"Es gibt diese eindrucksvollen Bilder, wo die ganze Steppe voller toter Rinder liegt.
Tote Rinder, soweit das Auge reicht: dahingerafft von einer uralten Seuche. Verbreitet auf der gesamten Welt, vernichtete diese Krankheit einst die Rinderherden ganzer Nationen. Die Folge waren Hunger, Elend und Aufstände. Ihr Name: Rinderpest.
Einer, der sich mit der Krankheit beschäftigt hat, ist der Virologe Martin Beer vom Friedrich-Löffler Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit:
"Es gibt ja die tollsten Theorien, dass selbst der Fall des Römischen Reiches mit der Rinderpest zusammenhängt. Ob das alles immer stimmt, da muss man ein Fragezeichen machen. Das einzige, was da einigermaßen gesichert scheint, - das ist, dass die Einschleppung die Hunnen und/oder Mongolen geleistet haben, mit ihren Zugochsen."
Rinderpest - ein kurzer Steckbrief
Erreger: RNA Virus.
Befällt: Rinder, Büffel, Giraffen, andere Wildtiere.
Symptome: Durchfall, Ausfluss aus Augen und Mund, Fieber.
Ansteckung: hoch - über Körperflüssigkeiten, verunreinigte Gegenstände.
Todesrate: 90 Prozent.
Status: Ausgerottet seit 2011
Befällt: Rinder, Büffel, Giraffen, andere Wildtiere.
Symptome: Durchfall, Ausfluss aus Augen und Mund, Fieber.
Ansteckung: hoch - über Körperflüssigkeiten, verunreinigte Gegenstände.
Todesrate: 90 Prozent.
Status: Ausgerottet seit 2011
Die Rinderpest ist die erste und einzige tierische Viruskrankheit, die weltweit ausgerottet werden konnte. Wann genau das Virus aus Asien nach Europa kam, ist unklar. Die erste wissenschaftliche Beschreibung der Symptome stammt aus der Zeit, in der die Mongolen bis nach Europa kamen. Das war um 1200 nach Christus. Bis zur ersten Isolierung des Krankheitserregers brauchte es dann aber noch mal circa 700 Jahre:
"Das Virus selber hat man erst … ich glaub' es war um 1901, 1902, isoliert."
Die moderne Medizin steckte damals noch in den Kinderschuhen und die Rinderpest gehörte zu den ersten Viren, die überhaupt als solche erkannt und beschrieben wurden. Woran man auch sieht, wie schwer diese Krankheit auf dem Leben der Menschen gelastet hat. Dabei hat man in Europa schon früh Erfahrung mit der Kontrolle der Rinderpest gesammelt. Ein Vorreiter war dabei ausgerechnet der Vatikan:
"Also, Lancisi hat vom Papst den Auftrag bekommen, die Rinderpest zu tilgen und er hat die ersten Maßnahmen[ angeordnet: Keulung von Tieren, Vergraben dieser Tiere und Bedeckung mit ungelöschtem Kalk, Quarantäne und Transport-Verbote. Alles das, was wir heute im Grunde auch noch machen. Und die Strafen waren drakonisch, wer sich nicht dran gehalten hat, ist gehängt oder gevierteilt worden, also das ist heute nicht mehr so.
Giovanni Maria Lancisi war im frühen 18. Jahrhundert der Leibarzt von Papst Clemens XXI. Die Trennung zwischen Human- und Tiermedizin gab es damals noch nicht, und weil Rinder für Clemens Reichtum bedeuteten, beauftragte er eben seinen eigenen Medicus mit dem Schutz der Tiere. Die erste tiermedizinische Fakultät wurde dann 1761 in Lyon gegründet. Und zwar tatsächlich, um die Methoden von Lancisi im Kampf gegen die Rinderpest zu verbreiten. Und das erfolgreich: Der letzte größere Seuchenzug in Europa war im Jahr 1920 in Belgien, der letzte Einzelfall wurde in den 1950ern Jahren in Italien gemeldet - in Afrika sah die Lage aber ganz anders aus.
"Also, es wurde in Eritrea eingeschleppt, über wahrscheinlich indische Rinder, die von Italienern dorthin gebracht wurden, das war eine italienische Kolonie, und hat sich dann durch ganz Afrika ausgebreitet."
Kolonialherren schleppten die Seuche nach Afrika
Erst 1880 kam die Rinderpest nach Afrika, mit den damaligen Kolonialherren. Das Virus traf auf eine anfällige Wildtierpopulation. Es tötete innerhalb eines Jahrzehnts 80 bis 90 Prozent aller Huftiere in Subsahara-Afrika. Rinderherden, Büffel, Giraffen und Antilopen. Erst als die Populationen so geschrumpft waren, dass das Virus keine neuen Opfer mehr fand, ebbt die Seuche ab. Ein Drittel aller Äthiopier und zwei Drittel aller Massai starben an den folgenden Hungersnöten.
In den späten 1920ern wurde dann in Indien der erste Lebendimpfstoff entwickelt. Die Rinder wurden mit einer abgeschwächten Version des Virus infiziert und waren danach ein Leben lang gegen die Rinderpest immun. Gefriergetrocknet wurde der Impfstoff nach Afrika transportiert und ab den 1950ern flächendeckend eingesetzt. Richtig in den Griff bekam man die Krankheit aber erst mal nicht.
"Und ich denke, in Afrika war das Problem, über viele Jahre, dass es nicht kontrolliert wurde. Also von daher hätte man da sicher schon früher frei werden können, denn die Vakzine waren da. Aber man musste eben in Kriegsgebieten immer warten. Wenn man so ein bisschen nachliest, über Rinderpest, wird sie immer auch als 'Seuche des Krieges' beschrieben. Weil, seit Rinderpest auftritt, ist sie immer in Krisenherden auch aufgetreten, weil dort Tiertransporte nicht mehr kontrolliert werden, Tiere von irgendwo her kommen und das erleichtert einem Virus sich auszubreiten."
"Und ich denke, in Afrika war das Problem, über viele Jahre, dass es nicht kontrolliert wurde. Also von daher hätte man da sicher schon früher frei werden können, denn die Vakzine waren da. Aber man musste eben in Kriegsgebieten immer warten. Wenn man so ein bisschen nachliest, über Rinderpest, wird sie immer auch als 'Seuche des Krieges' beschrieben. Weil, seit Rinderpest auftritt, ist sie immer in Krisenherden auch aufgetreten, weil dort Tiertransporte nicht mehr kontrolliert werden, Tiere von irgendwo her kommen und das erleichtert einem Virus sich auszubreiten."
Mitte der 1980er Jahren waren im Sudan alte Konflikte wieder aufgeflammt und es kam zu einem erneuten großen Seuchenzug, bei dem wieder 90 Prozent der Rinder im Osten von Afrika starben. Dieser Ausbruch veranlasste die Weltgemeinschaft schließlich zur Ausrufung einer globalen Kampagne gegen die Rinderpest. Wobei sich der Fokus hauptsächlich auf Afrika richtete.
Ausschlaggebend für den Erfolg dieses letzten Kraftaktes war die Weiterentwicklung eines Impfstoffes, der schon seit den 1970ern sehr erfolgreich eingesetzten wurde.
"Plowright ist der Entwickler dieser Zellkultur-Vakzine. Und dieser Wirkstoff war dann schon sehr stabil, sehr wirksam und einfach herzustellen."
Gesucht wurde ein hitzeresistenter Impfstoff
Veterinärmediziner bezeichnen den Impfstoff des Briten Walter Plowright bis heute als einen der besten, der je entwickelt wurden. Der einzige Nachteil: Er musste permanent gekühlt werden. Die Entwicklung eines hitzeresistenten Impfstoffes stand deshalb schon seit den 1980ern ganz oben auf der Agenda der FAO. Um 1990 gelang es dann dem US-Amerikaner Jeffery Mariner den Plowright-Impfstoff so zu modifizieren, dass er drei bis vier Wochen ungekühlt in Afrika transportiert werden konnte.
"Es kam noch ein letzter Faktor dazu, das war ein neuer Schnelltest. Ein Test, der so ähnlich funktioniert wie ein Schwangerschaftstest. Und man hat im Grunde einen Augen-Tupfer, man hat ein bisschen Augenflüssigkeit genommen und konnte dann sehr, sehr schnell testen, ob ein Rind wirklich positiv ist. Weil – es wurde gerade in Afrika von einigen Ländern in Frage gestellt: Wir haben gar keine Rinderpest! Und dann konnte man das mit diesem Test aber beweisen und dann wurden häufig auch die Bekämpfungsmaßnahmen viel besser umgesetzt."
Der letzte Fall von Rinderpest wurde 2001 bei einem Büffel in Kenia festgestellt. Seit dem wurde die Krankheit nie wieder diagnostiziert. Der Jahrzehnte lange Kampf gegen die Seuch hat mehrere Billionen verschlungen, sich mittlerweile wirtschaftlich aber schon mehr als bezahlt gemacht. Als nächstes soll jetzt ein naher Verwandter der Rinderpest ausgerottet werden: die Pest der Kleinen Wiederkäuer.