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Gesellschaft für Informatik
Der gnadenlose Verbraucher

Wenn etwas nicht leicht bedienbar ist, dann funktioniert es nicht - so sieht es der Verbraucher. Da hilft auch keine gute Bedienungsanleitung. Denn nur, was eine gute Usability hat, wird akzeptiert.

Von Wolfgang Noelke |
    Prof. Dr. Peter Liggesmeyer, Präsident der GfI
    Prof. Dr. Peter Liggesmeyer, Präsident der Gesellschaft für Informatik (Wolfgang Noelke)
    "Eine Kollegin aus den USA hat gesagt, "'If it's not usable, it doesn't work at all.' Ich glaub', das sehen ganz viele Firmen, die jetzt nicht mehr am Markt sind – nehmen wir mal den Mobiltelefonbereich. Es sind simple Sachen: Wenn es nicht benutzbar ist, dann funktioniert's nicht. Und ich denk' das ist in der Informatik noch nicht durchgedrungen."
    Mahnende Mensch-zu-Mensch-Kommunikation des Dr. Albrecht Schmidt, Informatik-Professor der Uni Stuttgart, gerichtet an knapp 50 Gesellschaft für Informatik (GfI)- Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet.
    Wie er, forschen alle an der Mensch-Maschine-Interaktion und diskutierten in Berlin ihre Eindrücke aktueller Kongresse. Das Ergebnis: Bitte konzipiert Produkte leicht bedienbar! Denn Verbraucher reagieren gnadenlos:
    "Ich hatte mit einem Autohersteller was Ähnliches. Die hatten ganz viel Reklamationen, weil der Touchscreen nicht funktioniert, weil man nicht zoomen konnte. Dann haben die den Kunden erzählt, die vorher eine sehr große Menge an Geld ausgegeben haben, für ein Auto: 'Ja da ist gar kein Touchscreen drin! Aber im Untermenü können Sie doch suchen...'.Und da ist wieder der Punkt: Wenn's nicht benutzbar ist, funktioniert's nicht."
    Damit es funktioniert, so der Präsident der Gesellschaft für Informatik, Prof. Peter Liggesmeyer, bedarf es erst mal eines sogenannten "Internet der Zukunft":
    "Das hat natürlich unter anderem mit Aspekten zu tun, wie Sicherheit, die jeder aktuell aufgrund der Diskussion über Datenschutz, Privacy im Ohr hat. Es sind aber auch Themen, wie Netzneutralität, Fragen zu Bandbreite, Antwortzeitverhalten. Wir sehen beispielsweise komplette Anwendungen, die extrem kurze Reaktionszeiten erfordern."
    Usability ist ausschlaggebend für Produkterfolg
    Zum Beispiel in autonomen Autos. Bei wachsender Verkehrsdichte wird auch der Flaschenhals für den Datenaustausch immer enger. Intelligente Maschinen reagieren dann ähnlich, wie eine Wandergruppe im Nebel. Um gemeinsam ein Ziel zu erreichen, brauchen alle nur auf ihre beiden unmittelbaren Nachbarn zu achten. Das ist benutzbar. Auf, von der Natur abgeschaute Resilienz setzt auch Tilo Mentler, der in Berlin seine, an der Uni Lübeck, speziell für Notärzte und Katastrophenhelfer entwickelte Datenbrille vorführte:
    "Man kann sie per Kopfnicken zum Beispiel aktivieren. Das geht per Sprache. Man kann sie auch anfassen. Sie unterstützt halt verschiedene Interaktionsformen und die Aufgabe ist, genau dafür zu sorgen, dass man auf verschiedenen Wegen ans Ziel kommt, weil man vorher ja nie genau weiß – ja, Loveparade- Einsatz im Tunnel, da war es sehr laut. Da ist eine Sprachsteuerung nicht möglich, das wird sie vermutlich auch in 30 Jahren noch nicht möglich sein. Egal, wie gut die Sprachsteuerung noch wird, bei 120 dB hört das System nur noch Rauschen. Da brauche ich dann eine andere Form, dass ich zum Beispiel am Brillenbügel bestimmte Gesten mache, den berühre, da lang wische und damit Funktionen aufrufen kann."
    Am Nachbartisch der kleinen, im Diskussionssaal aufgebauten Ausstellung demonstrierte Thomas Kubitza seine, an der Uni Stuttgart programmierte Funkschnittstelle, die in der Lage ist, bisher nicht kompatible Endgeräte schnell miteinander zu verbinden:
    "Wir sind wirklich im Zentrum das Internet der Dinge und wir behandeln ein ganz konkretes Problem, dass heutzutage das Verbinden all dieser Geräte extrem viel Aufwands bedarf. So ein kleines Kästchen, wie ich es ja hab, mit dem Smartphone zu verbinden und mit der Lampe, die vielleicht zuhause funktioniert, ist einfach ein großer Entwicklungsaufwand. Das dauert vielleicht zwei Wochen mit einem guten Entwickler und wir haben diesen Entwicklungsaufwand auf 2 min reduziert."
    Dann zielt er mit der Smartphone-Kamera auf eins der vielen, auf dem Tisch liegenden Geräte, klickt danach auf ein anderes und schon sind die beiden miteinander verbunden. Noch einfacher und ganz ohne Schalter funktioniert eine Hirn- Schnittstelle, mit der am Entstehungsort, der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität die Qualität der Vorlesungen gemessen werden kann – und das Ergebnis den Dozenten in Echtzeit angezeigt wird. Philipp Eigelsperger trägt den Sensor, wie einen Kopfhörer:
    Das ist ein Brain Computer Interface, mit dem man die Wellen am Frontallappen aufnehmen kann. Wir messen dazu die Alphawellen, die Betawellen und die Theta-Wellen und berechnen einen Quotienten zum Engagement. Wir verwenden mehrere davon im Publikum, um dann dem Präsentator die Möglichkeit zu geben, den momentanen Engagement-Level seines Publikums zu beobachten. – Dass heißt, ob der Vortrag langweilig oder sehr spannend ist? Die Einschlafquote wird auch gemessen? – Die Alphawellen, die steigen, wenn man die Augen schließt. Vielleicht könnte man das noch mit einbauen. Explizit eingebaut wurde die Einschlafquote noch nicht.