Archiv

Gesetzentwurf
Bessere Löhne in der Pflege

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Verbesserungsvorschläge für das Pflegesystem vorgelegt. Sie sehen einen Tarifvertrag oder einheitliche Mindestlöhne vor. Einen Plan zur Finanzierung des Vorhabens enthält der Gesetzesentwurf allerdings nicht.

Von Mathias von Lieben |
Ein Krankenpfleger bereitet eine Infusion vor
Nicht nur mehr, sondern auch gerechter verteilt: Ost und West sollen nach Heils Vorschlag den gleichen Lohn in der Pflege erhalten. (Kristin Bethge/dpa)
Der Entwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil eröffnet zwei Möglichkeiten, die zu höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen führen sollen. Möglichkeit eins: die Einführung eines flächendeckenden und allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für die gesamte Branche. Sollten Gewerkschaften und Arbeitgeber sich nicht auf einen Tarifvertrag einigen können, soll eine von der Regierung eingesetzte Pflegekommission, Möglichkeit zwei, Lohnuntergrenzen für einen Pflege-Mindestlohn vorschlagen, der mit mehreren Stufen ausgehandelt werden soll - etwa eine für Hilfskräfte und eine für ausgebildete Fachkräfte.
Wir müssen den Pflegeberuf jedenfalls stärken, machte Heil am Vormittag deutlich: "Es geht um Fachkräfte aber vor allem um Menschen in der Pflege, die sich bessere Löhne verdient haben. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir als Gemeinschaft schultern müssen. Aber ich sage noch mal, diese Generationenaufgabe Pflege ist eine, die dieser Gesellschaft was wert sein muss."
40.000 Stellen unbesetzt
Aktuell gilt im Westen und Berlin ein Mindestlohn von 11,05 Euro pro Stunde, im Osten liegt er bei 10,55 Euro. Künftig sollen Pfleger und Pflegerinnen in Ost und West den gleichen Lohn erhalten, um den Beruf dauerhaft attraktiv zu gestalten. Denn: Fast 40.000 Stellen sind derzeit unbesetzt. Wie die höheren Löhne finanziert werden sollen - das Arbeitsministerium kalkuliert mit zwei bis fünf Milliarden Euro Mehrkosten - das lässt der Gesetzentwurf offen. Die Bundesregierung gehe aber davon aus, dass eine "weiter verbesserte Finanzausstattung der Pflegeversicherung erforderlich" werde. Das Gesetz muss noch durch Bundestag und Bundesrat, in Kraft treten soll es zum Jahresende.
Sozialdemokrat Heil favorisiert Möglichkeit eins: einen flächendeckenden Tarifvertrag. Dagegen wehren sich die privaten Pflege-Anbieter vehement. Überflüssig sei der Gesetzentwurf, rückwärtsgewandt und reine Symbolpolitik, polterte der frühere FDP Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, heute Verbandspräsident der privaten Pflegeheimbetreiber.
Pflegeplätze - 400 Euro teurer?
Arbeitsminister Heil wies Brüderles Kritik forsch zurück: "Die Art und Weise, wie das gemacht wird, ist ein Schlag ins Gesicht vieler Pflegender. Man kann mit Menschen so nicht umgehen. Und wer nicht begreift, dass wir besser bezahlen müssen. Wer glaubt, dass wir allein mit Zuwanderung das Problem lösen, der hat, glaube ich, in der Pflege nicht viel begriffen."
Große Zustimmung kommt hingegen von den Gewerkschaften. Klar müssen die Löhne steigen, sagte auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, gegenüber unserem Hauptstadtstudio:
"Aber das Vorgehen der Bundesregierung ist unverantwortlich. Denn der Gesetzentwurf lässt offen, wer das alles zahlen soll."
Brysch rechnet vor: Jeder Pflegeplatz würde mit dem Vorschlag von Heil um circa 400 Euro teurer werden, die Leistungen aus der Pflegeversicherungen seien jedoch gedeckelt. Und da bereits heute mehr als 300.000 Bewohner von Pflegeheimen auf Sozialhilfe angewiesen sind, werde sich die Situation laut Brysch verschärfen:
Politische Versäumnisse?
"Und da ist sowohl Herr Heil als auch Herr Spahn gefordert. Denn Herr Spahn macht die Pflegepolitik, wenn es um die Finanzierung der Pflegeversicherung geht. Er ignoriert auch hier weiterhin, wie auch der Arbeitsminister, die Sorgen der Pflegebedürftigen."
Auch aus der Opposition kommt Kritik: Die Bundesregierung kapituliere vor den politischen Versäumnissen der Vergangenheit, heißt es von Grünen. Und die Links-Fraktion warnt: Die Kosten für höhere Löhne dürfen nicht auf die Menschen mit Pflegebedarf abgewälzt werden.