Geschwächte Rechtspopulisten in den Niederlanden
Geert Wilders bekommt die Quittung

In den Niederlanden ist Geert Wilders' rechtspopulistische Partei bei den Europawahlen auf 13,2 Prozent abgesackt. 2009 war sie nach den Christdemokraten mit 17 Prozent noch zweitgrößte Kraft geworden. Sind die Niederländer europafreundlicher geworden?

Von Kerstin Schweighöfer |
    Der niederländische Politiker Geert Wilders vor einem Verkehrsschild.
    Der niederländische Politiker Geert Wilders vor einem Verkehrsschild. (picture-alliance / dpa / Robin Utrecht)
    Siegessicher hat Geert Wilders noch kurz vor der Wahl demonstrativ einen Stern aus der blauen Europa-Flagge herausgeschnitten – den niederländischen Stern. Denn über kurz oder lang würden die Niederlande ja aus der EU austreten. Das war seine Mission, dafür wollte Geert Wilders sorgen - und sah sich bereits, bestätigt von den Umfragen, als der große Sieger dieser Wahl.
    Es kam ganz anders. Das politische Erdbeben, das der islam- und europafeindliche Rechtspopulist prophezeit hatte, ist ausgeblieben. Zumindest in seinem eigenem Land. Anders als FPÖ oder Front National konnte Wilders' "Partei für die Freiheit" PVV überraschenderweise nicht zulegen, sondern musste – im Gegenteil – Verluste hinnehmen.
    Die Ursachen sind vielfältig: Erstens ist es Wilders dieses Mal nicht gelungen, seine Anhänger zu mobilisieren: Zwei Drittel aller PVV-Wähler, die ihm 2009 noch ihre Stimme gegeben hatten, blieben dieses Mal zuhause. Für Geert Mak, den niederländischen Schriftsteller und Europa-Experten, ist das nicht weiter überraschend:
    "Die PVV-Anhänger gehen nicht so schnell wählen, nur wenn sie wirklich böse sind. Europa ist für sie weit weg", sagt Mak. Was nicht vergessen werden darf: 2009 hatte Wilders seine Pfeile noch nicht auf Europa gerichtet, sondern sich ausschließlich auf die drei I's konzentriert: Islam, Immigration und Integration. Darauf beruhte sein Erfolg.
    Wilders bekommt die Quittung für seine indirekte Regierungsbeteiligung
    Außerdem: Seit 2009 hat seine Partei viel Vertrauen verspielt. Die Wahlniederlage, und auch das darf man nicht vergessen, ist bereits die dritte in Folge: nach den Kommunalwahlen im März und den Parlamentswahlen von 2012.
    Zu diesen vorgezogenen Neuwahlen kam es, nachdem Wilders die von ihm geduldete Minderheitsregierung platzen ließ – mitten in einer schweren Wirtschaftskrise. Im Gegensatz zu Marine Le Pen oder Nigel Farage hat Wilders also bereits mitregiert, wenn auch nur indirekt. Dabei hat er sich aber als unfähig erwiesen, diese Verantwortung zu tragen. Von den Wählern hat er dafür längst die Quittung bekommen: Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2012 verlor die PVV neun ihrer 24 Sitze.
    Ein dritter Grund für das schlechte Abschneiden der PVV: Die Partei ist innerlich zerstritten und nicht stabil. Das beweist die Zahl der Abtrünnigen, die inzwischen auf 13 Abgeordnete, Gemeinderäte und Europarlamentarier gestiegen ist. Sie haben Wilders den Rücken zugewandt - zum einen wegen seines undemokratischen Führungsstils, zum anderen, weil sie nichts mit umstrittenen Parteien wie dem Front National oder der FPÖ zu tun haben wollen.
    Auch für Paul ter Linden, bislang PVV-Gemeinderat in Den Haag, waren die Gespräche mit diesen Parteien der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte: "Ich will nicht mit Rassisten, Antisemiten und Homohassern zusammenarbeiten". Stellt ter Linden klar. „Ich will auch nicht mit ihnen in einem Atemzug genannt werden."
    Die Europabegeisterung der Niederländer ist begrenzt.
    Zu weiteren Austritten und einer Welle von Anzeigen hatte im März Wilders Auftritt nach den Kommunalwahlen geführt: In einem vollbesetzten Saal fragte er seine Anhänger, ob sie sich mehr oder weniger Marokkaner wünschen. "Weniger!" brüllte der Saal. Worauf Wilders versprach: "Dann werde ich dafür sorgen!"
    Damit, und das ist ein letzter Grund für das überraschende niederländische Wahlergebnis, hat er den Bogen überspannt. Davon auszugehen, die Niederländer seien europafreundlicher als angenommen, wäre allerdings falsch. Dagegen spricht die niedrige Wahlbeteiligung von nur 37 Prozent. Und der Zuwachs, den andere europakritische Parteien erzielt haben: Dazu zählen in den Niederlanden auch die Sozialisten. Unterm Strich dürfte sich am Verhältnis zwischen Europagegnern und Europabefürwortern in den Niederlanden nichts geändert haben.