Sandra Pfister: Muss der Ausweis wissenschaftlicher Meriten unbedingt auch im Ausweis auftauchen? Mit anderen Worten: Gehört der Doktortitel in den Pass? Seit die ein oder andere Politikerpromotion sich als Türschildforschung entpuppt hat, die nur dazu dient, Lebenslauf und eben ein Türschild zu schmücken, seither steht das wieder verschärft infrage. Jetzt haben die Grünen diese Frage in einen Gesetzentwurf gegossen beziehungsweise die Antwort: Sie wollen, dass der Doktor gar nicht mehr in Ausweis oder Pass eingetragen wird. Krista Sager, Sie sind die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen. Nun bekommen ja 25.000 Deutsche jährlich den Doktortitel verliehen, also der Titel wird inflationär vergeben. Kann man den Deutschen nicht langsam zutrauen, dass sie nicht mehr vor Ehrfurcht vor jedem Doktortitel in den Staub sinken?
Krista Sager: Also ich glaube, in einer demokratischen Gesellschaft kann man das den Menschen insgesamt zugestehen, dass sie da ein eher nüchternes Verhältnis zu haben. Und auf der anderen Seite wissen sie aber auch, dass die deutsche Promotion international ein sehr hohes Ansehen genießt, und dieses hohe Ansehen im Wissenschaftsbereich, das müssen wir unbedingt erhalten. Und gleichzeitig ist es doch so, dass es in einer demokratischen Gesellschaft überhaupt keinen Sinn macht, an Traditionen festzuhalten, die so tun, als sei es mehr als ein wissenschaftlicher Qualifikationsnachweis, sondern so eine Art Ehrentitel oder eine Art kleiner bürgerlicher Adelstitel, wie es Professor Hornbostel in einem Fachgespräch bei uns im Ausschuss im Bundestag mal bezeichnet hat. Und zu diesen Missverständnissen, dass es eigentlich um etwas anderes geht als ein wissenschaftlicher Qualifikationsnachweis, trägt diese Eintragung in den Personalausweis natürlich auch ein Stück weit dazu bei, und gleichzeitig ist es überflüssige Bürokratie, es ist ein Aufwand für die Behörden. Deswegen hat Wolfgang Schäuble ja auch schon mal als Bundesinnenminister 2007 versucht, diese Eintragungspraxis zu verändern, und ich finde es schade, dass er damit nicht durchgekommen ist.
Pfister: Ja, damals hat ihm Dr. Günther Beckstein erheblich das Leben schwer gemacht. Wie sehen Sie die Chancen, dass es diesmal klappt?
Sager: Ich glaube nicht, dass die Regierungskoalitionen schon so weit sind, weil sie offensichtlich untereinander da auch Streit haben und sich, seitdem Dr. Schäuble und Dr. Beckstein sich darüber gestritten haben, sich offensichtlich auch mit dem Thema nicht weiter beschäftigt haben und da auch in ihrer Diskussion nicht weitergekommen sind. Aber wir haben jetzt schon eine etwas andere Situation, weil nicht nur aus den Behörden und aus dem Bundesinnenministerium darauf hingewiesen wird, dass es auch schwieriger geworden ist, diese bürokratischen Prüfungen zu machen, weil ja auch viele Deutsche inzwischen einen ausländischen Abschluss im Ausland machen und dann hinterher gerne möchten, dass der als Dr. eingetragen wird in ihrem deutschen Personaldokument, und die Gleichwertigkeitsprüfung, die macht aber keine Wissenschaftsbehörde und kein Kultusministerium mehr, da sitzen die Passbehörden dann alleine mit da, sondern es ist inzwischen auch so, dass aus dem Wissenschaftsbereich selber es eine kritische Diskussion gibt, die sagt: Diese gesellschaftliche Überhöhung, die tut eigentlich der wissenschaftlichen Bedeutung der Promotion auch gar nicht gut.
Pfister: Aber gleichwohl: Glauben Sie nicht, dass es eine Illusion ist, zu glauben, dass, nur weil der Doktor da nicht mehr im Pass steht, dass es weniger Türschildpromotionen geben wird, die dann nur als Karrierebeschleuniger wirken sollen?
Sager: Also ich glaube auch nicht, dass die Dinge so schlicht und linear sind. Es wird sicher nicht so sein, wenn es diese Eintragung nicht mehr gibt, dann will keiner mehr, sage ich mal jetzt in Anführungsstrichen, wie Prof. Fritz Strack das genannt hat, also ein Sozialpsychologe aus der Uni Würzburg, ... Der hat von Eitelkeitspromotion gesprochen, und ich glaube nicht, dass die Eitelkeitspromotionen von heute auf morgen verschwinden, wenn es diese Eintragung nicht mehr gibt. Das ist nicht der lineare Zusammenhang. Aber es ist zweifellos so, dass diese Eintragungspraxis dazu beiträgt, dass dieses Missverständnis erhalten bleibt, es ginge um einen Namensbestandteil oder einen Titel oder eben mehr als einen wissenschaftlichen Qualifikationsnachweis. Und da könnte der Staat schon ein Zeichen setzen, dass er sich nicht dran beteiligt, diese Missverständnisse weiter aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Und das würde dann möglicherweise die gesellschaftliche Diskussion ja auch ein Stück weiterbringen. Und darum geht es ja auch, dass man in der Gesellschaft sagt: Ist das eigentlich sinnvoll, dass wir so tun, als würde hier nicht die Qualifikation einer Person besonders gewertschätzt durch den Nachweis eben, dass diese Person auch zur wissenschaftlichen Arbeit in der Lage ist, sondern hier gibt es so eine Art Ehrentitel? Das wäre ganz gut, wenn wir das zurückdrängen könnten.
Pfister: Danke, Frau Sager! Krista Sager, die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, die Grünen haben nämlich gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt, der darauf abzielt, den Doktorgrad nicht mehr in den Personalausweis einzutragen, wie das seit 1988 möglich ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Krista Sager: Also ich glaube, in einer demokratischen Gesellschaft kann man das den Menschen insgesamt zugestehen, dass sie da ein eher nüchternes Verhältnis zu haben. Und auf der anderen Seite wissen sie aber auch, dass die deutsche Promotion international ein sehr hohes Ansehen genießt, und dieses hohe Ansehen im Wissenschaftsbereich, das müssen wir unbedingt erhalten. Und gleichzeitig ist es doch so, dass es in einer demokratischen Gesellschaft überhaupt keinen Sinn macht, an Traditionen festzuhalten, die so tun, als sei es mehr als ein wissenschaftlicher Qualifikationsnachweis, sondern so eine Art Ehrentitel oder eine Art kleiner bürgerlicher Adelstitel, wie es Professor Hornbostel in einem Fachgespräch bei uns im Ausschuss im Bundestag mal bezeichnet hat. Und zu diesen Missverständnissen, dass es eigentlich um etwas anderes geht als ein wissenschaftlicher Qualifikationsnachweis, trägt diese Eintragung in den Personalausweis natürlich auch ein Stück weit dazu bei, und gleichzeitig ist es überflüssige Bürokratie, es ist ein Aufwand für die Behörden. Deswegen hat Wolfgang Schäuble ja auch schon mal als Bundesinnenminister 2007 versucht, diese Eintragungspraxis zu verändern, und ich finde es schade, dass er damit nicht durchgekommen ist.
Pfister: Ja, damals hat ihm Dr. Günther Beckstein erheblich das Leben schwer gemacht. Wie sehen Sie die Chancen, dass es diesmal klappt?
Sager: Ich glaube nicht, dass die Regierungskoalitionen schon so weit sind, weil sie offensichtlich untereinander da auch Streit haben und sich, seitdem Dr. Schäuble und Dr. Beckstein sich darüber gestritten haben, sich offensichtlich auch mit dem Thema nicht weiter beschäftigt haben und da auch in ihrer Diskussion nicht weitergekommen sind. Aber wir haben jetzt schon eine etwas andere Situation, weil nicht nur aus den Behörden und aus dem Bundesinnenministerium darauf hingewiesen wird, dass es auch schwieriger geworden ist, diese bürokratischen Prüfungen zu machen, weil ja auch viele Deutsche inzwischen einen ausländischen Abschluss im Ausland machen und dann hinterher gerne möchten, dass der als Dr. eingetragen wird in ihrem deutschen Personaldokument, und die Gleichwertigkeitsprüfung, die macht aber keine Wissenschaftsbehörde und kein Kultusministerium mehr, da sitzen die Passbehörden dann alleine mit da, sondern es ist inzwischen auch so, dass aus dem Wissenschaftsbereich selber es eine kritische Diskussion gibt, die sagt: Diese gesellschaftliche Überhöhung, die tut eigentlich der wissenschaftlichen Bedeutung der Promotion auch gar nicht gut.
Pfister: Aber gleichwohl: Glauben Sie nicht, dass es eine Illusion ist, zu glauben, dass, nur weil der Doktor da nicht mehr im Pass steht, dass es weniger Türschildpromotionen geben wird, die dann nur als Karrierebeschleuniger wirken sollen?
Sager: Also ich glaube auch nicht, dass die Dinge so schlicht und linear sind. Es wird sicher nicht so sein, wenn es diese Eintragung nicht mehr gibt, dann will keiner mehr, sage ich mal jetzt in Anführungsstrichen, wie Prof. Fritz Strack das genannt hat, also ein Sozialpsychologe aus der Uni Würzburg, ... Der hat von Eitelkeitspromotion gesprochen, und ich glaube nicht, dass die Eitelkeitspromotionen von heute auf morgen verschwinden, wenn es diese Eintragung nicht mehr gibt. Das ist nicht der lineare Zusammenhang. Aber es ist zweifellos so, dass diese Eintragungspraxis dazu beiträgt, dass dieses Missverständnis erhalten bleibt, es ginge um einen Namensbestandteil oder einen Titel oder eben mehr als einen wissenschaftlichen Qualifikationsnachweis. Und da könnte der Staat schon ein Zeichen setzen, dass er sich nicht dran beteiligt, diese Missverständnisse weiter aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Und das würde dann möglicherweise die gesellschaftliche Diskussion ja auch ein Stück weiterbringen. Und darum geht es ja auch, dass man in der Gesellschaft sagt: Ist das eigentlich sinnvoll, dass wir so tun, als würde hier nicht die Qualifikation einer Person besonders gewertschätzt durch den Nachweis eben, dass diese Person auch zur wissenschaftlichen Arbeit in der Lage ist, sondern hier gibt es so eine Art Ehrentitel? Das wäre ganz gut, wenn wir das zurückdrängen könnten.
Pfister: Danke, Frau Sager! Krista Sager, die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, die Grünen haben nämlich gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt, der darauf abzielt, den Doktorgrad nicht mehr in den Personalausweis einzutragen, wie das seit 1988 möglich ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.