Normalerweise gibt es in der Straßenverkehrsordnung nur kleinere Änderungen. Doch heute, da gab es etwas größeres – und wie groß, das versucht der Minister für Verkehr und Digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt, CSU im Bundestag zu erläutern:
"Jetzt geht es darum, dass wir den Weg freimachen für die rechtlichen Voraussetzungen des automatisierten Fahrens. Wir schaffen mit der heutigen Entscheidung das modernste Straßenverkehrsrecht der Welt, wir schaffen eine rechtliche Gleichstellung zwischen dem Menschen als Fahrer und dem Computer als Fahrer."
Hörbar stolz ist Alexander Dobrindt darauf, der Verkehrsminister des Autolandes Nummer 1, wie er Deutschland nennt. Es geht für den CSU-Politiker auch um nicht weniger als die Frage, ob Deutschland Autoherstellerland bleiben kann – dafür würden nun die Voraussetzungen geschaffen.
Streit über Haftungsfragen
Einer der Hauptstreitpunkte für das automatisierte Fahren scheint mit dem Gesetz nun vorerst entschieden:
"Die Haftungsfragen sind ebenfalls geklärt in unserem Gesetz, weil: Wenn der automatisierte Modus das Fahrzeug steuert, dann ist klar, dass die Haftung beim Hersteller liegt und nicht beim Mensch, der im Fahrzeug sitzt."
Der Linken-Politiker Herbert Behrens sieht das ganz anders und das neue Gesetz überaus kritisch:
"Ich hab den Eindruck, hier werden die Autofahrerinnen und Autofahrer zu Versuchskaninchen gemacht."
Die Haftungsfragen seien keineswegs klar geregelt, so Behrens.
"Es geht nicht darum, eine moderne Mobilität, eine moderne Verkehrspolitik hier auf den Weg zu bringen, sondern es geht darum, ein neues Geschäftsfeld für die Automobilindustrie in Deutschland zu entwickeln. Das beides passt nun wirklich nicht zusammen, wenn wir darüber nachdenken, ein sicheres Verkehrssystem zu haben, nicht nur für die Leute, die hinter dem Lenkrad sitzen oder künftig eben nicht mehr hinter dem Lenkrad sitzen sollen und denen, die sich auf der Straße bewegen."
Ein Schritt hin zum autonomen Fahren
Auch die vorgeschriebene sechsmonatige Kompletterfassung relevanter Daten mittels Blackbox in automatisierten Fahrzeugen ist für ihn wie auch für die Grünen so nicht akzeptabel – Kritik, die auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff formuliert hatte.
Kirsten Lühmann von der SPD stellt die Vorzüge von automatisierten Systemen ins Zentrum, weniger Verkehrstote und Verletzte seien dadurch möglich - und:
"Wer freut sich nicht darüber, wenn man zum Beispiel die komplette Fahrzeugsteuerung auf einer monotonen Autobahnfahrt an das Auto übergeben kann. Und weitere Vorteile sind die bessere Auslastung von Verkehrsinfrastrukturen und die Einsparung von CO2-Emmissionen. Und wenn viele Kollegen es nicht wahrhaben wollen: Die Technik fährt nun einmal sicherer als der Mensch – auch als der Mann."
Autonomes Fahren, also dass Fahrzeuge auch ganz ohne menschliche Einwirkungsmöglichkeit unterwegs sind, wird mit dem heutigen Gesetz noch nicht erlaubt, aber ein maßgeblicher Schritt unternommen. Komplett abgelenkt dürfen Fahrer aber auch mit der heutigen Gesetzesänderung nicht sein – "wahrnehmungsbereit" heißt das im Gesetz.
Ethikkommission soll Leitlinien entwickeln
Der Grünen-Abgeordnete Stefan Kühn sieht auch deshalb weiterhin viele offene Fragen:
"Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden Sie mit diesem Gesetz nicht vom hoch- und vollautomatisierten Fahren überzeugen. Der Automobilindustrie tun sie mit Sicherheit auch keinen Gefallen, wenn die Hersteller dann auf ihren Produkten sitzenbleiben."
Die Frage, wie automatisierte Fahrzeuge in schwierigen Situationen entscheiden, ist bislang nicht vollständig beantwortet. Dafür soll noch bis zum Sommer eine vom Verkehrsministerium eingerichtete Ethikkommission Leitlinien vorstellen – dass auf deren Ergebnisse nun nicht gewartet wurde, kritisiert die Opposition.