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Geschlechterklischees
Müllabfuhr: männerdominiert, aber kein Männerberuf

Männer im orangenen Overall, die schwere Tonnen zum Müllwagen schieben: Das ist wohl das erste Bild, das man zum Thema Müllabfuhr im Kopf hat. Doch auch in diesem männderdominierten Beruf gibt es Frauen - denen jedoch noch viel Skepsis entgegengebracht wird.

Von Christoph Schäfer |
Franziska Giffey (SPD), Bundesfamilienministerin, begrüßt Müllwerkerinnen und trägt dabei auch einen orangenen Anzug
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey begleitete die Berliner Stadtreinigung bei einer Abfallentsorgungs-Tour (picture alliance/Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa)
Eine Traube von Frauen in orangenen Overalls steht auf dem Betriebshof der Berliner Stadtreinigung. Alles Müllwerkerinnen aus Deutschland, die sich zu einem Netzwerk-Treffen zusammengefunden haben. Eingeladen hat der Verband kommunaler Unternehmen. Eine der Frauen ist Kerstin Timmann, 47 Jahre alt und bei der Stadtreinigung in Hamburg tätig:
"Ich habe einen Job gesucht, wo ich finanziell abgesichert bin und eben eine Zukunft habe, bis ich in Rente gehe. Und daher kam der Wechsel – von einem absolutem Frauenberuf in einen Männerberuf – von der Friseurin zur Stadtreinigung."
Timmann fährt auf dem Müllwagen mit, zieht Tonnen und leert sie. Vorher hat sie als Friseurin gearbeitet. In diesem Job sei sie finanziell aber nicht abgesichert gewesen, sagt sie. Ihr jetziger Job sei tarifgebunden und sie verdiene so viel wie ihre Kollegen.
Körperlich anstrengend sei ihr Beruf aber in jedem Fall: "Es gibt gewisse Grenzen, schon rein biologisch bei der Frau. Sei es das Knochengerüst oder sei es die Muskulatur. Aber wenn das funktioniert im Team, dann ist das überhaupt kein Hindernis."
Und das läuft problemlos: Ihre Kollegen diskriminieren sie nicht, meint Timmann. Aber dafür sei sie auch nicht der Typ. Ihr Beruf sei männerdominiert, aber kein Männerberuf.
"Frauen können das"
So denkt auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Deshalb hat sie die Berliner Stadtreinigung bei einer Abfallentsorgungs-Tour begleitet – medienwirksam. Die Presse hält in Fotos und Videos fest, wie Giffey im orangenen Overall Tonnen von einem Privatgrundstück zieht und in einen Wagen der BSR entleert. Die Ministerin packt an.
Nach ihrer Tour dankt sie den Frauen – und den Männern – für ihre körperlich anstrengende Arbeit auf dem Netzwerktreffen der Müllwerkerinnen:
"Thorsten, Robert, kommt doch mal ran. Also es gibt auch tolle Männer… die beiden, ja. Die haben die Tour mit mir gemacht. Ich weiß jetzt auch, was der Hosen-Voll-Knopf ist. Nicht wahr?
Thorsten: "Ja genau."
"Aber den brauchte ich nicht. Weil du so toll gefahren bist."
"Sie haben die Hosen nicht voll. Nein."
"Genau. So. Ich hab mal gefragt, wie Ihr das fandet. Und die haben mir berichtet, das geht sehr wohl. Frauen können das. Du brauchst eine körperliche Fitness. Aber es ist machbar."
Thorsten und Robert von der BSR haben dem offenbar nichts mehr hinzuzufügen.
Skepsis gehört bei geschlechteruntypischen Berufen dazu
"Naja, Frauen können das doch nicht, das ist zu schwer und so weiter." Solche Einstellungen, eine solche anfängliche Skepsis von Müllwerkern gegenüber ihren Kolleginnen kennt Pressesprecherin Sabine Thümler von der BSR: "Natürlich bei allem, was erstmal neu ist, gibt es erstmal eine gewisse Skepsis, ob das so funktioniert. Aber ja, es funktioniert."
Im November 2018 hatte die BSR erstmals 15 Frauen bei der Müllabfuhr eingestellt. Insgesamt arbeiten dort etwa 1.200 Müllwerker und Berufskraftfahrer. Wie viele Frauen bundesweit als Müllwerkerinnen arbeiten, werde statistisch laut Bundesfamilienministerium nicht erfasst.
Mit ihrem medienwirksamen Termin will Ministerin Giffey Geschlechterklischees aufbrechen: Frauen sollen in typischen Männerberufen und Männer in typischen Frauenberufen arbeiten können. Das Thema Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern adressiert sie kurz:
"Ich habe das Ihnen gerade ja eben auch erwähnt, dass wir die Lohnlücke von 21 Prozent als auch die Rentenlücke von 53 Prozent … das ist ein Thema, das zum Frauentag passt. Wir haben heute hier dieses besondere Ereignis: Die Müllwerkerinnen aus ganz Deutschland, die einen ganz frauenuntypischen Beruf gewählt haben. Und ich finde, das hat sehr, sehr viel auch damit zu tun, wie berufliche Perspektiven und wie Bezahlung auch eine Rolle spielt."
Autor: "Aber sie hätten sich auch einen Beruf aussuchen können, wo die Lohnungleichheit besonders hoch ist."
"Ja, wissen Sie, ich bin hier heute eingeladen worden. Ich habe mich entschieden ,den Müllwerkern und Müllwerkerinnen den Rücken zu stärken. Und ich finde ich bin hier genau richtig."
Ähnliches denkt sich auch Müllwerkerin Kerstin Timmann aus Hamburg. In ihrem Job als Müllwerkeirn fühlt sie sich wohl: "Und Dreck oder nicht.. ich habe ein Kind großgezogen. Das macht auch Dreck. Und das nicht zu knapp und das stinkt noch mehr!"