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Gespendete Krankheitserreger

Tropische Virusinfektionen, die durch Moskitos übertragen werden, wie das Dengue-Fieber, breiten sich inzwischen auch in Ost- und Südeuropa aus. Nicht nur die Insekten sind eine Infektionsquelle, auch Blutkonserven könnten Spenden von Infizierten enthalten.

Von Volker Mrasek |
    Der Sommer 2010 war in Süd- und Osteuropa ungewöhnlich heiß. So heiß, dass er eine neue Plage hervorbrachte. Erstmals kam es zum Ausbruch des West-Nil-Fiebers, einer Virusinfektion, die von Moskitos übertragen wird - Mücken, die eigentlich in den Tropen zu Hause sind.

    Jan Semenza vom Europäischen Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle in Stockholm zählte über 900 Erkrankungsfälle. Unter anderem in Rumänien, Griechenland, Ungarn und Italien ...

    "Wir haben diesen Ausbruch von West-Nil-Fieber jetzt analysiert. Und festgestellt: Der Grund dafür waren extreme Sommertemperaturen, wie sie höchstens alle 30 Jahre in der Region vorkommen. Diese Hitzewelle ist dem Ausbruch vorausgegangen. Inzwischen müssen wir feststellen, dass das West-Nil-Fieber geblieben ist. Obwohl es seitdem nicht mehr so heiß war wie 2010, gab es auch in den beiden Folgejahren wieder zahlreiche Erkrankungsfälle."

    Es gibt weitere tropische Infektionskrankheiten, die sich infolge der Klimaerwärmung in Süd- und Osteuropa dauerhaft einzunisten scheinen. Dengue- und Chikungunya-Fieber gehören dazu und auch Leishmaniose. Überträger sind ebenfalls Moskitos beziehungsweise im Fall der Leishmaniose wärmeliebende Sandfliegen. In Griechenland verbreitet sich zudem Malaria landesintern.

    Der Mikrobiologe Jan Semenza ist deshalb besorgt. Denn Infektionen mit den tropischen Erregern verlaufen oft still, das heißt, ihre Träger zeigen keine Krankheitssymptome. Im Fall von West-Nil-Fieber gilt das in vier von fünf Fällen. Diese stillen Träger werden deshalb nicht abgewiesen, wenn sie Blut spenden. Und Routineanalysen zum Nachweis tropischer Erreger führen Blutbanken in Europa nicht durch. Zum Teil gibt es auch noch gar keine.

    "Es besteht definitiv die Möglichkeit, dass es zu Krankheitsepidemien kommt. Wenn diese Erreger das System der Blutversorgung infiltrieren, kann das katastrophal für Menschen sein, die eine Blutspende erhalten. Denn es handelt sich um sehr gefährliche Erreger. Außerdem könnte die Versorgung mit Blutprodukten zusammenbrechen, wenn eine Verseuchung offenbar wird."

    So war es 2010 in Griechenland, als auch noch Malaria auftrat. In manchen Landesregionen gingen daraufhin die Blutreserven aus. Neue Spenden waren zu riskant geworden.

    Neuerdings wirft man im Europäischen Zentrum für Krankheitsprävention einen besonderen Blick auf die beliebte Urlaubsinsel Madeira vor der marokkanischen Atlantikküste.

    "Auf Madeira gab es einen Dengue-Fieber-Ausbruch mit mehr als 2000 Krankheitsübertragungen bisher. In 70 Fällen haben Touristen die Infektion im vergangenen Jahr nach Europa eingeschleppt. Und das wird definitiv so weitergehen."

    Europa müsse sich wappnen, fordert Jan Semenza. Es gebe eine EU-Direktive, wonach Blutprodukte so zu testen seien, dass ihre Sicherheit garantiert werden könne. Das sei nur noch dann möglich, wenn man auch die neuen tropischen Erreger mitberücksichtige.

    Der Mikrobiologe schlägt vor, sogenannte Inaktivierungstechnologien für Krankheitserreger weiterzuentwickeln. Mit solchen Methoden werden heute bereits Blutplättchen und Blutplasma behandelt. Dabei benutzt man zum Beispiel Methylenblau, ein Antiseptikum, das gegen alle möglichen Erreger wirkt, auch gegen Viren. Allerdings sind diese Verfahren noch nicht auf komplette Blutkonserven anwendbar. Auch ist nicht klar, wie teuer solche Tests würden. Effektiv wären sie aber vermutlich.

    " Es gibt unglaublich viele Leute, die aus tropischen Urlaubsländern nach Europa zurückkehren. Und mit ihnen Krankheitserreger, über die wir nichts wissen. Doch wie soll man Blutkonserven auf unbekannte Pathogene testen? Hier bieten sich die Inaktivierungstechnologien an. Denn mit ihnen eliminiert man alle Erreger - selbst die, von denen man gar nicht weiß, um welche es sich handelt."

    Jetzt sei die Zeit zu handeln, sagt der Experte aus Stockholm. Denn das Problem werde sicher immer größer werden.