Peter Kapern: Gestern hat in Bad Dürkheim der Deutsche Bauerntag begonnen. Früher war das ja eine Großveranstaltung, die landesweit beachtet und häufig von massiven Protesten begleitet wurde. Heute scheinen die Bauern weitgehend zufrieden zu sein. Die Ernte dieses Jahr ist gut, die allgemeine Geschäftslage auch. Und doch wird Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, wenn er heute vor den Bauernfunktionären redet, einige brisante Themen im Gepäck haben: Das Freihandelsabkommen mit den USA und die Gentechnik etwa und vor allem den Mindestlohn, der – so sagen die Bauern – für steigende Preise bei Erdbeeren und Spargel sorgen wird. Gibt es also einen Mindestlohnrabatt für Bauern? Das hat mein Kollege Dirk Müller gestern Abend den Minister gefragt.
Christian Schmidt: Ich habe den Rabatt nicht im Gepäck. Den müssen die Tarifvertragsparteien aushandeln. Aber wenn die einen aushandeln für die nächsten zwei Jahre, dann gibt es Rabatt im Sinne eines leichten, sanften Anstiegs auf 8,50 bis zum 1. Januar 2017.
Dirk Müller: Der Rabatt ist, dass der volle Mindestlohn nicht gleich sofort kommt?
Schmidt: Genau.
Müller: Und wenn Spargel gestochen wird, wenn Erdbeeren gepflückt werden, dann kostet das demnächst 8,50 Euro?
Schmidt: Dann wird man sehen - das ist der zweite Punkt -, ob wir für die Saison-Arbeitskräfte Ausnahmeregelungen noch finden können, zeitlich begrenzt oder unbegrenzt, in welchem rechtlich sicheren Rahmen. Die Verhandlungen sind auf parlamentarischer Ebene da sehr intensiv.
Müller: Konnten Sie das nicht vorher klären? Es war ja genügend Zeit.
Schmidt: Das ist keine Frage der Zeit, sondern das ist eine Frage des Respekts vor dem Parlament auch. Das sind Dinge, die jetzt in der nächsten Woche endgültig geklärt werden. Die Modelle, die Überlegungen, die sowohl von meiner Seite kommen, auch abgestimmt mit dem Bundesarbeitsministerium, also mit der Kollegin Nahles, als auch aus dem Parlament, als auch vom Verband beziehungsweise den Betroffenen, die sind schon da und die müssen gewogen werden und da gibt es auch eine Reihe von rechtlichen Fragen, zum Beispiel europarechtliche, tarifvertragsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche Fragen, und da sind wir kräftig dran.
Müller: Das hört sich jetzt kompliziert an.
Schmidt: Das ist kompliziert! Das ist kompliziert. So einfach ist das nicht!
Müller: Aber Sie machen einen flächendeckenden Mindestlohn, sagen, die Bauern müssen demnächst für das, was sie bezahlen, 8,50 Euro bezahlen, und behaupten auf der anderen Seite dann auch, dass das wirtschaftlich zu verkraften ist. Ist das so?
"Wirtschaftliche Schwierigkeiten"
Schmidt: Wir hatten vereinbart, dass wir einen flächendeckenden Mindestlohn haben und machen. Ich will durchaus nicht verhehlen, dass es Bereiche gibt, bei denen das wirtschaftliche Schwierigkeiten aufwerfen kann. Auch das haben wir in der Diskussion erörtert und wir haben uns dann in der Koalition dazu vereinbart. Sie wissen, dass wir und gerade ich in meiner jetzigen Rolle als Landwirtschaftsminister und für Ernährung zuständig natürlich auch um den Bereich mich kümmern muss, und da muss ich sagen, Vorsicht, es gibt einige Bereiche, bei denen – Sie haben den Spargel genannt; ich nenne noch Obst, Erdbeeren, sonstige Saison-Arbeitsbereiche -, wo das schon haarig werden kann.
Müller: Reden wir, Herr Schmidt, über noch einen kritischen Punkt: Freihandelsabkommen. Auch da sind die deutschen Landwirte beunruhigt, weil sie davon ausgehen, wenn es zu einem Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten kommen sollte, dann werden viele Produkte zu sehr geringen Preisen auf den europäischen Markt kommen, die dann wiederum von den europäischen, von den deutschen Landwirten im Wettbewerb dementsprechend nicht gekontert werden können. Wie groß ist da die Gefahr?
Schmidt: Ich würde da mal die Angst vor dem Wettbewerb nicht zu hoch setzen. Es muss ein fairer Wettbewerb sein und dafür müssen wir auch mit Standards sorgen, mit Standards der Lebensmittelsicherheit, auch mit Standards der Verlässlichkeit, der Qualität der Lebensmittel, und da will ich mal schon sehr sagen, dass die Europäer, ich glaube, gut mithalten können.
Müller: Aber die Cornflakes in den USA sind billiger als in Deutschland?
Schmidt: Das ist eine Frage der Cornflakes-Herstellung und der Produktion und derer, die sie vertreiben. Ich glaube nicht, dass wir mit Protektionismus weiterkommen, sondern will nur darauf hinweisen, dass bereits jetzt die europäischen Ernährungsunternehmen und die Landwirte ziemlich viel in die USA exportieren, in Milliardenhöhe pro Jahr. Käse können die Amis nicht zum Beispiel.
"Wettbewerb ist auch eine Herausforderung"
Müller: Der ist auch dementsprechend teuer in den Vereinigten Staaten, jedenfalls der europäische.
Schmidt: Ja, weil der zum Beispiel jetzt mit Zöllen belegt ist. Europäischer Käse ist mit Zöllen belegt. Das Freihandelsabkommen könnte die Möglichkeit geben, dass auch europäischer Käse billiger in den USA verkauft wird.
Müller: Jetzt haben ja viele Landwirte in den Vereinigten Staaten diese negativen Erfahrungen gemacht mit dem mexikanisch-amerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA. Viele Bauern haben dort ganz, ganz massive große Probleme bekommen, es hat massive Proteste gegeben und auch ein massives Sterben. Wie wollen Sie das hier verhindern?
Schmidt: Darf ich Sie nur an europäische Erfahrungen erinnern. Als Griechenland der EU beigetreten war, der EWG damals noch in den 80er-Jahren, kam auf einmal der Fetakäse, den wir alle gerne essen, ganz überwiegend aus Deutschland, weil er dort billiger zu produzieren war mit Kuhmilch. Das heißt, Wettbewerb ist natürlich auch Herausforderung. Heute hat sich die Fetakäse-Produktion in Griechenland durchaus wieder entwickelt, allerdings mit höheren Qualitätsstandards.
Müller: Jetzt muss ich Sie etwas ganz anderes fragen als führenden CSU-Politiker. Es hat in den vergangenen Tagen heftige Kritik am Führungsstil von Horst Seehofer gegeben. Viele Berliner Kollegen der CSU haben das getan, auch in München. Welche Probleme haben Sie mit dem Parteichef?
"Habe Keine Probleme mit Parteichef"
Schmidt: Ich empfehle all denen, die sich öffentlich äußern, das lieber erst mal bei unserer Klausurtagung am Samstag zu machen. Ich habe keine Probleme mit dem Parteichef. Ich habe Probleme damit, dass wir offensichtlich im Europawahlkampf unsere Positionen nicht optimal darstellen konnten und dass wir uns deswegen hinsetzen müssen, überlegen, wie die Sachen, von denen wir überzeugt sind, von denen auch ich sehr überzeugt bin, wieder so an den Mann und die Frau bringen können, dass wir bei der nächsten Europawahl deutlichst über 40 Prozent liegen. Wir haben ja jetzt 40 Prozent erreicht und die Perspektive muss jetzt heißen 40 plus dickes X.
Müller: Wenn Sie keine Probleme haben mit Horst Seehofer, dann hat der alles richtig gemacht?
Schmidt: Wenn man keine Probleme mit jemandem hat, dann heißt das, dass man grundsätzlich zu ihm steht, und Horst Seehofer hat in der Tat für die Partei – übrigens mit drei Wahlkämpfen, die vorher waren: Bundestagswahlkampf, einen grandios gewonnenen Landtagswahlkampf und einen guten Kommunalwahlkampf mit Ergebnissen – tatsächlich alles richtig gemacht.
Müller: Dann sind die Kritiker Wichtigtuer?
Schmidt: Nein! Schön, dass Sie mir das jetzt in den Mund legen. Das sind sie nicht. Aber man muss miteinander reden. Ich bin ganz da auch konservativ. Ich sage, lasst uns miteinander reden, und wenn es Probleme gibt – die gibt es immer zwischen Menschen – und unterschiedliche Meinungen, dann muss man die ausdiskutieren. Das werden wir in der Tat auch machen, aber wir werden uns darüber nicht zerstreiten.
Kapern: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU im Gespräch mit meinem Kollegen Dirk Müller.
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