Wer kennt das nicht: Der Arzt redet zu schnell, verwendet Fachbegriffe – und man traut sich nicht nachzufragen. Das führt dazu, ...
"... dass zum Beispiel Patienten häufig hinterher in der Apotheke nachfragen: Ich weiß nicht, was der Arzt mir gesagt hat. Ich habe nicht verstanden, was ich habe. Ich glaube, dass wir zu lange auch die Patienten – ich sag jetzt mal – nicht so wahrgenommen haben, wie es sich gehört. Und damit meine ich alle Berufsgruppen, dass wir sehr oft versuchen, unsere Abläufe zu straffen und weniger darauf achten: Was kommt beim Patienten an? Was kann er denn jetzt vielleicht nicht verstanden haben? Oder wo muss ich nochmal nachsetzen?"
Hedwig Francois-Kettner vom "Aktionsbündnis Patientensicherheit" betont, dass es häufig zu Missverständnissen nicht nur zwischen Arzt und Patient, sondern auch zwischen dem Arzt und der Arzthelferin, der Pflegekraft und weiter behandelnden Ärzten kommt.
Sicherheit des Patienten gefährdet
Die frühere Pflegedirektorin der Charité warnt, dass die Sicherheit des Patienten erheblich gefährdet werde, wenn beispielsweise ein Rezept falsch ausgestellt sei und dadurch eine andere Medikation oder Dosierung angesetzt werde:
"Wenn man in den Berufsgruppen dazu neigt, ich sag jetzt mal Kürzel zu verwenden. Und der Arzt schreibt in einer Anordnung: Patient hat HWI. Das kann ein Harnwegsinfekt sein oder ein Hinterwandinfarkt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Und das kann von vorneherein schon zu sehr großen Irrtümern führen bei den Behandlern, die dann ansetzen."
Nach dem Motto "Nicht Schuldige, sondern Lösungen suchen" hat das "Aktionsbündnis Patientensicherheit" auf seiner Jahrestagung gefordert, das so genannte 'Speak up' aller Beteiligten zu verbessern: eine Gesprächsform, bei der Probleme thematisiert und Bedenken geäußert werden dürfen.
Geschäftsführer Hardy Müller betont, auch der Patient sei gefordert, aktiv mit seinem Gegenüber zu kommunizieren. Nicht zuletzt, weil Ärzte und andere Berufsgruppen auf seine Informationen angewiesen seien.
"Der Patient verfügt über spezifische Informationen, die nirgendwo sonst vorliegen. Nicht nur weil er als einziger während des ganzen Prozesses dabei ist. Er hat auch persönliche Erfahrungen: Wie vertrage ich ein Medikament, ist es mit Schwindel verbunden, die nirgendwo sonst auftauchen, die aber wichtig sind, um die weitere Behandlung zu optimieren, aber auch sicher zu behandeln."
Leitlinien für eine qualifizierte Kommunikation
Die Experten wollen in den kommenden Jahren Leitlinien für eine qualifizierte Kommunikation erarbeiten. Für zentral halten sie, in den Führungsetagen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass mangelhafter Austausch Risiken birgt, aber auch, dass Fehler zum Berufsalltag gehören.
"Es bedeutet für die Behandlungsteams, dass auch dort, zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen, auch zwischen unterschiedlichen Hierarchiegruppen nachgefragt wird, dass aufeinander gut aufgepasst wird. Also Handdesinfektion, wenn einem auffällt: Herr Kollege, sind die Hände desinfiziert? Und da braucht man das Team, das im guten Sinne gemeint aufpasst und die Hinweise weitergibt. Das ist nicht selbstverständlich, sondern erfordert auch eine vorherige Absprache, erfordert auch eine Übung. Und diese gute Kommunikation kann man üben, man muss sie üben."
Auch dem "Gott in Weiß" können Fehler unterlaufen, betont Dr. Ruth Hecker, an der Uniklinik Essen für Qualitäts- und Risikomanagement zuständig. Hier habe sich der Umgang damit durch ein anonymes Fehlermeldesystem verändert. Außerdem ziehen Fach- und Oberärzte die Medizinerin immer häufiger zu Rate, wenn etwas falsch läuft wie die Verwechslung eines Medikaments.
"Und wir haben ein Konzept bei den Studenten in der Ausbildung, dass wir Trainings mit Schauspielstudenten ganz zu Beginn des Studiums machen, um zum Beispiel Fragetechniken: Wie frage ich einen Patienten, was er hat, was er für Bedürfnisse hat, was er für Probleme hat. Und das wird in einer Art Laborsituation, da gibt es eine Scheibe, der Student ist mit dem Schauspielpatienten alleine wie im wirklichen Leben. Dann wird beobachtet, wie er sich verhält, welche Fragen er stellt und das wird hinterher besprochen."
Kommunikationstrainings sollten bundesweit fester Bestandteil des Studiums sowie jeder Aus- und Fortbildung werden, fordert das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Dass ein Medizinstudent den Chefarzt am Operationstisch darauf hinweist, dass dieser den falschen Faden verwendet, sei noch lange nicht der Normalfall.