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Geschlechtergerechtigkeit in den Medien
Pretty in Pink - YouTube Geschlechterklischees

YouTube ist elementar im Leben von Jungs und Mädchen, sagt eine aktuelle Studie des Branchenverbands Bitkom. Alte Rollenklischees, neuer Sexismus – aber auch überraschende Alternativen lassen sich auf der Lieblingsplattform der Jugendlichen finden.

Von Katharina Thoms |
    Das Bild zeigt Bianca "Bibi" Heinicke, die als YouTuberin bekannt ist und als Influencerin gilt.
    Das Bild zeigt Bianca "Bibi" Heinicke, die als YouTuberin bekannt ist und als Influencerin gilt. (dpa-Bildfunk / Jens Kalaene)
    "Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Video von mir. Und wie ihr seht bin ich komplett am Glänzen - das bedeutet in diesem Video wird mal wieder was mit Makeup passieren"
    Livestyle für Mädchen - Gaming für Jungs
    DagiBee alias Dagmara Ochmanczyk ist für Mädchen eine Instanz in Sachen Lifestyle. Auf Youtube und Instagram zusammen folgen ihr knapp neun Millionen Menschen.
    Yada findet solche Videos heute peinlich - mit 17. Im Ethikunterricht, elfte Klasse, an einem Stuttgarter Gymnasium erzählen sich die Jugendlichen ihre Fails von früher. Noch vor ein paar Jahren ist Yada selbst voll auf solche Videos abgefahren:
    "Die haben die immer so schöne Sachen gehabt und sich so schön geschminkt und bla, bla, bla. Und ich hab mir dann eine Zahnpasta für 10 Euro gekauft, weil dieser Herr Tutorial gesagt hat, dass die ganz toll ist. Und die war gar nicht ganz toll, die hat nach Zimt geschmeckt. Und ich weiß nicht, warum ich das gekauft hab."
    Die meisten Jungs hier tangiert das - null.
    "Ich guck vor allem so Let‘s-Play-Kanäle."
    "Gamingvideos, ja."
    "Vor allem Sporthighlights. Da kommen meistens so die Fußballhighlights, vor allem von Bundesligaspielen, aber auch von anderen Ligen."
    Hübsch geschminkt – dann wirst du geliebt
    "Das denken Jungs wirklich über Mädchen."
    BibisBeautyPalace - fünf Millionen Abos auf Youtube.
    Bibi: "Frauen gehören in die Küche – Ende aus."
    Julienco: "Gibt‘s n Daumen runter – aber trotzdem: es ist eine super schöne Sache, wenn die Frau einen mit einem schönen Mahl beglücken kann."
    Bibi: "Wenn mehr solcher Videos wollt, zeig uns mit einem Daumen nach oben. Zum Beispiel: Darauf stehen Jungs oder Mädels beim Date. Oder: So machst Du sie Dir klar. Oder wie auch immer. Es gibt so viele Möglichkeiten."
    "Wenn wir in die erfolgreichsten YouTube-Chanel gucken, ist das 'ne sehr stereotype, sehr binäre, sehr einseitige Darstellung von Geschlecht."
    Maike Groen, Sozialwissenschaftlerin an der Technischen Hochschule Köln. Sie erforscht Jugendkulturen auf Social Media. Das ständige gegenseitige Bewerten von Videos und Fotos zementiere das Rollen-Klischeebild noch.
    "Weil wir eben 'ne ultimative Rückmeldung haben in Form von Daumen hoch, Daumen runter, die 'ne Rückmeldung gibt, die wir vorher nicht hatten. Die eben auch wesentlich stärker auf das Äußerliche nochmal rekurriert."
    Teenie-Idole wie Bibi alias Bianca Heinicke machen auf beste Freundin. Sie reagieren mit Herzchen und Kommentaren. Es entsteht eine vermeintliche Nähe, sagt Groen. Und es gibt Jungen und Mädchen zu verstehen: Wenn du hübsch geschminkt bist, dann wirst du geliebt. Und das kann gefährlich werden. Katharina aus der Elften meint ihre jüngeren Schwestern werden vom Klischee-Mädchenbild auf YouTube negativ beeinflusst.
    "Aber ich merk auch, dass sie sich teilweise selbst unter Druck gesetzt fühlen, dann auch so ein Leben führen zu wollen."
    Spiegelbild der Gesellschaft
    Der Alltag in den gesponserten Videos: shoppen, verreisen, schminken. In einer Wohnung, die allein für die Kamera arrangiert ist, sagt Maike Groen. Und die jungen Mädchen seien dankbar für die perfekte Welt.
    "Vieles ist nicht mehr sicher in der Gesellschaft: Die Länge meines Arbeitsvertrages oder welchen Beruf habe ich überhaupt oder werde ich haben? Große Möglichkeiten, aber eben auch sehr viel Verunsicherung. Und da hilft es natürlich, sich an althergebrachten Mustern zu orientieren."
    Mädchen sind brav und verfügbar. Oder die sexy Schlampe - wie bei den Zwillingsstars "Die Lochis" und der Vloggerin Xlaeta.
    Die Lochis: "Warum tragen so viele Frauen einen sehr, sehr weiten Ausschnitt und beschweren sich dann, wenn man dann 'n Blick reinwirft als Mann?"
    Xlaeta: "Super viele Oberteile in den ganzen Klamottengeschäften, die so Standard sind, sind auch einfach so geschnitten."
    Die Lochis: "Ja, aber das heißt ja nicht, dass man sie sich kaufen muss!"
    Sexismus - seit Jahren ein Problem auf der Plattform. Maike Groen:
    "Das ist ja kein Youtube-Phänomen. Und solange die Gesellschaft an sich diese Themen nicht offensiv angeht; solange an den Schulen nicht über Geschlechtergerechtigkeit diskutiert wird, ist YouTube erstmal 'n Spiegelbild der Gesellschaft."
    YouTube divers - mit queeren Themen
    In dieser elften Klasse wird das diskutiert. Ein wichtiger Schritt weg vom eindimensionalen Geschlechterbild. Die Schülerinnen und Schüler sind sensibilisiert und gucken inzwischen anders YouTube. Videos von alternativen amerikanischen Influencern, sagt Fatih:
    "In dem Sinn ist James Charles einfach interessant, weil er auch 'n Junge ist und sich auch schminkt und damit früh angefangen hat und auch homosexuell ist, so wie ich."
    YouTube – divers? Gibt’s auch in Deutschland. Mädchen, die Gaming-Videos machen, keinen Bock auf Normkörper haben. Jungs, die sich schminken und kochen. Und Trans-Jungs, mit queeren Themen.
    "Es ist ja auch wichtig für die Leute, die nicht so gut Englisch können, dass sie auch darüber aufgeklärt werden und dass auch Jugendliche, die kein Englisch können, wissen, dass da ach jemand ist, der genauso wie sie."
    Nate oder Nathaniel ist 19. Und macht...
    "… YouTube-Videos über alles, was nicht so ganz hetero ist."
    "Als was bist Du geboren? Was ist Dein Geburtsgeschlecht? Diese Frage ist in der Regel ziemlich scheiße und ziemlich dumm formuliert."
    Knapp 5000 Leute folgen ihm inzwischen auf YouTube. Von Bibi und Dagi weit entfernt. Ihm egal. Eine Nische, die aber größer werden muss. Das sind sich die ForscherInnen auf dem Gebiet einig. Alternative Rollenbilder für Mädchen müssen auch auf YouTube sichtbar sein, dem wichtigsten Medien der Jugend. Damit nicht allein die Botschaft hängen bleibt: Sei schön und makellos und kümmere dich um dein Äußeres und die wirst geliebt.