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Gespaltenes Österreich (3/5)
Enttäuschung auf der Weide

Die österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ will Kleinbauern vor den "Verzerrungen der europäischen Agrarpolitik" schützen. Doch weder konventionelle Landwirte noch Biobauern im landwirtschaftlich geprägten Oberösterreich sehen Verbesserungen.

Von Antonia Kreppel |
    Eine Milchkuh auf der Weide im Nationalpark Kalkalpen, Oberösterreich
    Oberösterreich ist ein wichtiges Zentrum der Industrie im Land, aber auch stark landwirtschaftlich geprägt (imago images / imagebroker)
    Franz Wengler zieht einen Kaffee aus dem Automaten und genießt für einen Augenblick den Blick aus dem Fenster des Gemeindehauses, bevor ihn wieder die Amtsgeschäfte rufen. Grünland und Felder, soweit das Auge reicht. An klaren Tagen sieht er hier an der bayerisch-österreichischen Grenze bis zu den Salzburger Alpen. Der Bürgermeister des 410-Seelen-Dorfes St. Georgen am Fillmannsbach macht einen zufriedenen Eindruck. Seit 60 Jahren wird hier mehrheitlich FPÖ gewählt; zuletzt waren es fast 57 Prozent. Das sei der guten Gemeindearbeit zu verdanken, erzählt er in kantigem Innviertlerisch:
    "Ich glaub' einfach, es wird relativ gut gearbeitet, die Leut' sind zufrieden und des ist in einer so kleinen Gemeinde nicht so entscheidend, ob da ein ÖVPler vorsteht oder FPÖ, des ist glaub ich nicht des alles Entscheidende."
    Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Gespaltene Gesellschaft - Österreich ein Jahr nach der Wahl" in der Sendung "Gesichter Europas".
    Bürgermeister ist Franz Wengler nur im Nebenberuf, hauptberuflich ist er Landwirt. Mit 15 Hektar landwirtschaftlicher Flächen und 20 Kühen im Stall zählt sein Hof zu den kleinen bäuerlichen Betrieben.
    Die Regierung will Familienbetriebe schützen
    Die Agrarpolitik der schwarz-blauen Regierung möchte vor allem Kleinbauern stärken. Familienbetriebe seien vor den "Verzerrungen der europäischen Agrarpolitik" zu schützen, heißt es da. Vor allem die FPÖ warnte noch vor der Wahl vor der Macht großer Konzerne. Franz Wengler sieht noch keine Verbesserungen. Alles "Schönrederei", erklärt er enttäuscht.
    "In der Praxis sieht man, dass des nicht funktioniert. Wir sind 95 zur EU gegangen, da haben wir denselben Preis gehabt wie heut und die Ausgleichszahlungen werden alle Jahr gekürzt. Wie soll des ausgehen, dass da einer überleben kann."
    Stagnierende Preise und zurückgehende Ausgleichszahlungen seit dem Beitritt zur EU, und jetzt werden laut neuem Regierungsprogramm auch noch die Tierschutzbestimmungen verschärft, kritisiert der Bürgermeister und nimmt eine kräftige Brise Schnupftabak. Die Anbindehaltung von Stallkühen soll verboten werden. Was für Biobauern längst selbstverständlich ist, der Laufstall, wird jetzt auch in der konventionellen Viehhaltung zur Pflicht. Viele kleine Höfe werden zusperren müssen, befürchtet Franz Wengler, auch für ihn werde es eng.
    "Ja es ist nicht so, dass jetzt was bleibt, dass man großartig investieren kann. Dann wird sich des bei mir aufhören, weil sich‘s nicht rechnet."
    Zu billiges Fleisch, zu viel Bürokratie, zu große Abhängigkeit
    Ein "freier und leistungsfähiger Bauernstand" sei "Voraussetzung für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen unserer Heimat", lautet eine der Thesen der schwarz-blauen Agrarpolitik. Neue Förderungen werden in Aussicht gestellt. Der FPÖ-Bürgermeister schüttelt den Kopf:
    "Sie stützen mit Förderungen, aber die Baukosten sind einfach zu hoch und die Maschinenkosten. Der Produkterlös ist zu wenig."
    "Frei und leistungsfähig", so sieht Franz Wengler seinen Berufstand kaum. Das Fleisch sei zu billig, der Bauer zum Almosenempfänger degradiert. Die Bürokratie nehme überhand; und die Abhängigkeit von der Agrarindustrie auch. Die Züchtung auf intensiveren Ertrag verlange nach immer mehr Spritzmitteln.
    "Das ist eine reine Züchtungsgeschichte. Es wird zwar der Ertrag höher, aber es wird nimmer geschaut auf Resistenzen. Das ist das Problem: Wir werden abhängig dadurch von den Konzernen."
    Vermisst: Anreize für eine ökologischere Landwirtschaft
    In Ranshofen bei Braunau, nur wenige Kilometer entfernt, bewirtschaftet Sepp Ortner mit seiner Familie den Schaberlhof. Vor 37 Jahren hat er auf biologische Landwirtschaft umgestellt; inzwischen kann er dank Selbstvermarktung gut davon leben. Gerade hat die Familie draußen am Schwimmteich zu Mittag gegessen.
    Sepp Ortner lehnt sich zurück. Er wiederum vermisst im neuen Regierungsprogramm Anreize für eine Ökologisierung der Landwirtschaft. Gerade der Biolandbau könne durch die Produktion eigener Futtermittel am Hof eine freie Landwirtschaft stärken:
    "Biobauern brauchen alle kein Futtermittel aus dem Ausland, das zum Großteil auch noch gentechnisch verändert ist. Und wir kommen tadellos zurecht. Also wenn wir eigenständige selbständige Bauern bleiben wollen, dann müssen wir die Probleme an der Wurzel packen. Es geht um den Aufbau der Bodenfruchtbarkeit."
    Enttäuscht über Hängepartie bei Glyphosat
    Die große Herausforderung im Biolandbau sei das Beobachten und nicht das Bekämpfen mit Pestiziden und Herbiziden, erklärt er mit Bedacht. Dass Österreich jetzt das umstrittene Herbizid Glyphosat nicht, wie vor der Wahl versprochen, verbietet, sondern noch eine Machbarkeitsstudie einfordert, ist für ihn, den langjährigen Grünenpolitiker, bloße Augenwischerei:
    "Grad in Österreich, wo jede vierte Fläche biologisch bewirtschaftet wird, für was brauch ich da noch eine Studie, ob des machbar ist."
    Vom Gartentisch aus sieht Sepp Ortner die Kühe grasen. Schwiegersohn Felix geht auf die Weide und schaut nach der Herde: Blondvieh, Fleckvieh, Kühe und Kälber, 40 an der Zahl. Erst kürzlich hat er den Hof übernommen. Eigentlich hat der Jungbauer mit dem Pferdeschwanz regionales Lebensmittelmanagement studiert. Jetzt übt er sich in der Praxis:
    "Wenn ich mir die Kühe anschaue, weiß ich, es geht ihnen gut, und des ist eine Freude."
    Im Frühjahr erwartet das junge Bauernpaar das erste Kind. Investitionen sind geplant: Der Jungviehstall soll einen Weidezugang erhalten.
    "Die meiste Zeit taugst mir eh, manchmal ist schon ein bisschen viel das Ganze, aber es ist wunderschön, und der Hof steht auch gut da, schuldenfrei, und einfach gut aufgezogen, mit der Direktvermarktung und Bio. Was anderes wie Bio hätt' ich mir sowieso nicht angefangen."
    Schwarz-blau hin oder her.