Wie Bilder aus dem Auge über den Sehnerv oder wie Tonsignale aus den Ohren über den Hörnerv ins Gehirn gelangen, haben Forscher schon weitgehend verstanden. Bei einem anderen Sinn, dem Geschmack, ist die Wissenschaft noch nicht so weit. Bekannt ist, dass in der Zunge Geschmacksknospen sitzen. Und in diesen Knospen wiederum gibt es Rezeptorzellen, die jeweils auf die Wahrnehmung von einer von fünf Geschmacksrichtungen spezialisiert sind: süß, salzig, sauer, bitter und umami, was sich in etwa mit herzhaft umschreiben lässt. Wie allerdings die verschiedenen Geschmacksrezeptoren ihre Informationen ans Hirn weiterleiten, galt bisher als Rätsel.
Von der Zunge ins Gehirn
"Die Kommunikation zwischen der Zunge und dem zentralen Nervensystem ist geheimnisvoll. Unter Forschern wurde kontrovers darüber diskutiert, ob zum Beispiel die Rezeptoren für Süßes spezifische Nervenleitungen für Süßes besitzen, oder ob die verschiedenen Geschmackswahrnehmungen der Zunge zusammengefasst werden und das Gehirn als schon kombinierte Geschmackssignale erreichen."
Nicholas Ryba ist Geschmacksforscher an den National Institutes of Health der USA. Gemeinsam mit Kollegen um Charles Zuker von der Columbia University in New York machte er sich daran, das Rätsel der Geschmacksreizleitungen zu lösen.
"Wir dachten uns, der beste Weg das herauszufinden, wäre zu messen, auf welche Reize die Nervenzellen ansprechen, die die Geschmacksinformationen weiterleiten. Und dafür wäre es wiederum am besten, die Aktivität von einer großen Zahl unterschiedlicher Geschmacksneuronen gleichzeitig zu beobachten. So könnten wir feststellen, ob tatsächlich verschiedene Neuronen aktiv werden, wenn wir die Zunge jeweils unterschiedlichen Geschmacksreizen aussetzen."
Livebilder aus dem Nerv
Eine solche Messung ist freilich alles andere als einfach. Man muss dafür bei einem lebenden Versuchstier einen ganzen Nervenstrang aus vielen Neuronen, ein sogenanntes Ganglion, anzapfen, ohne dessen Reizleitung zu stören. Die Forscher entwickelten dafür eine besondere optische Methode. Sie züchteten genveränderte Labormäuse, deren Geschmacksneuronen fluoreszierende Proteine bilden. Wenn ein Nerv aktiv ist, wird auch die Fluoreszenz aktiviert. Mit einem Spezialmikroskop, dessen Linse über ein Mikroendoskop direkt auf dem Ganglion aufliegt, konnten sie diese Fluoreszenz beobachten und dann einzelnen Reizleitungen zuordnen. So konnten die Forscher erstmals erkennen: Süße Reize werden nur von den einen, saure Reize nur von anderen sowie salzige, bittere und umami Reize jeweils von nochmals anderen Neuronen weitergeleitet - und das ganz direkt bis ins Hirn.
"Wir als Forschungsgruppe hatten ja erwartet, dass es geschmacksspezifische Reizleitungen gibt. Aber es war schon überraschend, zu sehen, wie ungefiltert die Informationen von den Geschmacksrezeptoren ins Gehirn gelangen."
Für Nicholas Ryba bestätigt dieser Fund eine frühere Erkenntnis seiner Forschung. Das Geschmacksempfinden ist letztendlich eine Sache des Gehirns. Dort werden die Signale der Geschmacksrezeptoren mit anderen Eindrücken wie Gerüchen, Farben und selbst persönlichen Stimmungen verknüpft. Erst daraus ergibt sich das volle Repertoire der Geschmacksrichtungen, die wir wahrnehmen.
"Der eigentliche Geschmackssinn ist sehr einfach aufgebaut. Er dient dem simplen Zweck, einem Tier zu erkennen zu geben, welche Nahrung gut und welche schädlich ist. Wahrscheinlich sind deshalb die fünf Geschmacksempfindungen auch so eindeutig verdrahtet und müssen nicht erst erlernt werden."
Das zeige sich schon bei ganz jungen Babys, so Ryba. Etwas Süßes schlucken sie bereitwillig herunter, während sie etwas Bitteres nach Möglichkeit gleich wieder ausspucken.