Seit vorgestern ist sie also Pflicht - die elektronische Gesundheitskarte, die die alte Versicherungskarte ablöst. In der Branche und auch bei staatlichen Institutionen geht man davon aus, dass rund 95 Prozent der rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten - und um die allein geht es - die neue Karte bereits haben. Wer sie noch nicht besitzt, sollte aktiv werden und sie anfordern - sagt Alisa Kostenow, Gesundheitsexpertin bei der Stiftung Warentest.
"Der Arzt wird niemanden abweisen und es gibt jetzt auch eine Übergangsregelung. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat sich mit den Ärzten verständigt, dass die alten Karten für eine gewisse Übergangsfrist noch ihre Gültigkeit behalten. Nichtsdestotrotz kann es aber auch sein, dass der Arzt dann privat abrechnet - wenn beispielsweise jemand kommt, ohne einen Nachweis über seine Krankenversicherung zu erbringen. Und dann kann es teuer werden."
Noch bis zum Oktober können die Ärzte mit der alten Karte arbeiten und auch abrechnen - doch es wird umständlicher, da Patienten in Zweifelsfällen innerhalb von 10 Tagen nach der Behandlung einen gültigen Versicherungsnachweis einreichen müssen.
Im Grunde ist die elektronische Gesundheitskarte eine Karte der Zukunft, denn bislang sind hier nur die sogenannten Stammdaten gespeichert: Name, Wohnort, Geburtsdatum und die Versicherungsnummer. Künftig, ein genaueren Zeitplan gibt es noch nicht, sollen aber andere Daten hinzukommen - Patientendaten: Etwa die Blutgruppe oder Allergien, aber auch Kennzeichen zur Organspende-Bereitschaft oder Informationen über den Zuzahlungsstatus des jeweiligen Versicherten.
In diesen künftigen Daten sehen Experten vor allem medizinische Vorteile - Angelika Prehn ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin. Sie hält es für sinnvoll, dass später aber allein der Patient darüber entscheiden soll, was für Informationen auf der Karte gespeichert sein sollen.
"Wenn ein Mensch beispielsweise psychisch krank ist, kann man sich vorstellen, dass er nicht möchte, dass dies gleich jeder weiß. Vielleicht haben ja dann auch die Versicherungen Zugriff - somit darf er auch Nein sagen. Das finde ich richtig. Andererseits gibt es auch andere wichtige Aspekte: Wenn jemand zuckerkrank ist, Diabetiker ist - wenn dieser Patient dann in einen Notfall verwickelt wird, kann beim Durchziehen der Karte sofort gesehen werden, dieser Mensch ist insulinpflichtig. Da kann dann deutlich schneller geholfen werden."
Um Missbrauchsfällen vorzubeugen, ist die neue, elektronische Gesundheitskarte auch mit einem Lichtbild des Versicherten versehen. Zudem sind auf der Rückseite wichtige Informationen über die Behandlung im europäischen Ausland verzeichnet. Auch dies hält Angelika Prehn von der Kassenärztlichen Vereinigung für einen Fortschritt.
"Sie können zum Beispiel in europäischen Ländern mit dieser Karte zum Arzt oder auch in das Krankenhaus gehen. Wenn sie zum Beispiel nach England fahren, dort erkranken, dann müssen sie kein Geld mehr bezahlen. Das machen die Kassen und auch die Länder untereinander aus."
Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte hat bislang mehr als 700 Millionen Euro gekostet. Die Politik wollte die Karte schon länger, erste Feldversuche gab es bereits vor zehn Jahren. Doch erst vor zwei Jahren machte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung mehr Druck. Geblieben sind bis heute Bedenken von Datenschützern. Ist die Karte wirklich sicher? Wie gläsern könnte letztendlich der Patient dastehen? Die Befürworter verweisen auf eine spezielle Verschlüsselungstechnologie. Doch angesichts der jüngsten Daten- und Abhörskandale dürfte die Skepsis wohl noch etwas gestiegen sein. Alisa Kostenow von der Stiftung Warentest äußert sich ebenfalls noch etwas zurückhaltend.
"Da ist natürlich immer ein Risiko, wenn etwas elektronisch gespeichert wird. Wie sicher die Daten sind, muss man abwarten. Vor allem - nachdem es geprüft wurde - wie es denn in der Praxis funktioniert."