der vom Kriegseintritt der USA ausging.
Ein neues Bild von Europa
Der Weltkrieg hatte auch massive mentale Auswirkungen in der gesamten Region. Lateinamerika nahm medial voll am Krieg teil. Dabei ist neben der zunehmenden Polarisierung der öffentlichen Meinung vor allem interessant, dass sich das Bild Europas grundlegend änderte. Europa verlor den Nimbus des überlegenen und bewunderten Zentrums der Welt und des Fortschritts, erschien nun als alt und verbraucht. Europa wurde Verrat an der Zivilisation und Rückfall in die Barbarei vorgeworfen. Dazu hat der globale Propagandakrieg, in dem sich die beiden Seiten wechselseitig Kultur und Zivilisation absprachen, erheblich beigetragen.
Die Abwertung Europas führte zu einer Neubewertung des Eigenen und gab nationalistischen Kräften Auftrieb. Dies ging mit einem Legitimitätsverlust der Oligarchien einher, die das europäische Modell zum Ziel der lateinamerikanischen Entwicklung erklärt hatten. Kritik daran war schon um die Jahrhundertwende aufgekommen. Sie erhielt nun eine enorme Dynamik und Breitenwirkung. Der Historiker Stefan Rinke beschreibt die Folgen dieser Entwicklung:
"Insgesamt stellte der Krieg die Hilflosigkeit der regierenden Oligarchien [...] zur Schau und trug damit zum weiteren Gesichtsverlust dieser Schicht bei. Daher war es kein Wunder, dass die reformorientierten Kräfte Lateinamerikas [...] vielerorts ihre Aktivitäten intensivierten. Insbesondere die akademisch gebildeten städtischen Mittelschichten traten mit dem Anspruch an, im Namen der Nation gesellschaftliche Reformen voranzutreiben. Manche organisierten sich in neuen nationalistischen Parteien. Andere engagierten sich in Gruppierungen, die zum Beispiel für die Rechte der indigenen Bevölkerung oder der Arbeiter eintraten. Meist handelte es sich um Aktionsbündnisse oder Bewegungen, bei denen sich nationalistische Überzeugungen und Reformentwürfe mit dem Anspruch der Modernisierung paarten."
Neues Protestpotenzial
Der Erste Weltkrieg brachte in ganz Lateinamerika auch eine starke Zunahme des Protestpotenzials in der Arbeiterschaft. So wurde die Russische Revolution in der Arbeiterpresse mit größtem Interesse verfolgt und auf öffentlichen Kundgebungen bejubelt. Aber 1917 gingen die Arbeiter vielfach zu einer kämpferischen Vertretung ihrer Interessen und zu Streiks über.
Ein weiteres Beispiel für die politische Mobilisierung ist die Studentenbewegung, die sich seit Anfang 1918 in Argentinien, Peru und Chile verbreitete. Auch ihre Programmatik war durchsetzt von der kriegsbedingten Absage an europäische Konventionen und Modelle, von der Rhetorik der Reform und des nationalen Aufbruchs und von der Idee der besonderen Zukunftsfähigkeit Lateinamerikas angesichts der europäischen Katastrophe. Auch dies Beispiel zeigt, dass sie ein globales Ereignis war.