Sportvereine in Sorge
"Gesundes-Herz-Gesetz" geht zu Lasten von Präventionskursen

Das "Gesundes-Herz-Gesetz" von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach soll Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Doch es geht zu Lasten von Präventionskursen. Sport- und Gesundheitswissenschaftler schlagen Alarm.

Von Peter Kolakowski |
Senioren sitzen  im Rahmen eines Präventionskurses in einer Sporthalle auf Stühlen und strecken einen Arm nach oben.
Angeboten werden Präventionskurse meist von Sportvereinen und Volkshochschulen. Kosten für die Kurse übernehmen, zumindest anteilig, die Krankenkassen. (IMAGO / Funke Foto Services / Oliver Mengedoht )
„Wir beobachten die politische Entwicklung als Sportverein mit großer Sorge. Unsere Präventionskurse, die wir zahlreich anbieten im Verein, dienen dazu, Herz-Kreislauferkrankungen erst gar nicht entstehen zu lassen - durch Bewegung und auch durch das zusammen etwas Tun. Und es wäre sicherlich deutlich günstiger, Leute präventiv fit zu halten, durch Bewegung, so dass sie gar nicht erst krank werden.“
Heinz Kelzenberg, Vorstandsvorsitzender des Turnvereins Refrath Bergisch Gladbach befürchtet, dass viele Vereine im neuen Jahr keine Präventionskurse mehr werden anbieten können. Bislang erhalten Kursteilnehmer von den Krankenkassen einen Zuschuss oder eine Erstattung der Kursgebühren. Damit soll nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jedoch bald Schluss sein.

Mittel für Präventionskurse werden umgeschichtet

Sein "Gesundes-Herz-Gesetz" besagt, dass die Mittel für die Präventionskurse umgeschichtet werden sollen. Zum Beispiel für ärztliche Screenings. Solche ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen sollen in Zukunft mögliche Risiken und Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Gefäßkrankheiten vermeiden helfen. Denn Deutschland gehört zu den Ländern, in denen die Zahl der Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen stetig wächst.

Regelmäßige Untersuchungen ab dem Kindesalter

Der Gesetzesentwurf sieht regelmäßige Untersuchungen ab dem Kindesalter, aber auch bei Erwachsenen vor. Außerdem sollen Menschen mit Fettstoffwechselerkrankungen einen gesetzlichen Anspruch auf Medikamente bekommen, Raucher bei der Tabakentwöhnung unterstützt werden.
Doch obwohl auch Sport und Bewegung Rezepte gegen solche Erkrankungen sein können und im Sozialgesetzbuch als Kassenleistung festgeschrieben sind, könnten die Teilnehmerzahlen in den Kursen einbrechen. Oder die Kurse müssen von den Vereinen und Volkshochschulen ganz aus dem Programm genommen werden, weil die bisherige finanzielle Unterstützung fehlt. Die Opposition im Bundestag - empört:
„Es ist vor allem für die Institutionen, vor allen Dingen auch für die Sportvereine wichtig, die ja einen Großteil ihres Kursangebotes daran ausgerichtet haben, dort enorme Erfolge erzielen, wenn dieses Angebot für die Vereine wegbricht, ist natürlich eine wichtige Finanzierungssäule für die Vereine nicht mehr vorhanden. Mal abgesehen davon, dass die Angebote der Vereine immer dazu führen, dass die Leute, die diese Kurse absolvieren, dabei bleiben, weiter den Sportvereinen angehören, weiter in den Sportvereinen Sport treiben und dann die Effekte festigen, die durch die Kurse initiiert wurden.“
So Dietrich Monstadt, Bundestagsabgeordneter von der CDU. Er rechnet damit, dass die meisten der derzeit laufenden ca. 100.000 Präventionskurse mangels Teilnehmer womöglich bald aufgeben müssen. Denn ohne gewährten Zuschuss könnten sich viele Teilnehmer die nicht leisten.

Sport- und Gesundheitswissenschaftler schlagen Alarm

Das Ziel des Gesetzes, mehr für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu tun, sei zwar grundsätzlich richtig, erklärte beispielsweise die AOK. Allerdings hat eine aktuelle Auswertung der Studienlage durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gerade erst gezeigt: Es sei nicht belegbar, dass das im Herz-Gesetz vorgesehene flächendeckende Screening von Kindern und Jugendlichen zur Früherkennung von Fettstoffwechselstörungen in dieser Form einen Nutzen hat. Es ist also mitunter fraglich, wie gut das neue Gesetz die Herzgesundheit effektiv verbessern kann.
Auch Sport- und Gesundheitswissenschaftler schlagen Alarm. Die Politik vernachlässige seit Jahrzehnten, etwa Maßnahmen zur Verhaltensprävention und mehr Bewegung in Kitas einzuführen. Stattdessen setze man mit dem neuen Gesetz auf Untersuchungen und Medikamente. Gesundheitswissenschaftlerin Martina Hasseler:
„Ein rein obsoletes Verständnis von Prävention ist im Sinne der medizinischen Prävention, der Krankheitsverhinderung. Dahinter versteckt sich aber nicht die Verhältnisprävention beispielsweise. Oder auch die Gesundheitsförderung, so wie wir sie verstehen in der Gesundheitswissenschaft. Also die Menschen zu befähigen, sich ihrer eigenen Gesundheit zu bemächtigen, oder auch in der Lage zu sein, sich gesund zu erhalten.“  
Daher würde auch die steigende Zahl von pflegebedürftigen Menschen infolge eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts mit dem "Gesundes-Herz-Gesetz" kaum gesenkt, konstatieren Altersmediziner. Regelmäßige Bewegung gerade im Alter sei die beste Prävention, betont Professor Hermann Brandenburg, Gerontologe an der Universität Witten Herdecke.
„Was sind die Bedarfe der Personen? Ich glaube nicht, dass das mit den Vorgaben, die ich jetzt ansatzweise so kenne, gelingen wird. Vor allen Dingen nicht der Aspekt der Prävention. Das wäre ein Element, das aus meiner Sicht unbedingt sehr stark gemacht werden muss.“
Noch ist beim "Gesundes-Herz-Gesetz" das letzte Wort nicht gesprochen. Abgeordnete der SPD und von den Grünen haben bereits angekündigt, den Gesetzesentwurf nachzubessern. Eine Kürzung der Mittel für Präventionsangebote sei den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land und den vielen Sportvereinen, die diese Angebote mit großem Einsatz betreiben, nur schwer zu vermitteln, erklärt die SPD Abgeordnete Barahadi Nezahat im Deutschlandfunk-Interview. Sie wünsche sich daher noch eine Diskussion um einige Aspekte der Finanzierung.