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Gespräche in Islamabad
Neue Friedensbemühungen in Afghanistan

Frieden - davon träumen viele Afghanen. Doch noch immer gibt es Anschläge. Vertreter Afghanistans, Pakistans, der USA und Chinas treffen sich nun in Islamabad, um Friedensgespräche vorzubereiten. Die afghanischen Taliban sitzen aber nicht am Verhandlungstisch.

Von Jürgen Webermann |
    Ein afghanisches Mädchen im afghanischen Kabul.
    Anschläge gehören zum Alltag in Afghanistan. (dpa / picture alliance / Hedaytullah Amid)
    Faiz steht inmitten einer Baustelle, die Hände schlammverschmiert. Der Rohbau seines Hauses steht wieder. Dort, wo er jetzt arbeitet, hat Faiz bis zum August gelebt. Bis ein ganzer Lastwagen voller Sprengstoff auf der Straße vor seinem Grundstück explodierte. 15 Menschen starben damals, aber Faiz und seine Familie hatten Glück, sie entkamen lebend aus den Trümmern ihres Hauses.
    "Die Regierung war damals hier und hat uns Hilfe versprochen. Aber wir haben keinen Cent bekommen."
    Alltag in Afghanistan. Das Vertrauen in die eigene Regierung ist dahin. Es gibt weiterhin regelmäßig Anschläge in Kabul, während die Taliban inzwischen ein Drittel aller Distrikte des Landes kontrollieren. Die Ausgangslage für Friedensgespräche ist schwierig. Nach Ansicht von Analysten wie Sayed Abdullah Ahmadi dürften die Extremisten hohe Anforderungen an eine Teilnahme an den Gesprächen stellen.
    "Ihr Vormarsch, die Anschläge, all das zeigt, wie sichtbar die Taliban in Afghanistan sind. Dass sie der Hauptakteur sind, und dass sie an der Macht beteiligt werden wollen."
    Im vergangenen Sommer hatte es den bisher letzten Versuch gegeben, einen Friedensprozess für Afghanistan anzuschieben. Damals hatte die pakistanische Regierung Gespräche zwischen afghanischen Regierungsvertretern und Abgesandten der Taliban vermittelt. Nach der ersten Runde verbreitete der afghanische Geheimdienst allerdings die Nachricht, dass der langjährige Anführer der Taliban, Mullah Omar, seit Längerem tot sei. Dieser Schlag saß, denn viele Kämpfer wussten bis dahin nicht, dass ihre eigene Führung den Tod des legendären Begründers ihrer Gruppe verheimlicht hatte. Ein Machtkampf brach aus, der bis heute andauert, darauf verweist der Politikberater Mohammed Omarzad in Kabul.
    "Der neue Anführer Mullah Mansour wird von vielen Taliban nicht akzeptiert. Sie sagen, dass er niemals der Oberbefehlshaber sein werde. Seither haben wir also mehrere Konflikte, auch innerhalb der Taliban."
    Im Osten Afghanistans sollen unzufriedene Taliban zum Islamischen Staat übergelaufen sein, der dort Fuß fassen will und von Mullah Mansours Taliban erbittert bekämpft wird. Im Nordwesten des Landes streiten mehrere Taliban-Gruppen um die Macht. Um seinen Anspruch zu untermauern, verstärkte Mansour die Offensive gegen die Regierung. Ihm gelangen spektakuläre Erfolge wie die kurzzeitige Eroberung der Stadt Kundus. In Südafghanistan kontrollieren die Taliban weite Teile der Provinz Helmand, die auch Zentrum des Opiumschmuggels ist.
    "Für die Friedensgespräche muss man wissen, dass diejenigen, die dazu einladen, den wohl größten Einfluss auf die Taliban haben."
    Sagt Mohammed Omarzad. Pakistan galt lange als Zufluchtsort für die afghanischen Taliban. Afghanistans Regierung wirft dem pakistanischen Geheimdienst vor, die Extremisten weiterhin zu unterstützen. Seit Pakistan die eigenen, pakistanischen Taliban aus dem Land dränge, würden sich zudem viele Kämpfer den afghanischen Taliban auf der anderen Seite der Grenze anschließen. Pakistan behauptet dagegen, die Regierung habe keinen Einfluss auf die Taliban. Die Extremisten an den Verhandlungstisch zu bringen, werde schwierig, sagte ein hochrangiger Regierungsberater in Islamabad.
    Geschätzt 6.500 Zivilisten sind 2015 in Afghanistan durch Kämpfe und Anschläge ums Leben gekommen, die Vereinten Nationen werden genauere Zahlen im Februar vorlegen. Hausbesitzer Faiz in Kabul hat Angst, dass auch er noch einmal zwischen die Fronten gerät. Faiz hat sich Geld für den Wiederaufbau geliehen. Er würde seinen Sohn Shafi gerne raus aus Afghanistan und nach Europa schicken. Aber dafür reichen die Finanzen längst nicht mehr aus.