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Gesellschaft für Informatik verlässt Facebook
"In der Summe möchte man mit Facebook nichts zu tun haben"

Ein Account beim "Social Network" Nummer eins, der ist unverzichtbar - oder vielleicht doch nicht? Die Reihe der Datenschutz-Verstöße bei Facebook hätten das Fass zum Überlaufen gebracht, sagte Hannes Federrath, Präsident der Gesellschaft für Informatik, im Dlf.

Hannes Federrath im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Das Logo des sozialen Netzwerks Facebook und das Zeichen für "Gefällt mir nicht" (Daumen runter) werden auf einem Bildschirm angezeigt.
    Trotz der Beteuerungen von Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei der f8-Entwicklerkonferenz: Die permanenten Datenschutzverstöße vergraulen Nutzer und Werbekunden. (dpa / Monika Skolimowska)
    Manfred Kloiber: Mark Zuckerberg; das hat uns ja eben Achim Killer berichtet, er will den Schuss gehört haben und mit seinem Unternehmen in Zukunft mehr Wert auf datenschutzfreundliche und sichere Dienste legen. Diese Einsicht kommt spät, für manche zu spät, denn schon einige Institutionen und Unternehmen haben sich mittlerweile aus Facebook zurückgezogen und ihre Kommunikation über die Plattform eingestellt. Bekanntestes Beispiel dafür ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich, der ORF. Auch in Deutschland gibt es solche Facebook-Abtrünnige; zum Beispiel der Berufsverband der Informatiker, die GI. Den Präsidenten der GI, Professor Hannes Federrath, begrüße ich bei mir im Studio. Herr Federrath, diese Woche hat GI bekanntgegeben, dass sie ihre Facebook-Kanäle nicht mehr bespielen wollen. Warum?
    Hannes Federrath: Die Diskussion ist schon weit älter als die aktuellen Vorfälle. Wir haben schon vor etwa zwei Jahren erstmalig darüber gesprochen, ob es eigentlich einem Berufsverband einer Gesellschaft für Informatik gut zu Gesicht steht, letztendlich Dienste auch anzubieten auf einer Plattform, die Daten sammelt, die den Datenschutz nicht ernst nimmt, die letztendlich Nutzerrechte mit Füßen tritt. Und für uns war letztendlich jetzt das Fass zum überlaufen gekommen und deswegen haben wir die Entscheidung getroffen: In der Summe - es ist ein bisschen wie bei einem Indizienfall, wenn man vor Gericht stehen würde - in der Summe kommt man doch zu dem Ergebnis, dass man mit Facebook nichts zu tun haben möchte.
    Nicht einmal die Grundregeln der IT-Sicherheit eingehalten
    Kloiber: Welcher Tropfen genau war es denn, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat?
    Federrath: Es gab mehrere Dinge, die in letzter Zeit ausschlaggebend waren: Der letzte Punkt, der dann dazu geführt hat, dass wir gesagt haben, so kann es nun nicht sein, waren die Datensicherheits-Vorfälle, die es bei Facebook gab. Da wurden ja zahlreiche Nutzerdaten, auch Passwörter bekannt. Und nun legt natürlich ein Informatiker in aller Regel großen Wert darauf heute, dass die Sicherheit auch wirklich stabil in einem System gewährleistet wird, wenngleich wir wissen, dass hundertprozentige Sicherheit nicht existiert. Entscheidend war für uns an dieser Stelle, dass wir gesagt haben: Wenn es Facebook nicht einmal schafft, wirklich die Grundregeln der IT-Sicherheit einzuhalten, dann ist das keine Plattform, auf der wir unsere Nutzer und die Menschen informieren wollen.
    Kloiber: Sie haben eben gesagt, die Diskussion dauerte eigentlich schon länger an; zwei Jahre, den Zeitraum haben sie ungefähr genannt. Welche Argumente haben denn früher für Facebook gesprochen?
    Federrath: Facebook ist ein wichtiger Vertriebskanal, wenn es darum geht, eben auch zu sensibilisieren und Menschen zu erreichen. Die Gesellschaft für Informatik hat knapp 20.000 Mitglieder, will die natürlich auch ansprechen, und als wir uns seinerzeit für Facebook entschieden haben war klar: Es muss ein Angebot sein, das auch für Nicht-Facebook-Mitglieder offen ist. Das heißt, man kann dort die Inhalte auch nach wie vor lesen, ohne dass man selbst bei Facebook einen Account haben muss. Somit war das einfach ein, ich nenne es Vertriebskanal für die Botschaften, die wir auch unter die Leute bringen wollen für die Sensibilisierung. Und letztendlich war das, als alle angefangen haben, Facebook zu machen, auch der ausschlaggebende Grund. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht Präsident der Gesellschaft für Informatik, sondern wir hatten seinerzeit einen Präsidenten, der sehr viel aufgeschlossener war, was diese neuen Medien betrifft. Ich persönlich habe bis heute keinen Facebook-Account.
    Twitter als Alternative für User-Information
    Kloiber: Dieser Kanal ist jetzt von ihnen freiwillig abgeschaltet. Bringt Sie das in kommunikative Schwierigkeiten?
    Federrath: Nun, die Informationen darüber, dass wir Facebook zumachen werden für die GI, ist jetzt zwei Tage alt. Das heißt, wir müssen natürlich jetzt noch sehen, wie die Reaktionen ausfallen. Man kann sagen es ist fifty-fifty: Die eine Hälfte derer, die dort regelmäßig gelesen haben, haben mit dem Daumen hoch geantwortet und sagen, eigentlich brauchten wir das auch gar nicht. Und die andere Hälfte ist enttäuscht, auch ein bisschen traurig. Welche langfristigen Auswirkungen das haben wird, werden wir sehen. Ich persönlich glaube, dass es kaum Auswirkungen hat. Es ist zum Beispiel auch eine bewusste Entscheidung, dass wir unseren Twitter-Account offenhalten und darüber auch regelmäßig und doch sehr häufig auch Infos verbreiten. Denn der wird erstens sehr gut angenommen und zweitens ist es für uns auch tatsächlich die Möglichkeit, schnell kleine Meldungen, ohne dass die groß redaktionell aufbereitet werden müssen, zu verbreiten.
    Kloiber: Netzaktivisten fordern ja, dass man auch Facebook-Alternativen bespielen sollte, die es ja mittlerweile gibt: Soziale-Medien-Plattformen, die eben halt nicht von einem Konzern zentral gesteuert sind - werden Sie dorthin ausweichen?
    Federrath: Mir fallen da im Moment leider noch keine guten Alternativen ein. Also ich kann mir alles Mögliche ausdenken als Informatiker, als Journalist, als Aktivist. Aber wir wollen ja letztendlich die Menschen erreichen, das heißt, die müssen da lesen. Und zwar ist der Trend da, weniger E-Mail zu benutzen, weniger auf Webseiten zu gucken, sondern eben mehr in Facebook - und ähnlichen Kanälen letztendlich auch Informationen zu konsumieren. Und wenn wir das Nutzerverhalten besser verstanden haben, dass dann eben jetzt in der, ich nenne es mal "Post-Facebook-Zeit" eintreten wird, dann werden wir sicherlich auch neu nachdenken, welche Kanäle wir nutzen. Derzeit sehe ich eigentlich keine Alternative zu ganz normalem Web, also Surfen im Internet und eben beispielsweise einem Newsletter, den wir anbieten auch schon seit vielen Jahren, und der sehr, sehr gut angenommen wird.
    Facebook-Abschied soll Signalwirkung haben
    Kloiber: Versteht die GI ihre Entscheidung als politisches Statement?
    Federrath: Selbstverständlich. Wir sind im politischen Raum sehr aktiv, werden dort als unabhängig und produktneutral wahrgenommen, und dementsprechend ist es für uns eben auch wichtig, dass mit einer solchen Entscheidung durchaus auch eine politische Dimension verbunden ist - ohne dass ich die überproblematisieren möchte.
    Kloiber: Die Gesellschaft für Informatik schaltet ihre Facebook-Kanäle ab - das war Professor Hannes Federrath. Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.