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Gespräch über eine Ampelkoalition
Baerbock sieht "gute Grundlage für echte Veränderung"

Die Finanzierung sei "eines der härtesten Themen" bei den Sondierungsgesprächen für eine Ampelkoaltion gewesen, sagte Annalena Baerbock im Dlf. Zur Finanzierung der Pläne schlug die Grünen-Co-Vorsitzende neue Schulden vor. Alleine für Infrastrukturmaßnahmen seien rund 50 Milliarden Euro nötig.

Annalena Baerbock im Gespräch mit Peter Sawicki |
Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, spricht beim Außerordentlichen Länderrat der Grünen zum Ergebnis der Sondierungsgespräche sowie zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl.
Baerbock beim Länderrat der Grünen. Dieser "kleine Parteitag" stimmte klar für eine Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit SPD und FDP. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Koalitionsverhandlungen für eine neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP können voraussichtlich bald beginnen. SPD und Grüne haben dem gemeinsamen Sondierungspapier zugestimmt, eine Zustimmung der FDP-Führungsgremien am Montag (18. Oktober) gilt vielen Beobachtern als ausgemacht. Im Papier bekennen sich die Parteien zum Klimaschutz. Aber wie viel Klimaschutz und wie viel grüne Politik ist wirklich drin in dieser gemeinsamen Erklärung dreier möglicher Koalitionspartner?

Baerbock betont klimapolitische Errungenschaften

Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock hat die Sondierungsergebnisse im Dlf-Interview verteidigt. Das Thema Klimaneutralität ziehe sich durch viele Bereiche. Klare Weichenstellungen und etwa Leitplanken für die Wirtschaft seien nötig gewesen, und die gebe es nun. Es gebe bei allen drei Parteien ein klares Verständnis, "dass wir jetzt einen Aufbruch in Deutschland brauchen". Es sei ein Geben und Nehmen, Eingeständnisse hätten es von allen Parteien gegeben.
Berlin: Robert Habeck, Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Christian Lindner, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, geben nach den Sondierungsgesprächen von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur Bildung einer neuen Bundesregierung nach der Bundestagswahl ein Statement. 
Die Sondierungsergebnisse
Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfohlen. Ein Überblick über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche.
Als konkrete Errungenschaften in der Klimapolitik führt Baerbock ein Bekenntnis zum Kohleausstieg "idealerweise bis 2030" an, wie es im Papier heißt. Das Ende des Verbrennungsmotors sei vereinbart, ebenso eine Solaranlagenpflicht auf bestimmten Dächern. Konkrete Inhalte eines Klimaschutz-Sofortprogramms seien eine Sache für ansehende Koalitionsverhandlungen.
Der Ausbau erneuerbarer Energie in Deutschland werde massiv vorangehen, verspricht Baerbock. Dafür sollen unter anderem zwei bislang separate Verfahren (Planfeststellungs- und Raumordnungsverfahren) zu einem zusammengezogen werden, so Baerbock. Eine bundesweite gesetzliche Regelung solle "die Unsicherheit nehmen, die es mittlerweile bei vielen Verwaltungen gibt, können wir das Windrad genehmigen oder nicht, damit es nicht mehr so viele Klagen gibt in Zukunft".

Finanzierung bleibt strittig

Es braucht Investitionen in Infrastruktur, darin sind sich die Parteien einig, Baerbock spricht von "Reformstau". Uneinigkeit besteht bei der Frage, woher das Geld dafür kommen soll. Die FDP ist gegen eine Vermögenssteuer und hat sich damit in den Sondierungen durchgesetzt, die Grünen halten am Solidaritätszuschlag für Spitzenverdiener fest. Grünen-Politikerin Baerbock rechnet mit 50 Milliarden Euro jährlich. Diese solle man wie Investitionen "bei einem guten Unternehmen" als Kredite aufnehmen.

Das Interview im Wortlaut:
Peter Sawicki: Es gab gestern ein sehr klares Votum für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen und auch viel Harmonie, die demonstriert wurde. Aber wieviel Inszenierung war tatsächlich mit dabei?
Annalena Baerbock: Oh, da war eigentlich so gut wie gar keine Inszenierung dabei, sondern wir haben noch mal reflektiert, was wir in diesem Sondierungsgespräch gemeinsam mit SPD und FDP verankert haben. Und klar ist, wenn drei Parteien, die zum Teil auch in manchen Politikfeldern sehr unterschiedlich sind, an einen Tisch kommen, dass das ein Geben und Nehmen ist. Das war auch das Grundverständnis zwischen diesen drei Parteien von Anfang an, dass klar war, wenn wir wirklich was verändern wollen in diesem Land – und das haben wir in den letzten Jahren gesehen, dass wir in vielen Bereichen einen richtigen Reformstau hatten -, dass wir bereit sein müssen, auch Entscheidungen zu treffen, damit Dinge wirklich vorangehen. Da haben wir ein paar klare Weichenstellungen gestellt, insbesondere beim Klimaschutz, dass die Frage Klimaneutralität sich durch alle Bereiche zieht. Da haben andere Parteien Dinge jetzt mit ins Sondierungspapier verankert, die nicht bei ihnen im Wahlprogramm standen, weil es so wichtig ist, dass wir schnell auf den Pfad von 1,5 Grad kommen. In anderen Bereichen, zum Beispiel in der Rentenpolitik, haben wir jetzt ein neues Vorgehen vorgeschlagen, was bei uns vorher nicht im Wahlprogramm stand, weil auch hier klar ist, dass wir mit Blick auf die Generationengerechtigkeit dafür sorgen müssen, dass die Rente auch für jüngere Menschen in unserem Land in Zukunft noch stabil ist.

Ist das Sondierungspapier zu FDP-lastig?

Sawicki: Bleiben wir erst mal beim Klimaschutz. Da wurde zum Beispiel von einer Delegierten aus Bochum gesagt, sie habe das Gefühl, wenn sie das Papier anschaue, dass die FDP die Wahl gewonnen habe. Und in der Tat haben Sie ja grüne Kernanliegen früh über Bord geworfen. Kein Tempolimit wird es geben, der CO2-Preis wird da gar nicht erst erwähnt. Warum haben Sie so früh solche Sachen aus der Hand gegeben?
Baerbock: Beim Klimaschutz sehe ich das wirklich anders. Beim Tempolimit ist es so: Da gab es keine Mehrheit in dieser Dreierkonstellation, weil wir Grünen da mit dieser Forderung auch schon vorher im Wahlkampf nicht die Mehrheit hinter uns hatten. Ja, das hat uns geschmerzt, aber dafür …
Sawicki: War die SPD auch dafür, oder waren die auch dagegen?
Baerbock: Ich will jetzt nicht von Einzelheiten in diesen Gesprächen sprechen. Aber die SPD hat jetzt nicht unbedingt mit Tempolimit Wahlkampf gemacht und das Tempolimit ist eine kleine Maßnahme beim Klimaschutz. Vor allen Dingen ist sie wichtig für die Verkehrssicherheit. Deswegen hätten wir das Tempolimit gerne gewollt. Aber in allen anderen Bereichen beim Klimaschutz – und das sind vor allen Dingen diese Rahmengesetzgebungen, die wir brauchen, damit die Industrie sicher ist - wenn sie jetzt in klimaneutrale Produkte investieren, dann werden sie in Zukunft damit nicht nur klimapolitisch erfolgreich sein, sondern vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit halten. Das ist die wichtige Weichenstellung in diesem Koalitionsvertrag. Der Kohleausstieg wird vorgezogen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht endlich massiv voran mit einem klaren Ziel, wieviel Fläche in Deutschland für Windkraftanlagen genutzt werden kann, mit einer Pflicht für Solaranlagen auf den Dächern, für ein Ende des fossilen Verbrennungsmotors und vor allen Dingen mit klaren Leitplanken für die Industrie, und das sind all die Wegstellungen, die wir brauchen, damit wir endlich auf den 1,5-Grad-Pfad kommen können. Aber natürlich muss das alles unterfüttert werden und deswegen haben wir uns ebenso auf ein Klimaschutz-Sofortprogramm in diesem Papier gemeinsam verständigt…

"Kohleausstiegsgesetz noch mal aufmachen"

Sawicki: Aber da steht nichts Konkretes drin, was da genau kommen soll.
Baerbock: Das ist ja der Sinn von Koalitionsverhandlungen. Ein Sondierungspapier setzt ja die Eckpfeiler, in welche Richtung es gehen soll, und gerade im Klimaschutz haben wir zusätzlich Instrumente verankert wie das Vorziehen des Kohleausstiegs. Das klingt an manchen Stellen sehr technisch.
Sawicki: Der Kohleausstieg wird ja nicht konkret vorgezogen. Da steht möglichst bis 2030. Das ist reichlich unkonkret.
Baerbock: Ja! Aber dann drei Sätze später – jetzt geht es ein bisschen ins Detail hier am Morgen – steht das konkrete Instrument, wie man das machen will, nämlich das Kohleausstiegsgesetz noch mal aufzumachen. Wir hatten damals im Bundestag dagegen gestimmt, weil gesagt wurde, man kann nur überprüfen, ob man den Kohleausstieg vorzieht, erst ab 2026. Das haben wir für falsch gefunden. Das wird jetzt geändert, weil diese sogenannte Revisionsklausel vorgezogen wird, damit wir dann den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen können. Das ist eine der wirklich richtig großen Entscheidungen, die wir in diesem Sondierungspapier getroffen haben, damit wir nicht nur den Ausbau der erneuerbaren Energien voranziehen, sondern endlich überhaupt eine Chance haben, die deutschen Klimaziele einzuhalten, weil die letzten Jahre dafür leider – so deutlich muss man das sagen – verplempert wurden.
Sonnenblumen blühen im Landkreis Peine. Im Hintergrund sind Windkrafträder und das Kohlekraftwerk Mehrum zu sehen.
Wissenschaftler fordern Neustart
Die neue Bundesregierung müsse Politik konsequent von erneuerbaren Energien aus denken, sagt Dirk Uwe Sauer. Der Wissenschaftler hat mit Kolleginnen und Kollegen in einem Papier einen "Neustart" bei der Energiewende gefordert.
Sawicki: Dann schauen wir mal auf ein paar Beispiele beim Ausbau von erneuerbaren Energien. Windräder, Windkraft, das ist ein großes Thema. Zwei Prozent der Landfläche sollen für Windräder ausgewiesen werden. Aber wenn man zum Beispiel nach Bayern schaut, da gibt es Regeln, die die Abstände zwischen den Windrädern sehr großzügig fassen. Steht Ihnen da der Föderalismus im Weg?
Baerbock: Nee! Der steht einem an dieser Stelle nicht im Weg wie bei anderen Punkten in diesem Papier. Es ist ja auch dann immer so, dass man gucken muss, wo muss auch der Bundesrat mitentscheiden.
Sawicki: Wie wollen Sie die zwei Prozent ausweisen?
Baerbock: Mit einer bundeseinheitlichen gesetzlichen Regelung. Es war ja auch so, dass die Große Koalition überhaupt mit einem Gesetz dazu beigetragen hat auf Bundesebene, dass Bayern diese Abstandskriterien erlassen konnte, was dazu führt, dass Markus Söder so gut wie keine Windkraftanlagen baut. Und ja, das muss sich in Zukunft ändern. Es kann nicht sein, dass in einigen Bundesländern massiv ausgebaut wird und dann aber – Bayern ist ja auch ein starkes Industrieland – viel Strom in den Süden kommt, sondern natürlich muss in jedem Bundesland zukünftig ein fairer Anteil an Windkraft und zwar schnellstens gebaut werden.

Wie beschleunigt man den Bau von Windrädern?

Sawicki: Schnellstens ist ein gutes Stichwort. Bisher dauerte es ja mehrere Jahre, im Schnitt fünf Jahre oder länger, die vergehen zwischen der Planung, der Genehmigung, dann dem Bau von Windrädern. Wie wollen Sie das beschleunigen?
Baerbock: Ja, das ist ein großes Problem, und ich glaube, fast alle Menschen im Land denken, wie kann das sein in einem hochmodernisierten Land. Das betrifft ja nicht nur Windräder; das ist noch heftiger mit Blick auf den Ausbau von der Bahn. Aber selbst bei der Digitalisierung und Glasfaser liegen wir ganz, ganz weit hinten.
Sawicki: Und was wollen Sie tun?
Baerbock: Deswegen ist eine der großen Aufgaben in diesem Sondierungspapier die Planungsbeschleunigung. Das heißt, vor allen Dingen unsere Verwaltung, den Staat zu modernisieren, endlich alles zu digitalisieren. Wir haben es ja bei Corona gesehen, wo noch Faxe durch die Gegend geschickt werden.
Sawicki: Das hat jetzt nichts mit den Windrädern zu tun, würde ich sagen. Wie wollen Sie den Bau von Windrädern ganz konkret beschleunigen?
Baerbock: Das hat aber auch damit zu tun, weil selbst da nicht alles digitalisiert ist. Bei den Windrädern ganz konkret wollen wir zum Beispiel zwei Verfahren, das Planfeststellungsverfahren und das Raumordnungsverfahren zusammenziehen, dass wir viel schneller die Genehmigung erteilen können, und dann durch diese bundesweite Regelung, die wir per Gesetz machen, die Unsicherheit nehmen, die es mittlerweile bei vielen Verwaltungen gibt, können wir das Windrad genehmigen oder nicht, damit es nicht mehr so viele Klagen gibt in Zukunft.

Finanzierung "eines der härtesten Themen"

Sawicki: Bleibt die Frage, wie das alles bezahlt werden soll. Es wurde schon viel darüber am Wochenende gesprochen, auch am Freitag schon. Konkret steht dazu im Papier wenig. Es steht vor allem drin, was nicht kommt, nämlich Steuererhöhungen. Das heißt, woher wollen Sie das Geld für solche Investitionen nehmen?
Baerbock: Ja, das war eines der härtesten Themen. Darum muss man gar kein Geheimnis machen, weil natürlich gerade auch zwischen Grünen und FDP man hier sehr weit auseinander lag. Der FDP war wichtig, dass es in der Substanz keine weitere Besteuerung gibt. Wir haben deutlich gemacht, wir können da nicht den Soli abschaffen. Deswegen ist das auch mit verankert, dass es den Soli für Spitzenverdiener weiter gibt. Und worauf wir uns verständigt haben – und das ist das wichtige gerade für Infrastruktur-Projekte -, dass wir jetzt die Spielräume, die wir bei der ausgesetzten Schuldenbremse, die wir derzeit haben, nutzen, um Investitionen zu stemmen und vor allen Dingen die großen Investitionen in Infrastruktur, dass wir die über Gesellschaften stemmen können, weil das ist wie bei einem guten Unternehmen. Wenn man merkt, man braucht neue Maschinen, damit man in Zukunft noch wettbewerbsfähig sein kann, ist es auch hier so: Das sind ja keine Ausgaben, die sich nicht zurückzahlen, sondern das geht über Kreditaufnahme. Das sind die großen Investitionen – wir hatten das ja mal berechnet -, 50 Milliarden jährlich, die wir brauchen bei Digitalisierung, beim Netzausbau, bei der Infrastruktur, dass wir die gemeinsam in den nächsten Jahren stemmen können.
Sawicki: Welchen Spielraum haben Sie ganz konkret im Rahmen der Schuldenbremse im Blick?
Baerbock: Die Schuldenbremse – wir haben ja mit der Aufnahme der Corona-Kredite da einen Spielraum, den wir sonst zu anderen Zeiten nicht haben. Ich habe ja gerade gesagt, für die Infrastruktur-Maßnahmen bräuchten wir ungefähr 50 Milliarden Euro. Aber die genaue Finanzberechnung wird dann in den Koalitionsverhandlungen folgen, weil wie Sie gerade auch angesprochen haben, es gibt Bereiche, da sind wir bisher noch gar nicht so in die Tiefe gegangen, weil es bisher Sondierungsgespräche waren und noch keine Koalitionsverhandlungen. Und vor allen Dingen, das ist das wichtige: Wir müssen diese großen Zukunftsprojekte, die Digitalisierung, den Netzausbau, vor allen Dingen europaweit denken. Deswegen gibt es auch ein starkes europäisches Kapitel in diesem Papier.

"Finanzministerium eine der Schlüsselfragen"

Sawicki: Wo wollen Sie ganz konkret, wo müssen Sie ganz konkret als erstes nachbessern, nachverhandeln in den wahrscheinlich anstehenden Gesprächen?
Baerbock: Nachverhandeln? Bei Sondierungsgesprächen ist es so, dass man Leitplanken setzt und sagt, gehen wir gemeinsam in die richtige Richtung. Das haben wir hier festgestellt, weil alle Parteien das klare Verständnis haben, dass wir jetzt einen Aufbruch in Deutschland brauchen. Gerade gesellschaftspolitisch sind viele, viele Regelungen nicht auf der Höhe der Zeit. Wenn man 18 ist, kann man nicht verstehen, dass man hier mit Blick auf die Frage doppelte Staatsangehörigkeit immer noch Regelungen hat, die wie aus der Zeit gefallen wirken. Gesellschaftspolitisch gibt es einen großen, großen Auftrag. Wir haben für die Klimapolitik jetzt die Leitplanken dafür gestellt, dass es wirklich zu einem Fortschritt in diesem Land kommt, das gleiche zur Digitalisierung. Im Bereich des Arbeitsrechts zum Beispiel, aber auch in der Sozialpolitik haben wir einige Leitplanken eingezogen wie zwölf Euro Mindestlohn, die Stabilisierung der Rente, aber dort müssen wir bei vielen Fragen noch weiter ins Detail gehen. Das heißt aber nicht, Sachen zurückzuholen, sondern bedeutet, auch dort dafür zu sorgen, dass es zu mehr sozialer Gerechtigkeit kommt. Und da vielleicht auch noch mal erwähnt: Das hat es in Deutschland so noch nie gegeben. Kinder und Familien stehen in ganz besonderem Maße im Mittelpunkt dieses Papieres mit einer Kindergrundsicherung, und das jetzt weiter auszudeklinieren, wie wir Kinder aus Armut holen, auch das wird eine der großen Aufgaben in den nächsten Wochen der Koalitionsgespräche sein.
Sawicki: Auch da wird es darum gehen, wieviel Geld dafür zur Verfügung gestellt wird, wie das bezahlt wird, und dann kommt die Frage des Finanzministeriums ins Spiel, welche Partei das Ministerium besetzt. Erheben Sie Anspruch, die Grünen?
Baerbock: Wir haben deutlich gemacht, dass das Finanzministerium eine der Schlüsselfragen ist, weil wie wir jetzt auch in dem Gespräch sehen: In vielen Bereichen müssen wir große Investitionen stemmen. Aber zugleich haben wir auch hier Leitplanken für Finanzpolitik aufgestellt und wir haben uns gemeinsam darauf verständigt – und das ist auch die Grundlage einer guten Zusammenarbeit, wenn man wirklich was verändern will -, dass wir im Vertrauen miteinander arbeiten und deswegen auch die Personalfragen alle gemeinsam und nicht über Einzelressorts, sondern alle gemeinsam in den nächsten Wochen klären, damit es diesen Fortschritt, für den wir angetreten sind, wirklich vertrauensvoll geben kann.

"Es kommt auf die Veränderung an, nicht auf einzelne Posten"

Sawicki: Diese Debatte, die jetzt geführt wird, in Teilen der Grünen und auch der FDP, schadet die den weiteren Gesprächen?
Baerbock: Sonderlich förderlich ist sie nicht und deswegen haben wir, glaube ich, auch gemeinsam als Partei nach ein paar Stunden deutlichgemacht, wir führen das so, wie wir das in den letzten Tagen gemacht haben, dann so, dass wir gemeinsam überlegen, was ist das Beste für eine zukünftige gemeinsame Zusammenarbeit.
Sawicki: Könnten Gespräche an so einer Frage, wer dieses oder jenes Ministerium bekommt, noch scheitern?
Baerbock: Ich spekuliere jetzt nicht, sondern wir haben eine gute Grundlage dafür geschaffen, dass wir eine wirkliche Veränderung erreichen. Wir haben gerade auch in dem Gespräch festgestellt, dass es in einigen Punkten inhaltlich wirklich noch harte Verhandlungen geben wird. Da steht auch die Frage mit im Raum, wie kann man die Inhalte, für die man antritt, zum Beispiel Deutschland als eines der ersten Länder klimaneutral zu machen, in einer Regierung querschnittsmäßig verankern. Das hängt auch damit zusammen, welche Ressorts werden das federführend bearbeiten.
Sawicki: Im Klimaministerium zum Beispiel.
Baerbock: Das heißt, es wird noch mal sehr, sehr spannend werden, aber es kommt auf die Veränderung an und jetzt nicht auf einzelne Posten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.