Juni 2014. Frankreich und die Alliierten des Zweiten Weltkriegs erinnern an die Landung in der Normandie. Das Feiertagsprogramm in jenem Sommer war prall gefüllt, 70 Jahre nach dem großen Kampf gegen Hitlerdeutschland war die Welt zu Gast am Strand von Ouistreham. Mit dabei Wladimir Putin.
"Keine Selbstverständlichkeit", sagen die Berater des französischen Präsidenten bis heute, "bedenken Sie, dass der russische Präsident wegen der Ukraine-Krise aus der G-8-Runde verbannt war und in Frankreich diskutiert wurde, ob es sich überhaupt schickte, ihn zu den Landungsfeierlichkeiten einzuladen".
"Ich denke, dass die Teilnahme Russlands an diesen Feierlichkeiten mit Symbolen beladen ist," sagte Putin damals im französischen Fernsehen. "Ich möchte damit sagen, dass Russland und die anderen Länder der Anti-Hitler-Koalition, auch Frankreich, gemeinsam für die Freiheit gekämpft haben und dass die Rolle Russlands, wichtig, ja entscheidend war."
"Wie Kommandeure über die Karten gebeut"
Der französischen Diplomatie ging es in jenen Juni-Tagen 2014 aber nicht nur um das Erinnern. Der Sicherheitskonflikt, der mit der Annexion der Krim durch Russland entstanden war, sollte in der Normandie entschärft werden. Paris hatte auch Petro Poroschenko an den Feiertagstisch gebeten - der seinen Amtseid als frisch gewählter Staatspräsident der Ukraine am siebten Juni 2014 erst noch leisten musste:
"Ich habe ihn für den 6. Juni eingeladen, um den Dialog zu erleichtern," sagte der französische Staatspräsident als Gastgeber. Für das Staatsbankett ließ François Hollande das Schloss von Bénouville herrichten, zwischen dem Landungsstrand Ouistreham und Caen gelegen, berühmt für die im Juni 1944 schwer umkämpfte "Pegasus-Brücke" - die vom Speisesaal des Schlosses aus zu sehen ist.
Die anwesenden Staatenlenker hatten wenig Zeit, die Aussicht zu genießen, es trafen Wladimir Putin und Petro Poroschenko aufeinander, Angela Merkel und François Hollande vermittelten, es ging um Gesten, mal Vier-, mal Sechs-, mal Acht-Augen-Gespräche im Garten, auf der Terrasse. Diplomatische Feinheiten, die das Eis brechen sollten. Aber der Frieden in der Ukraine war mit dem sommerlichen Taktieren 2014 nicht garantiert, die Gespräche im "Normandie-Format" mussten wieder und wieder aufgenommen werden, mal telefonisch, mal persönlich. Mehr als 25 solcher Gespräche, die sich teils über Stunden hinzogen, hat es gegeben. Angela Merkel und Francois Hollande, so heißt es im Élysée-Palast, hätten sich dabei jeweils tief in die Dokumente eingearbeitet und hätten sich manchmal "wie Kommandeure über die Karten gebeugt".
Syrien-Konflikt könnte positiv und negativ für die Gespräche sein
Heute Mittag, um 12, wird Wladimir Putin wieder in Paris sein, zum ersten Mal seit einem Jahr. Er wird eine Stunde lang mit dem französischen Präsidenten reden, dann geht es in bilaterale Gespräche: Merkel mit Putin, Hollande mit Poroschenko - bevor sich dann, ab viertel nach zwei, alle im Salon Murat um einen Tisch setzen.
"Wir haben im Januar die Vereinbarungen von Minsk ausgehandelt," erinnert François Hollande. Es habe danach Verzögerungen, weiterhin Tote gegeben, aber der Prozess komme voran, Waffenstillstand, Rückzug der schweren, Ablieferung der leichten Waffen, Wahlvorbereitungen - Hollande spricht von "Fortschritten".
Und sah den Zeitpunkt gekommen, die Vierer-Runde nach Paris einzuladen - um den "Minsker Prozess zu beschleunigen", wie seine Berater sagen. Sollte dieser Prozess erfolgreich beendet sein, werde er für Aufhebung der Sanktionen gegen Russland plädieren, hatte François Hollande bereits im Januar formuliert.
Die Berater des französischen Staatspräsidenten möchten an eine positive Ausgangslage für das heutige Treffen glauben. Der Weg zur endgültigen Lösung des Ukraine-Konflikts sei zwar noch arbeitsreich, aber Paris sei eine wichtige Etappe der Annäherung. Die Eskalation in Syrien, das Agieren Russlands an der Seite des Assad-Regimes könne die Verhandlungen im "Normandie-Format" beeinträchtigen - negativ, aber auch positiv. Positiv für den Fall, dass es sich Putin nicht an allen Fronten gleichzeitig verderben wolle, heißt es in Paris.