Nicht nur Politiker reden davon, auch Medien berichten immer wieder von einer angeblichen Spaltung der Gesellschaft – oder von einer drohenden, die real werden könne, wenn zum Beispiel eine Impfpflicht komme.
Natürlich gibt es gesellschaftliche Konflikte, aber der Begriff „Spaltung“ stellt die Lage irreführend dar.
Zahlen sprechen eine andere Sprache
Denn erstens sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. So hat sich zum Beispiel eine große Mehrheit impfen lassen, eine große Mehrheit ist für strengere Corona-Maßnahmen, auch für eine Impfpflicht. Die Gegner des Impfens und der Corona-Maßnahmen sind eine deutliche Minderheit.
Zweitens unterstellt der Begriff, dass die Gesellschaft in anderen Fragen nicht gespalten, also nicht unterschiedlicher Meinung ist. Dabei gibt es in keiner politische Frage eine Einheitsmeinung und erst recht keinen einheitlichen Volkswillen, den zum Beispiel Rechtsextreme behaupten. Es sind Interessenunterschiede, die in einer Demokratie normal sind.
Drittens stehen sich nicht immer wieder dieselben Leute gegenüber: Wer in der einen Frage meine Meinung teilt, tut es in einer anderen nicht. Eine politische Spaltung sieht der Verfassungsrechtler Christoph Möllers aber nur, „wenn sich eine Gesellschaft immer wieder in die gleichen Teile teilt“.
Medien erwecken leicht den Eindruck, es gebe oder drohe eine Spaltung, wenn sie zwei konträre Meinungen gegenüber- und so darstellen, als gäbe es für beide gleich viele Unterstützer. Das verzerrt die Wahrnehmung und hemmt politische Entscheidungen. Meinungsunterschiede dürfen nicht verschwiegen, aber auch nicht zu einer Spaltung verklärt werden.