Unter einer rechtskonservativen Regierung lebt es sich als Direktor des Europäischen Solidarnosc-Zentrums in Danzig nicht leicht. Denn Jaroslaw Kaczynskis PiS-Partei hat die historischen Verdienste der freiheitlichen Gewerkschaftsbewegung stets zu schmälern versucht.
Doch für Basil Kerski, geboren 1969, Sohn eines Irakers mit deutschem Pass, war es immer "die Erfüllung eines Traums, als Wahl-Berliner und gebürtiger Danziger zwischen den Städten zu pendeln". Seit der Eröffnung des Solidarnosc-Zentrums 2014 hat das Haus jährlich eine Million Besucher. Das spreche für sich. Da könne man schwer ein Team oder einen Direktor attackieren oder gar austauschen, sagt Kerski. Weshalb er auch grundsätzlich zu einer differenzierteren Betrachtung der Lage in Polen rät. Erosion der Kultur, gewiss, aber man dürfe die Kräfte des Widerstands im Lande nicht gering schätzen: "Wir vergessen oft, wie lebendig die Gesellschaft in Polen in diesen Tagen ist. Die Polen schwimmen nicht gerne mit".
Rückkehr zum Nationalstaat als europäisches Problem
Außerdem bestehe das Land nicht nur aus einer Zentralregierung und einem Staatspräsidenten, sondern auch aus 17 Regionen, 16 davon in Opposition zum derzeitigen Regime stehend. Auch die geringe Wahlbeteiligung sei zu berücksichtigen. Staatsverdrossenheit sei weit verbreitet, da die Enttäuschung im Volk über den Neubeginn nach 1989 tief sitze.
Aber auch Polens bedauernswerte Rückkehr zum "guten, alten Nationalstaat" möchte Basil Kerski nicht reduziert betrachtet sehen. Das sei ein europäisches Phänomen.
Kerskis Analyse des grassierenden Geschichtsrevisionismus in Polen zielt ebenso auf dessen historische Wurzeln. Schwerwiegende Konsequenzen hätte die Empfindung gehabt, dass die polnischen Traumata im europäischen Geschichtsdiskurs nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. "Kein Wunder, dass PiS von sich aus die polnische Geschichte erzählt."
"Skandalös und symbolisch bedrückend"
Basil Kerski streift die Reizthemen der polnisch-europäischen Erinnerungskultur. Dass Außenminister Heiko Maas jüngst in Auschwitz polnischerseits nicht begleitet worden sei, empfindet er als "skandalös und symbolisch bedrückend". Die Geschichte trenne uns zwar, "aber die Kultur ist gemeinsam."
Keine Chance auf Akzeptanz, findet Basil Kerski, hätten andere nationalistische Bemühungen, wie zum Beispiel die Mythisierung von Smolensk, dem Ort des Präsidentenabsturzes von 2010, oder eine Wiederbelebung der Reparationsdebatte gegenüber Deutschland. Sein Zentrum in Danzig bemühe sich dagegen, ein positives Zeichen zu setzen, die Erinnerung an die erfolgreiche Bürgerbewegung der Solidarnosc in die Zukunft zu richten.