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Geschlechterbilder in Medien
Und seine Frau

"Ex-Frau", "Großmutter", "Filmemacherin" – berichten Medien über erfolgreiche Frauen, fehlt oft ihr Name. Dahinter steckt nicht unbedingt böse Absicht, sondern neben der noch ungleich verteilten Popularität zwischen Männern und Frauen auch Sexismus. Und der muss überwunden werden, findet Marina Weisband.

Von Marina Weisband |
Amal und George Clooney auf dem roten Teppich bei einer TV-Premiere
"Die international renommierte Menschenrechtsanwältin Amal Clooney in Begleitung ihres Mannes, einem Schauspieler" (picture alliance/AP Images | Grant Pollard)
Guten Tag, ich bin die Ehefrau von Marcus Rosenfeld. Ich möchte hier eine kleine Anekdote teilen. Als mein Mann und ich über den Wiener Zentralfriedhof spazierten, stellten wir fest, wie viele Titel Österreicher mit ins Grab nehmen. Da waren Grabsteine wie "Hier ruhet Josef Humelberger, Dir. i. R. und Regierungsrat, Herrschaftlicher Wirtschaftsrat, Ehrenbürger der Universität Wien u.s.f." Dieses "u.s.f." ziert dort mehrere Grabsteine. Wir haben eine Weile gebraucht, um zu verstehen: u.s.f. steht für "und seine Frau".
Menschen der Vergangenheit waren gewiss sehr albern. Heute würde man den Namen von Frauen nennen. Zumindest, wenn man über sie spricht. Zumindest, wenn sie selbst berühmt sind. Würde man denken.
Andererseits haben wir Überschriften wie n-tv: "Ex-Frau von Harrison Ford: ‚E.T.‘-Autorin ist gestorben." In ihrer eigenen Todesanzeige kommt Melissa Methisons Name erst im neunzehnten Wort vor. Aus Jasmin Herren wird bei MSN die "Ehefrau von Willi". Klar, man beruft sich auf den bekannteren Namen des Gatten, um mehr Klicks für die eigene Schlagzeile zu bekommen. Schlichte Ökonomie: Dem Leser möchte man mit dem winken, was er wahrscheinlich kennt. Beachtlich, dass das meist die männlichen Namen sind. Übrigens sind die meisten dieser Artikel auch bebildert mit den Männern, über die sie reden (und einer mit einem Alien auf einem Fahrrad).

Unglückliche Artikel rausgesucht? Nein

Manchmal fehlt der Bezug zum Lebenspartner allerdings völlig, was niemanden veranlasst, Namen von Frauen tatsächlich zu erwähnen. Wie diese Überschrift von CH Media: "Diese Großmutter wird neue Chefin der Welthandelsorganisation". Die Großmutter heißt Ngozi Okonjo-Iweala. Und sie absolvierte Harvard und das MIT, war Vizepräsidentin und Corporate Secretary bei der Weltbank, war nigerianische Wirtschafts- und Außenministerin. Aber klar. Großmutter. Wie hieß nochmal der Großvater, der amerikanischer Präsident geworden ist?
Wenig Selbstironie beweist auch dieser Titel auf Jezebel: "Matt Damon unterbricht erfolgreiche schwarze Filmemacherin, um ihr Diversität zu erklären." Ganz schönes Fettnäpfchen von Matt Damon. Aber auch von Jezebel. Wir lernen den Namen dieser "erfolgreichen Filmemacherin", Effie Brown, darin erst im neunten Satz.
Marina Weisband wurde 1987 in der Ukraine geboren und kam 1994 als Kontingentflüchtling nach Deutschland. Von 2011 bis 2012 war sie politische Geschäftsführerin der Piratenpartei. Die Schwerpunkte der Autorin und Diplompsychologin sind Partizipation und Bildung. In ihrem Buch "Wir nennen es Politik" schildert sie Möglichkeiten neuer politischer Partizipation durch das Internet. Seit 2014 leitet sie bei politik-digital.de das aula-Projekt zur Demokratisierung von Schulen.
Wenn Sie denken, dass ich jetzt einige unglückliche Artikel rausgesucht habe – nein. Ich musste in der Flut der Beispiele einige wenige auswählen. Wenn Sie denken, das war aber keine Absicht – dann haben Sie wahrscheinlich recht. Niemand sitzt da, reibt sich seine Bösewichtfinger und lacht: "Und die Namen der Frauen werde ich nicht erwähnen, damit niemand sie kennt!"

Es braucht Sichtbarkeit

Natürlich sind solche Entscheidungen bedingt durch ungleich verteilte Popularität zwischen Männern und Frauen, dem Drang der Medien, Erkennbares zu präsentieren, und der gewöhnlichen Dosis internalisiertem Sexismus. Das Lustige ist ja: Egal, warum sich jemand entscheidet, Frauen unsichtbar zu machen, der Effekt ist: Im nächsten Artikel entscheidet man sich auch gegen das Bild der Frau – weil die eben keiner kennt. Weil sie selbst dann unbekannt bleibt, wenn sie Schlagzeilen macht.
Spiel, Satz, Sexismus
Am Tag nach ihrem Wimbledon-Sieg wurde Angelique Kerber 2018 im ZDF interviewt. Die Leistung der Deutschen stand dabei allerdings nicht wirklich im Vordergrund. Stattdessen wurden Kerber Fragen gestellt, die ihre männliche Kollegen eher selten beantworten müssen.
Die Überwindung sexistischer Strukturen ist ein stetiger Kampf, der bestimmt nicht von allein passiert. Er braucht etwas, das sehr unbequem ist: das ständige Hinterfragen eigener Gewohnheiten. Und Sichtbarkeit. Sichtbarkeit dessen, dass Frauen etwa genauso oft Kinder haben, wie Männer – aber trotzdem exklusiv gefragt werden, wie sie Kind und Karriere vereinen. Dass sie viel mehr unbezahlte Arbeit machen. Und dass sie mehr leisten müssen, um denselben Ruhm zu kriegen.
Wie es anders geht, zeigt die Tagesschau, wenn sie 2016 postet: "Bundeskanzlerin Merkel hat sich heute mit der international renommierten Menschenrechtsanwältin Amal Clooney getroffen, um über die Flüchtlingskrise zu sprechen. Clooney kam in Begleitung ihres Mannes, einem Schauspieler."