Die Vertreter der Oberlandesgerichte haben sich eindeutig positioniert, sie sind gegen eine Öffnung der Gerichtssäle für Kameras. Zwar sind sie der Auffassung, dass Bundes-Justizminister Heiko Maas bei der beabsichtigten Öffnung behutsam und mit Augenmaß vorgeht, aber sie handeln nach der Devise: Wehret den Anfängen. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte hegen die Befürchtung, dass sich das Interesse einer medialen Öffentlichkeit nur schwer begrenzen lässt, sondern nach immer mehr Zugeständnissen verlangt, deshalb seien die Richter gegen eine Öffnung der Gerichtssäle, sagt der Frankfurter OLG-Präsident, Roman Poseck.
"Wir würden die Tür gerne geschlossen halten, weil wir die Gefahr sehen, dass dann, wenn wir die Tür öffnen, sie nach und nach weiter geöffnet werden wird und wir sehen hier schon die Gefahr eines Dammbruchs."
Juristen fürchten Kontrollverlust
Die vom Justizminister ins Auge gefassten Änderungen umfassen im Wesentlichen drei Punkte. Nach dem Vorbild des Bundesverfassungsgerichts sollen Urteile künftig in Bild und Ton aufgezeichnet und in Hörfunk und Fernsehsendungen ausgestrahlt werden dürfen. Zum zweiten sollen zumindest Tonaufnahmen in einen Nebenraum übertragen werden dürfen, um es Medienvertretern, die im Gerichtsaal keinen Platz finden, zu ermöglichen, den Prozess zu verfolgen. An dieser Stelle fürchten die Juristen einen Kontrollverlust, weil in der Praxis nicht sichergestellt werden könne, was mit diesen Aufnahmen geschieht, argumentiert Roman Poseck.
"Bei Übertragungen sehen wir erheblich Risiken, die darin bestehen können, dass es Aufzeichnungen gibt, die ins Internet gestellt werden können und dass kann dann nachteilige Folgen für die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten haben und die müssen wir als Richterinnen und Richter ganz besonders im Blick haben."
In anderen europäischen Ländern sind Übertragungen in eigens dafür vorgesehene Hörsäle gang und gäbe und an diesem Punkt dürften Richter, Staatsanwälte und Verteidiger im Verlauf der Erörterung des Gesetzentwurfs sicher mit sich reden lassen. Höchst umstritten ist hingegen Punkt drei des Entwurfs. Er sieht eine Aufzeichnung des Geschehens aus dem Gerichtssaal vor, sofern das Verfahren eine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung hat. Nach Auffassung der Präsidentin des Bundesgerichtshofes, Bettina Limperg, sollten auch künftig weder in großen Strafprozessen der Landgerichte noch in den Verhandlungen vor den Oberlandesgerichten Kameras mitlaufen, weil diese die Wahrheitsfindung erschwerten.
"Menschen vor Kameras können sich verändern, es gibt Menschen, die keine Erfahrungen mit Kameras haben, die könnten eingeschüchtert sein, die könnten große Augen machen und nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen. Es gibt andere, die die Kameras vielleicht suchen, auch das keine Beeinflussung des Prozesses darstellen."
Öffentliches Interesse und Persönlichkeitsrechte der Angeklagten
Ob ein Prozess aufgezeichnet oder Tondokumente übertragen werden, soll nach dem Willen des Bundesjustizministers in das Ermessen des jeweiligen Richters gestellt werden. Das öffentliche Interesse auf der einen und die Persönlichkeitsrechte der Angeklagten auf der anderen Seite müssten im jeweiligen Einzelfall immer wieder auf’s Neue gegeneinander abgewogen werden. Sagt ein Gericht nein, bleibt es beim Nein. Mehr Öffentlichkeit erzwingen lässt sich in diesen Fällen nicht. Roman Poseck:
"Die Sensibilität des gesamten Komplexes wird, glaube ich, genau an dieser Stelle auch deutlich und deshalb ziehen wir daraus den Schluss gar keine Öffnung vorzunehmen."
Bundesjustizminister Maas ist dagegen überzeugt, dass Bilder aus dem Gerichtssaal, dazu beitragen, die Transparenz zu erhöhen und die gesellschaftliche Akzeptanz der Justiz in der Gesellschaft zu festigen.