Medaillen haben zwei Seiten, sagt man. Elektronische Zigaretten auch! Erwachsenen Rauchern können sie helfen, von ihrem Tabakkonsum loszukommen. Jugendliche dagegen könnten durch das Dampfen von E-Zigaretten überhaupt erst den Zugang zum Rauchen finden, wenn sie später auf klassische Tabakprodukte umsteigen. Das ist eine Befürchtung, die man oft von Medizinern und Gesundheitsexperten hört.
In Deutschland wurde darüber aber noch nicht intensiv geforscht. Um so mehr lohnt vielleicht ein Blick in die USA. Dort beschäftigt sich Jessica Barrington-Trimis von der University of Southern California insbesondere mit jugendlichen Dampfern. In einer Expertenrunde äußerte sich die Epidemiologin am Wochenende zum aktuellen Wissensstand.
Jeder fünfte High-School-Schüler dampft E-Zigaretten
"Wir wissen: Wenn Jugendliche E-Zigaretten ausprobieren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie später auch mit dem Rauchen beginnen. Das haben inzwischen zehn Studien in den USA übereinstimmend ergeben - und auch einige weitere aus anderen Ländern. Jugendliche Nutzer von E-Zigaretten haben demnach ein 3- bis 4-fach höheres Risiko, Raucher zu werden, als Heranwachsende, die auf E-Zigaretten verzichten. Es gibt sogar Studien, die zeigen: Das betrifft selbst junge Leute, die vorher geschworen hatten, sie würden niemals Tabak-Zigaretten rauchen."
Nach den neusten Erhebungen dampft inzwischen jeder fünfte High-School-Schüler in den USA E-Zigaretten. Verführerisch für die Jugendlichen ist dabei vor allem, dass die Produkte aromatisiert sind. Beinahe täglich erfahre sie Neues darüber, sagt Suchitra Krishnan-Sarin, Professorin für Psychiatrie an der Yale University:
"Es gibt inzwischen fast 15.000 verschiedene Aroma-Mischungen. Und nicht alle der dafür benutzten Chemikalien sind harmlos. Von manchen ist bekannt, dass sie Entzündungsreaktionen oder oxidativen Stress hervorrufen können. In meiner Forschungsgruppe arbeiten wir viel mit Schülern in Connecticut zusammen. Und wir müssen feststellen: Trotz der ganzen Berichterstattung wissen Schüler, Eltern und Lehrer noch immer sehr wenig über E-Zigaretten - und oft nicht einmal, dass sie Nikotin enthalten."
Beliebteste E-Zigarette enthält am meisten Nikotin
Die mittlerweile beliebteste E-Zigarette auf dem US-Markt ist sogar besonders nikotinreich. Sie stammt von einem Start-Up-Unternehmen namens JUUL und sieht aus wie ein USB-Stick, was auch daher rührt, dass sich der enthaltene Akku via USB aufladen lässt. Man braucht ihn zum Aufheizen und Verdampfen des sogenannten E-Liquids. Darin stecken dann bis zu 58 Milligramm Nikotin - in der EU dürfen E-Zigaretten höchstens ein Drittel dieser Menge enthalten.
Ursprünglich hat JUUL seine USB-Stängel zur Raucherentwöhnung entwickelt. Zum Renner wurden sie aber gerade unter Jugendlichen. Das sieht auch Nancy Rigotti mit Sorge, Medizinprofessorin an der Harvard-Universitätsklinik:
"Es sieht so aus, als wäre JUUL eine Katastrophe für Kinder. Andererseits könnte es das beste Mittel sein, um das Rauchen aufzugeben, weil es am meisten Nikotin enthält. Und darum geht es Rauchern ja - um die Versorgung mit Nikotin."
In Deutschland sind E-Zigaretten für Minderjährige verboten. Und nur 2,8 Prozent von ihnen gaben 2018 an, zu dampfen oder schon 'mal gedampft zu haben. Doch auch hierzulande sind die JUUL-Zigaretten inzwischen auf dem Markt, also potenziell zugänglich. Mit geringerem Nikotingehalt zwar, aber auch mit Aromen wie Mint und Mango, die das Dampfen so attraktiv machen.
In den USA gibt es inzwischen Überlegungen von Medizinern, ob man nicht die ganzen Aromastoffe aus E-Zigaretten verbannen sollte. Damit Jugendliche erst gar nicht auf den Geschmack kommen und später auch nicht zum Rauchen wechseln.