In unseren Zellen tragen wir nicht nur das Erbgut, das Genom, sondern auch das sogenannte Epigenom. Das Epigenom regelt, wann einzelne Abschnitte der DNA, also Gene, aktiv sind und wann nicht und damit, ob die Doppelhelix abgelesen wird und Proteine entstehen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Temperaturextreme, Bewegung oder Stress das Epigenom verändern können.
Dr. Barbara Stefanska von der US-amerikanischen Purdue Universität erforscht, wie auch Nährstoffe das menschliche Epigenom beeinflussen können. Sie hat dabei vor allem die Methylierung im Blick. Dabei werden Methylgruppen, chemische Verbindungen aus einem Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatomen, an die DNA angehängt. Bioaktive Stoffe, wie sie in etlichen Lebensmitteln enthaltenen sind, könnten diesen Prozess mitsteuern, zum Beispiel Resveratrol aus Rotwein, das zur Gruppe der Polyphenole gehört, oder Isoflavone, die in Sojabohnen oder Kichererbsen vorkommen.
"Man konnte zeigen, dass diese Verbindungen unser Epigenom verändern, indem sie mit verschiedenen Proteinen wechselwirken, die die DNA-Methylierung regulieren. So können bioaktive Stoffe beeinflussen, ob die DNA mit Methylgruppen versehen wird oder nicht."
Sind an einem Bereich der DNA viele Methylgruppen angehängt, dann ist dieses Gen inaktiv, ohne oder mit nur wenigen Methylgruppen ist es hingegen aktiv.
In grünem Tee zum Beispiel befinde sich eine Substanz, so Stefanska, die das Epigenom verändern könne. Sie trägt den etwas sperrigen Namen Epigallocatechingallat.
"In Krebszellen kann sie sich positiv auswirken. Normalerweise sollten bestimmte Gene gegen den Tumor vorgehen, doch sie tragen viele Methylgruppen und sind dadurch inaktiv, können uns also nicht vor Krebs schützen. Epigallocatechingallat kann diese Gene aber wieder aktivieren."
Auch Resveratrol aus Rotwein, ebenso wie Vitamin A und D könnten einen schützenden Effekt haben, legt eine Studie von Barbara Stefanska und ihren Kollegen nahe.
"Diese Stoffe sorgen dafür, dass bestimmte Gene, die Brustkrebs bekämpfen können, von den Methylgruppen weitestgehend befreit werden. Sie aktivieren dadurch diese Gene und schützen uns vor dem Krebs. Generell kann man sagen, dass diese Verbindungen das Tumorwachstum eindämmen und die Brustkrebszellen empfindlicher machen für bekannte Krebsmedikamente."
Ihre Untersuchungen führten die Genetikerin und ihr Team an menschlichen Brustkrebszellen durch, bis jetzt allerdings nur in der Petrischale, klinische Studien mit Probanden gibt es noch nicht. Bei ihrer neusten Arbeit beschäftigt sich Stefanska mit Prostatakrebs: Sie behandelte im Labor menschliche Prostatakrebszellen mit SAM, die Abkürzung steht für S-Adenosylmethionin, eine bestimmte Form der essenziellen Aminosäure Methionin. Sie ist zum Beispiel in Brokkoli oder Spinat enthalten. Eine Gruppe von Mäusen bekam die mit SAM behandelten Krebszellen in den Oberschenkel gespritzt, eine zweite, die Kontrollgruppe, unbehandelte Krebszellen. Anschließend beobachteten die Forscher das Tumorwachstum.
"SAM führt zu einer starken Methylierung von Krebsgenen und schaltet sie dadurch aus. So schützt es bei den Mäusen vor einer Metastasenbildung in den Knochen."
Bioaktive Stoffe können also nach Ansicht der Wissenschaftler entweder direkt gegen Krebsgene vorgehen, oder aber sie aktivieren bestimmte Gene, die ihrerseits Krebszellen bekämpfen können.
Ob im aktuellen Fall SAM auch beim Menschen hilft, müssten erst weitere Studien klären, so Dr. Bernd Welker, niedergelassener Arzt in Bonn, der sich seit vielen Jahren mit bioaktiven Substanzen beschäftigt.
"Wir sind am Anfang dieser Forschung und die Arbeiten von Frau Dr. Stefanska und ihrem Team sind en vogue, insofern muss man mit den Aussagen vorsichtig sein, aber es deutet alles darauf hin, dass ein enormes Potenzial in diesen Stoffen steckt und dass nicht nur ein Stoff wichtig ist, sondern die Gesamtheit."