Die "Schattenstimmen" der illegalen Einwanderer, der Menschen ohne Papiere, die Feridun Zaimoglu und Günter Senkel für das Schauspiel Köln gesammelt und bearbeitet haben, sprechen erst einmal nur aus dem Dunkel heraus: Sobald das Licht angeht, hören sie schlagartig auf zu erzählen und blicken von einem treppenartigen Podest auf der Schlosserei-Bühne frontal in die Publikumsreihen. Was sie dann erzählen, ist oft in sich widersprüchlich. Sie bieten sich nicht als Opfer an und sind dabei nicht immer "politisch korrekt".
Die junge Regisseurin Nora Bussenius schafft eine Atmosphäre von trotziger Energie und arbeitet dabei den Humor heraus. Ganz unterschiedliche Geschichten werden erzählt oder dargestellt: von der Frau, die man kaum versteht, weil sie in einer ganz eigenen Welt zu leben scheint und viel vom "Gottlenker" spricht und von Goldspuren auf der Stirn, oder die Geschichte vom marokkanischen Tellerwäscher, der blieb, nachdem er seinen Studienplatz verloren hatte, und im Tanzpalast nach Frauen Ausschau hält.
Die hintereinander angeordneten Monologe der einzelnen Figuren bricht das Ensemble auf und schiebt Passagen ineinander oder verteilt sie auf mehrere Darsteller. Die Schauspieler kommentieren sich so gegenseitig und fallen sich ins Wort, weben einen Klangteppich aus Sprache.
"Es sitzen in den Nischen Frauen ab – über 30, richtige Frauen – dort in den Nischen, dort sitzen die Raubkatzen, und sie schnurren – und schnurren – und ich muss so tun, als wäre das Raubtiergebrüll in der Wildnis völlig normal. Ich bleibe stehen und bestelle teuren billigen Sekt – und natürlich mustern sie mich, und was ihnen gleich auffällt, ist: Der Mann da ist kein Deutscher – ne, er ist auch kein Latino – was bleibt übrig? Albaner. – Jugo. – Grieche. – Oh Scheiße, Araber…"
Das Ensemble hebt sich im Spiel über den psychologischen Realismus hinaus – das sind die Mechanismen, die uns teilweise mit einem zwiespältigen Gefühl zurücklassen: zum Beispiel das Abgrenzen vom anderen, der augenscheinlich weniger Würde, Geld, Moral hat, unterdrückte Aggression oder fast schon provokative Naivität in Bezug auf die eigenen Lebensumstände, wie bei der Figur der Prostituierten, die Anja Herden zumindest mit scheinbarer Souveränität übertüncht.
"Die Patrone haben sie erst mal zu einem Schwein gebracht. Als sie zurückkam, hat sie behauptet, man hätte sie vergewaltigt, man dürfe eine Nutte nicht vergewaltigen, und sie würde das alles nicht mehr mitmachen. Ich sage zu ihr: Wofür bist du hergekommen? Wofür bist du hergekommen? Die Patrone haben sie dann mitgenommen und ihr zur Warnung die Kuppe des kleinen Fingers abgehackt. Das kommt vor, öfter als man denkt."
Neben diesen mit Gewalt aufgeladenen Passagen stolpert man im Text aber auch immer wieder über Klischees, zu den Stimmen selbst, aber auch zu den Ländern, in die die Einwanderer ausgewandert sind. Aber ein Klischee bietet erst einmal weder Überraschung noch Erkenntnis.
In der Inszenierung von Nora Bussenius ärgert das gar nicht mehr so richtig. Auf der Spielebene kommt alles eher leicht und rotzig daher. Die junge Regisseurin setzt zusätzlich ziemlich lässig weitere Ästhetisierungen auf den schon poetisierten Text. Und findet dabei auch eine Möglichkeit, mit den Klischees umzugehen. Sie übersetzt einige Text-Aspekte mit Sympathie und Distanz für die Bühne: Die fünf Darsteller wechseln von grauen Schattenkostümen in Grell-Buntes wie in völlig unpassende Identitätsschichten und beschmieren sich mit grau-weiß-schwarzer Farbe.
Was anfangs platt wirkt, bekommt im Laufe des Abends immer mehr Konnotationen: In Harlekinsjacke sitzt Andreas Grötzinger mit Zigarette am Tisch und erzählt die Geschichte als naives, aber sprachbegabtes Au-Pair-Mädchen. Anja Herden als die Prostituierte blättert mit der Zeit immer mehr ab, schimpft auf "die Franzosen", stolziert aber im missglückten Ancien-Régime-Aufzug über die Bühne und kommt nur mit der Zweidimensionalität der Fläche klar.
Nora Bussenius Bühnen-Wartesaal dagegen ist ein Bild, das durch seine vielen Farbschichten in den Raum ragt. Wer die Schmiererei nicht als Schlammschlacht begreift, wird mit Gewinn aus dem Abend herausgehen.
Die junge Regisseurin Nora Bussenius schafft eine Atmosphäre von trotziger Energie und arbeitet dabei den Humor heraus. Ganz unterschiedliche Geschichten werden erzählt oder dargestellt: von der Frau, die man kaum versteht, weil sie in einer ganz eigenen Welt zu leben scheint und viel vom "Gottlenker" spricht und von Goldspuren auf der Stirn, oder die Geschichte vom marokkanischen Tellerwäscher, der blieb, nachdem er seinen Studienplatz verloren hatte, und im Tanzpalast nach Frauen Ausschau hält.
Die hintereinander angeordneten Monologe der einzelnen Figuren bricht das Ensemble auf und schiebt Passagen ineinander oder verteilt sie auf mehrere Darsteller. Die Schauspieler kommentieren sich so gegenseitig und fallen sich ins Wort, weben einen Klangteppich aus Sprache.
"Es sitzen in den Nischen Frauen ab – über 30, richtige Frauen – dort in den Nischen, dort sitzen die Raubkatzen, und sie schnurren – und schnurren – und ich muss so tun, als wäre das Raubtiergebrüll in der Wildnis völlig normal. Ich bleibe stehen und bestelle teuren billigen Sekt – und natürlich mustern sie mich, und was ihnen gleich auffällt, ist: Der Mann da ist kein Deutscher – ne, er ist auch kein Latino – was bleibt übrig? Albaner. – Jugo. – Grieche. – Oh Scheiße, Araber…"
Das Ensemble hebt sich im Spiel über den psychologischen Realismus hinaus – das sind die Mechanismen, die uns teilweise mit einem zwiespältigen Gefühl zurücklassen: zum Beispiel das Abgrenzen vom anderen, der augenscheinlich weniger Würde, Geld, Moral hat, unterdrückte Aggression oder fast schon provokative Naivität in Bezug auf die eigenen Lebensumstände, wie bei der Figur der Prostituierten, die Anja Herden zumindest mit scheinbarer Souveränität übertüncht.
"Die Patrone haben sie erst mal zu einem Schwein gebracht. Als sie zurückkam, hat sie behauptet, man hätte sie vergewaltigt, man dürfe eine Nutte nicht vergewaltigen, und sie würde das alles nicht mehr mitmachen. Ich sage zu ihr: Wofür bist du hergekommen? Wofür bist du hergekommen? Die Patrone haben sie dann mitgenommen und ihr zur Warnung die Kuppe des kleinen Fingers abgehackt. Das kommt vor, öfter als man denkt."
Neben diesen mit Gewalt aufgeladenen Passagen stolpert man im Text aber auch immer wieder über Klischees, zu den Stimmen selbst, aber auch zu den Ländern, in die die Einwanderer ausgewandert sind. Aber ein Klischee bietet erst einmal weder Überraschung noch Erkenntnis.
In der Inszenierung von Nora Bussenius ärgert das gar nicht mehr so richtig. Auf der Spielebene kommt alles eher leicht und rotzig daher. Die junge Regisseurin setzt zusätzlich ziemlich lässig weitere Ästhetisierungen auf den schon poetisierten Text. Und findet dabei auch eine Möglichkeit, mit den Klischees umzugehen. Sie übersetzt einige Text-Aspekte mit Sympathie und Distanz für die Bühne: Die fünf Darsteller wechseln von grauen Schattenkostümen in Grell-Buntes wie in völlig unpassende Identitätsschichten und beschmieren sich mit grau-weiß-schwarzer Farbe.
Was anfangs platt wirkt, bekommt im Laufe des Abends immer mehr Konnotationen: In Harlekinsjacke sitzt Andreas Grötzinger mit Zigarette am Tisch und erzählt die Geschichte als naives, aber sprachbegabtes Au-Pair-Mädchen. Anja Herden als die Prostituierte blättert mit der Zeit immer mehr ab, schimpft auf "die Franzosen", stolziert aber im missglückten Ancien-Régime-Aufzug über die Bühne und kommt nur mit der Zweidimensionalität der Fläche klar.
Nora Bussenius Bühnen-Wartesaal dagegen ist ein Bild, das durch seine vielen Farbschichten in den Raum ragt. Wer die Schmiererei nicht als Schlammschlacht begreift, wird mit Gewinn aus dem Abend herausgehen.