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Gesellschaft
Das Produktivitätsproblem

Wir leben in einer Zeit der hohen Produktivität, die alle Bereiche erfasst: Darüber hat der Soziologe Heinz Bude im DLF nachgedacht. Er sagt, es reiche nicht mehr aus, eine standardisierte Leistung zu erbringen. Vielmehr müsse man sich auf immer neue Kunden, Konzepte und Kontakte einstellen. Für viele stellt sich darum eine existenzielle Frage.

Heinz Bude im Gespräch mit Michael Köhler |
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    Ihre Meinung ist gefragt (Daniel Bockwoldt, dpa)
    Die Frage lautet schlicht: Will ich das alles, was ich kann, überhaupt noch? Die Frage des "Wollens im Können" werde immer wichtiger. Hier spiele der Begriff der "Work-Life-Balance" eine große Rolle.
    Der Hintergrund reicht Bude zufolge tief in unser Gesellschaftsmodell hinein. Früher war es eher so, dass man auf der Basis einer gewissen Sicherheit im Privaten genug Kraft ziehe, um wirtschaftlich und möglicherweise auch politisch produktiv zu werden.
    Produktivität in allen Bereichen
    Heute aber hat die Idee der Produktivität laut Bude alle Bereiche der Gesellschaft erfasst - auch den privaten, auch die Liebe etwa. So finde sich jeder von uns in einer Vielfalt von Anforderungen und Kompetenzen wieder - und da fehlt es laut Bude an einer gewissen Gelassenheit.
    Stichwort Leidenschaft: Sie habe immer eine riskante Seite, eine Unsicherheit. Wir kommen laut Bude aber aus einer Zeit, in der wir rationale Egoisten sind. Das heißt: Wir sehen uns selbst als kompetent an, und wir haben selbst die Wahl. Liebe aber bedeute gerade auch, von jemandem gewählt zu werden, und das enthalte eine Unsicherheitserfahrung. Da könne man schnell aus dem Tritt geraten, wenn man auch in der Liebe ein "Produktivitätsideal" verfolge.
    Generation Null Fehler
    Dahinter steckt nach Budes Worten das Modell der "Generation Null Fehler". Und diese Generation habe untergründig die Angst, sich zu verfehlen. Das Schlimmste sei, sich in die Hände von Coaches oder in spirituelle Angebote zu begeben, um die Angst loszuwerden. Bude rät ausdrücklich dazu, die Angst vor der Verfehlung, vor dem Fehlermachen nicht zu ignorieren.