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Gesetzentwurf für Mindestlohn gescheitert

Union und FDP wollen keinen Mindestlohn. Die Koalition stimmte im Bundestag mit Mehrheit gegen die Einführung eines gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohns ab. Die Sozialdemokraten wollten mit dem Antrag eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro erwirken.

Von Andreas Baum |
    Erwartungsgemäß ist es den Oppositionsparteien im Bundestag nicht gelungen, ihre Gesetzentwürfe zu einem flächendeckenden Mindestlohn zu verabschieden. Die Koalition aus Union und FDP stimmte mit ihrer Mehrheit dagegen. Dabei geht es bei der Einführung eines Mindestlohnes nicht mehr um das Ob, sondern um das wie – und das wie viel. Die Sozialdemokraten wollen eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro erwirken. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt, wichtig sei vor allem, dass Menschen, die Vollzeit arbeiten, der Gang zum Sozialamt erspart bleibt.

    "Es geht um die Würde der Arbeit und darum, dass sich Leistung lohnen muss. Und jeder Lohn, der das nicht gewährleistet, ist kein wirklicher Mindestlohn und das muss die CDU/CSU und die FDP verstehen, denn nur dadurch ermöglichen wir doch, dass sich die Anstrengung von Menschen lohnt."

    Die Linkspartei hat im Bundestag mit der SPD gestimmt, obwohl ihr Entwurf einen Mindestlohn von zehn Euro vorsieht. Fraktionschef Gregor Gysi räumt ein, dass der Staat bei dieser Lohnhöhe in bestimmten Branchen den Arbeitgebern helfen muss, genannt seien nur das Friseur- oder das Bäckereihandwerk, denn deren Produktivität läge dann in weiten Teilen Deutschlands unter dem Mindestlohn.

    "Erstens werden wir in Übergangszeiten vielleicht bestimmten Unternehmen auch helfen müssen, das ist wahr. Aber wir brauchen doch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, mit dem man vor Altersarmut geschützt wird."

    Selbst die Bundesregierung rechnet vor, dass es unter einem Stundenlohn von 9,70 Euro nicht möglich ist, eine Rente zu erarbeiten, die über der Grundsicherung liegt. Die CDU ist seit November vergangenen Jahres zwar auch für eine gesetzliche Lohnuntergrenze, hat die Höhe aber offen gelassen. Die Tarifparteien sollen sie aushandeln. Weshalb Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, SPD, Grünen und Linkspartei im Bundestag vorwirft, kein Vertrauen in die Weisheit der Tarifpartner zu zeigen.

    "Warum soll eigentlich noch ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin einer Gewerkschaft beitreten? Warum soll ein Unternehmen einem Arbeitgeberverband beitreten, wenn die Tarifpolitik in Wirklichkeit im Parlament und bei der Bundesregierung gemacht wird und der Beitritt zu einer Gewerkschaft oder einer Arbeitgeberverband für die Tarifgestaltung überhaupt keine Bedeutung mehr hat?"

    Die FDP steht einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ganz ablehnend gegenüber. Solange die Liberalen mitregieren, werden die Pläne der Sozialdemokraten Wunschdenken bleiben, sagt der FDP-Sozialpolitiker Heinrich Kolb, zumal sie seiner Ansicht nach ohnehin auf falschen Annahmen beruhen.

    "Sie haben in Ihrem Antrag von Februar 2011 noch davor gewarnt, dass eine Invasion von Arbeitnehmern aus Osteuropa nach Deutschland unmittelbar bevorstünde. Die Entwicklung des letzten Jahres zeigt, dass genau dieses nicht eingetreten ist, und da hätte ich schon von Ihnen erwartet, dass Sie sagen, jedenfalls das taugt zur Begründung eines Mindestlohnes in Deutschland nicht mehr."

    Dass das Interesse der Bundesregierung am Mindestlohn nur mäßig ist, zeigt auch der Umstand, dass die zuständige Ministerin, Ursula von der Leyen, der Aussprache fernblieb. Vergeblich verlangte die Linksfraktion, sie in den Bundestag zu bestellen. Bei einem sogenannten Hammelsprung votierten 138 Abgeordnete dafür, 190 dagegen. Die Arbeitsministerin ließ sich von ihrem Parlamentarischen Staatssekretär Ralf Brauksiepe vertreten, der allerdings schwieg und nicht in die Debatte eingriff.