"Ein Aristoteles legitimiert die Sklaverei sogar noch", sagt Winfried Schmitz, Professor für Geschichte, Universität Bonn.
"Weil er sagt, es gibt manche Menschen, die soviel Muße haben und sich mit Philosophie beschäftigen können, die sollten Freie sein, weil sie die freie Verantwortung tragen können, weil sie politische Entscheidungen treffen können. Aber diejenigen Leute, die eben diese Fähigkeiten nicht haben, die wären besser Sklaven, damit sie angeleitet werden können. Das, was wir heute eher von der Philosophie erwarten würden, das sie ein humanes Gesicht, ein philanthropisches Gesicht zeigt, ist nicht immer so gewesen, ganz im Gegenteil, sie hat die Sklaverei zum Teil sogar legitimiert."
Die meist bei Eroberungszügen gefangengenommenen Sklaven stammten aus anderen Kulturkreisen und beteten andere Götter an. Obwohl die verschleppten Menschen in der Gefangenschaft zu rechtlosen Wesen degradiert wurden, erlaubte man ihnen doch eine gewisse Religionsfreiheit.
"Wir wissen nicht, dass Sklaven zwangsweise missioniert worden sind auf den Glauben des Herrn hin. Das kann man sich auch deswegen wenig vorstellen, weil die römische Religion und die griechische Religion eine sehr offene Religion war, in der es viele Götter gegeben hat. Also es war kein Problem gewesen, den thrakischen Gott oder den Gott aus dem Kaukasus von solchen Sklaven zu identifizieren mit einem römischen Gott, mit einem griechischen Gott. Auch bei den Hauskulten haben Sklave und Herr gemeinsam an diesen kultischen Praktiken teilgenommen. Und sogar bei den öffentlichen Kulten waren Sklaven wirklich nur in ganz seltenen Fällen ausgenommen. In der Regel konnten sie teilnehmen, hatten aber auch dort meist dienende Funktionen."
Freilassung als gottgefälliges Werk
Nach römischem Recht wurde ein Sklave als Sache und nicht als menschliches Wesen definiert. Der Käufer konnte mit ihm nach dem Grundsatz "Usus et Abusus" verfahren, wie er wollte. Ein Rechtsgrundsatz, mit dem der Sklavenhandel in der westlichen Welt bis weit in das 19. Jahrhundert hinein legitimiert wurde. In muslimisch geprägten Gesellschaften war der Status eines Sklaven anders. Dazu der Bonner Islamwissenschaftler Stefan Conermann:
"Obwohl er natürlich als Ware gekauft und verkauft werden kann, hat man ihm immer zugestanden, letztlich ein eigenes Wesen zu sein und musste auch so tatsächlich behandelt werden."
Das lag vor allem daran, dass die meisten Muslime bei der Sklavenhaltung einen wichtigen Grundsatz Mohammeds beachteten:
"Eure Sklaven sind eure Brüder. Gott hat sie unter euren Befehl gestellt. Wer nun die Oberhand über seinen Bruder hat, der soll von dem zu essen geben, was er selbst isst und ihm Kleidung geben, die er selbst trägt. Tragt ihnen nicht auf, was ihre Kraft übersteigt. Und wenn ihr es doch tut, so helft ihnen."
Zudem wurden Sklaven im Islam als religiöses Kapital angesehen. Ihre Freilassung galt als gottgefälliges Werk, das einen gläubigen Muslim am Tag des jüngsten Gerichtes vor dem Höllenfeuer bewahren konnte. Es gab jedoch einen Grundsatz der Sklaverei, bei dem sich die christliche nicht von der islamischen Welt unterschied:
"Dass man sich scheute, die Angehörigen der eigenen Religion zu versklaven. Das sind Parallelen. Also kein Muslim durfte einen anderen Muslim versklaven, sondern musste sich Sklaven in einem nicht-muslimischen Kontext suchen, also die wurden "importiert" von außen her.
"Der ökonomische Profit war viel stärker als das Argument"
Es waren die westlichen Kolonialmächte, vor allem das heutige Großbritannien, Frankreich, Spanien oder Portugal, aber auch die Niederlande und Dänemark, die den Sklavenhandel zum lukrativen Geschäftsmodell ausbauten. In der Hochphase, zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert, wurden zwölf Millionen Menschen aus ihrer afrikanischen Heimat verschleppt. Zu den größten Abnehmern der Sklaven gehörten die weißen Plantagen- und Bergwerkbesitzer in Südamerika und in den Vereinigten Staaten. Auf einer interdisziplinären Tagung, an der auch der Bonner Historiker Winfried Schmitz teilnahm, wurde vor kurzem die Rolle der römisch-katholischen Kirche im diesem überseeischen Sklavenhandel erörtert.
"Und dabei stellt sich heraus, dass die Päpste den Spaniern und den Portugiesen relativ freie Hand gelassen haben, wenn die Neue Welt eine christliche Welt wird. Dann erlauben wir den Portugiesen und Spaniern dort zu machen, was sie wollen. Und hat damit auch indirekt den Sklavenhandel und die Versklavung von Afrikanern in der Neuen Welt gutgeheißen."
Doch schon sehr bald stößt diese Haltung der römischen Kurie ausgerechnet in den eigenen Reihen auf Widerstand. Dazu noch einmal Stefan Conermann:
"Im 16. Jahrhundert, also vor der Aufklärung, gibt es gerade unter jesuitischen Missionaren durchaus viele ablehnende Stimmen. Aber in der Praxis hat sich das natürlich nie durchgesetzt, sondern der ökonomische Profit, den man von den Sklaverei-Plantagen hatte, war viel stärker als Argument."
Mit der Aufklärung kam der Sinneswandel
Im Zuge der Aufklärung setzte sich im westlichen Europa allmählich ein Gesinnungswandel durch. Vom Ende des 18. Jahrhunderts an schlossen sich immer mehr einflussreiche Intellektuelle aus Politik und Gesellschaft der Abolitionsbewegung an und sprachen sich gegen den Handel mit Sklaven aus. Zu energischen Gegnern der Sklaverei zählten auch religiöse Kreise. Dazu gehörten in England vor allem Quäker, in Frankreich auch hochrangige Mitglieder der katholischen Kirche.
"Und dann setzt eben dann in der Nachfolge der Bewegungen in Frankreich und in England auch in Deutschland eine Bewegung ein, Sklaverei zu verbieten."
Gegen den Sklavenhandel in den afrikanischen Kolonien des Deutschen Reiches formierte sich eine Initiative, deren treibende Kraft protestantische und katholische Kirchenleute waren. Im Oktober 1888 kam es in Köln zu einer wichtigen Zusammenkunft:
"Wo, wie es heißt, die Spitzen der Gesellschaft zusammengekommen sind, eine Petition an den deutschen Kaiser formuliert haben, die Sklaverei zu verbieten und das ist dann auch kurz danach geschehen."
Kinderjockeys bei Kamelrennnen
Nachdem die katholische Kirche und nach der Reformation auch die protestantische jahrhundertelang nichts oder zu wenig gegen den Sklavenhandel unternommen, ihn teilweise sogar unterstützt haben, ist die Abschaffung der Sklaverei in der westlichen Hemisphäre gelungen. Ganz im Gegensatz zur muslimischen, wie Islamwissenschaftler Stefan Conermann konstatiert.
"Der grundlegende Unterschied ist, dass die christliche Religion ab einem bestimmten Zeitpunkt die Sklaverei geächtet hat, zumindest auf dem Papier geächtet hat. Das hat es in der islamischen Welt nie gegeben, sondern da ist die Sklaverei ein Phänomen, das durchgängig ist. Eigentlich bis in das 20. Jahrhundert. Sogar jetzt kommen aus Mauretanien Nachrichten, dass es dort auch Formen von Sklaverei gibt. Rechtlich abgesichert in einem islamischen System. Das ist also ein Kontinuum das ganz stark anders ist, als im Christentum."
Doch nicht nur in Mauretanien, sondern auch in den islamisch geprägten Staaten Sudan oder Bangladesch wird noch Sklaverei betrieben. Auch das als eigentlich fortschrittlich geltende Dubai wurde 2006 vom Kinderhilfswerk UNICEF beklagt, Kinder regelrecht zu versklaven und als Jockeys bei Kamelrennen zu missbrauchen. Auf internationalen Druck hin, wurden damals rund 1.000 Kinder in die Freiheit entlassen und ihren Familien zurückgegeben.