Friedbert Meurer: Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist ein besonderes. Ähnlich wie Geistliche oder Anwälte sind Ärzte zur Verschwiegenheit verpflichtet. Man vertraut seinem Arzt Dinge an, entblößt sich, wie man das sonst höchstens in der Familie tut. Der Patient hofft, mein Arzt tut alles zu meinem Besten. Wenn dann aber bekannt wird, dass Ärzte Medikamente oder Behandlungen verschreiben, weil sie vorher von der Pharmaindustrie bestochen wurden, dann ist das Vertrauen schnell dahin. Gleich Fragen an Stefan Etgeton von der Bertelsmann Stiftung, wie verbreitet ist Korruption unter Ärzten, was können Patienten dagegen tun, wenn sie Verdacht schöpfen?
Korruption gibt es nur im Ausland, in Deutschland fast nie! – Das glaubt mittlerweile kaum noch jemand. In Europa liegt Deutschland im Korruptionsindex der Organisation Transparency International auf Platz neun. Nicht gerade ein Spitzenplatz! Jetzt zum Jahreswechsel haben die Krankenkassen Alarm geschlagen, noch immer gibt es nämlich eine Lücke im Gesetz, wonach niedergelassene Ärzte wie Hausarzt, Zahnarzt, viele Fachärzte, nicht wegen Bestechlichkeit bestraft werden können, jedenfalls nach Strafrecht. Das gilt nur für den angestellten Arzt, nicht aber für Freiberufler!
Stefan Etgeton ist Gesundheits- und Verbraucherschutzexperte bei der Bertelsmann Stiftung in Berlin, guten Tag, Herr Etgeton!
Stefan Etgeton: Schönen guten Tag, Herr Meurer!
Meurer: Karl Lauterbach von der SPD sagt, höchstens ein Prozent der Ärzte sind bestechlich, Frank Ulrich Montgomery, Bundesärztekammer, alles grotesk übertrieben. Was meinen Sie?
Etgeton: Ich glaube, dass es sehr schwer zu quantifizieren ist. Und es hängt auch damit zusammen, dass der Begriff der Bestechlichkeit oder der Korruption natürlich auslegungsfähig ist. Also, ist es schon Bestechung, wenn der Arzt einen Pharmareferenten empfängt und sich durch dessen Argumente oder durch dessen Materialien davon überzeugen lässt, ein bestimmtes Medikament zu verordnen? Wenn da die Korru…
Meurer: Das nicht, aber wenn er Geld dann bekommt, Prämien?
Etgeton: Wenn er Geld für die Verordnung eines Medikamentes bekommt, ist es klar. Wenn er ein Geschenk annimmt von dem Pharmareferenten, wird es schon schwieriger. Und schon das Material, das er bekommt, oder die Software, die er möglicherweise günstiger bekommt, sind natürlich Vergünstigungen, die ihn beeinflussen können. Insofern müssen wir uns genau anschauen, wo fängt quasi der Korruptionstatbestand an? Man muss sich allerdings, finde ich, in der ganzen Debatte generell fragen, welchen Sinn haben eigentlich die Besuche von Pharmareferenten in Arztpraxen, unabhängig davon, ob der Pharmareferent mit Geschenken kommt oder nicht!
Meurer: Also, Sie meinen, das ist überflüssig, die sollen außen vor bleiben?
Etgeton: Ich denke, das ist überflüssig. Denn das dient im Wesentlichen dem Marketing, also, das dient dem Vertrieb eines bestimmten Medikamentes, dient nicht der medizinischen Aufklärung oder Fortbildung des Arztes. Auch das zahlen wir letztlich im System natürlich über die Preise der Medikamente mit, ohne dass da irgendwelche Geschenke fließen.
Meurer: Was ist denn an Geschenken üblich, haben Sie da ein paar Beispiele, was da so über die Theke wandert?
Etgeton: Also, das geht von Geräten, Computern zum Beispiel, die geschenkt werden oder wurden, auch da hat sich die Politik einzelner Firmen ja durchaus positiv verändert, bis hin zu Reisen, die gemacht oder bezahlt wurden zu irgendwelchen Kongressen, was gefördert wird. Es wird zum Teil Software, die der Arzt benutzt, um Medikamente auszusuchen, gesponsert, und dann stellt sich heraus, dass da bestimmte Medikamente bestimmter in dem Fall auch häufig Generika-Hersteller, also der Nachahmerpräparate, bevorzugt gelistet werden. Das sind alles sehr subtile Methoden, wie natürlich das Verordnungsverhalten des Arztes beeinflusst werden kann.
Meurer: Würde es irgendetwas bringen, Herr Etgeton, zu sagen, Pharmareferenten bleiben außen vor? Die haben ja immer noch die Möglichkeit, Telefon zur Hand zu nehmen oder dem Arzt eine Mail zu schicken!
Etgeton: Also, es würde vielleicht etwas bringen, wenn die Ärzte die Besuche der Pharmareferenten transparent machen würden. Also, wenn ich als Patient in der Praxis durch einen Aushang oder so sehen könnte, hier war in den letzten Wochen der und der Pharmareferent, das würde vielleicht schon etwas bringen. Dass das einfach deutlich wird auch für den Patienten, wie viel Zeit widmet der Arzt, die ja ständig darüber klagen, dass sie zu wenig Zeit haben, wie viel Zeit widmet er eigentlich diesen Pharmabesuchen? Und möglicherweise würde das auch dazu führen, dass der ein oder andere Arzt sagt, nein, ich möchte diesen Besuch nicht mehr. Das tun ja inzwischen schon einige.
Meurer: Die Idee, über die jetzt diskutiert wird – Hausärzte sollen nach Strafrecht verurteilt werden können, wenn sie Bestechungen entgegengenommen haben, viele wundern sich ja, dass das bisher überhaupt nicht als strafrechtlich relevant galt –, was würde das bringen?
Etgeton: Na, das würde bringen, dass der Freiberufler sich nicht mehr quasi außen vor sieht, was seinen öffentlichen Auftrag anbelangt. Wir haben es ja bei den Ärzten mit so einer Mischung zu tun aus Personen, die im öffentlichen Auftrag handeln, insbesondere wenn sie eine Kassenzulassung haben, und Menschen, die freiberuflich tätig sind. Es würde bei den Ärzten das Bewusstsein stärken, dass sie eben im öffentlichen Auftrag handeln, und würde – das ist in dem Beitrag ja auch gesagt worden – die Ständeorganisation natürlich auch sensibilisieren, an den Stellen schärfer zu reagieren. Ich glaube persönlich, dass die standesrechtlichen Konsequenzen, also Entzug der Zulassung oder sogar der Approbation, das schärfere Schwert ist als eine rein strafrechtliche Regelung, möglicherweise muss man das dann kombinieren.
Meurer: Wird das bisher überhaupt schon angewendet, dieses Schwert?
Etgeton: Soweit ich weiß, für den Fall der Korruption nicht. Ich kann jetzt Einzelfälle nicht ausschließen, aber jedenfalls ist es keine massenhafte Anwendung von Zulassung…, es ist ohnehin schwer, dem Arzt Zulassung zu entziehen.
Meurer: Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte, Verbraucherschutzexperte bei der Bertelsmann Stiftung in Berlin, zur Diskussion um korrupte Ärzte und was man dagegen tun kann. Danke und auf Wiederhören, Herr Etgeton!
Etgeton: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Korruption gibt es nur im Ausland, in Deutschland fast nie! – Das glaubt mittlerweile kaum noch jemand. In Europa liegt Deutschland im Korruptionsindex der Organisation Transparency International auf Platz neun. Nicht gerade ein Spitzenplatz! Jetzt zum Jahreswechsel haben die Krankenkassen Alarm geschlagen, noch immer gibt es nämlich eine Lücke im Gesetz, wonach niedergelassene Ärzte wie Hausarzt, Zahnarzt, viele Fachärzte, nicht wegen Bestechlichkeit bestraft werden können, jedenfalls nach Strafrecht. Das gilt nur für den angestellten Arzt, nicht aber für Freiberufler!
Stefan Etgeton ist Gesundheits- und Verbraucherschutzexperte bei der Bertelsmann Stiftung in Berlin, guten Tag, Herr Etgeton!
Stefan Etgeton: Schönen guten Tag, Herr Meurer!
Meurer: Karl Lauterbach von der SPD sagt, höchstens ein Prozent der Ärzte sind bestechlich, Frank Ulrich Montgomery, Bundesärztekammer, alles grotesk übertrieben. Was meinen Sie?
Etgeton: Ich glaube, dass es sehr schwer zu quantifizieren ist. Und es hängt auch damit zusammen, dass der Begriff der Bestechlichkeit oder der Korruption natürlich auslegungsfähig ist. Also, ist es schon Bestechung, wenn der Arzt einen Pharmareferenten empfängt und sich durch dessen Argumente oder durch dessen Materialien davon überzeugen lässt, ein bestimmtes Medikament zu verordnen? Wenn da die Korru…
Meurer: Das nicht, aber wenn er Geld dann bekommt, Prämien?
Etgeton: Wenn er Geld für die Verordnung eines Medikamentes bekommt, ist es klar. Wenn er ein Geschenk annimmt von dem Pharmareferenten, wird es schon schwieriger. Und schon das Material, das er bekommt, oder die Software, die er möglicherweise günstiger bekommt, sind natürlich Vergünstigungen, die ihn beeinflussen können. Insofern müssen wir uns genau anschauen, wo fängt quasi der Korruptionstatbestand an? Man muss sich allerdings, finde ich, in der ganzen Debatte generell fragen, welchen Sinn haben eigentlich die Besuche von Pharmareferenten in Arztpraxen, unabhängig davon, ob der Pharmareferent mit Geschenken kommt oder nicht!
Meurer: Also, Sie meinen, das ist überflüssig, die sollen außen vor bleiben?
Etgeton: Ich denke, das ist überflüssig. Denn das dient im Wesentlichen dem Marketing, also, das dient dem Vertrieb eines bestimmten Medikamentes, dient nicht der medizinischen Aufklärung oder Fortbildung des Arztes. Auch das zahlen wir letztlich im System natürlich über die Preise der Medikamente mit, ohne dass da irgendwelche Geschenke fließen.
Meurer: Was ist denn an Geschenken üblich, haben Sie da ein paar Beispiele, was da so über die Theke wandert?
Etgeton: Also, das geht von Geräten, Computern zum Beispiel, die geschenkt werden oder wurden, auch da hat sich die Politik einzelner Firmen ja durchaus positiv verändert, bis hin zu Reisen, die gemacht oder bezahlt wurden zu irgendwelchen Kongressen, was gefördert wird. Es wird zum Teil Software, die der Arzt benutzt, um Medikamente auszusuchen, gesponsert, und dann stellt sich heraus, dass da bestimmte Medikamente bestimmter in dem Fall auch häufig Generika-Hersteller, also der Nachahmerpräparate, bevorzugt gelistet werden. Das sind alles sehr subtile Methoden, wie natürlich das Verordnungsverhalten des Arztes beeinflusst werden kann.
Meurer: Würde es irgendetwas bringen, Herr Etgeton, zu sagen, Pharmareferenten bleiben außen vor? Die haben ja immer noch die Möglichkeit, Telefon zur Hand zu nehmen oder dem Arzt eine Mail zu schicken!
Etgeton: Also, es würde vielleicht etwas bringen, wenn die Ärzte die Besuche der Pharmareferenten transparent machen würden. Also, wenn ich als Patient in der Praxis durch einen Aushang oder so sehen könnte, hier war in den letzten Wochen der und der Pharmareferent, das würde vielleicht schon etwas bringen. Dass das einfach deutlich wird auch für den Patienten, wie viel Zeit widmet der Arzt, die ja ständig darüber klagen, dass sie zu wenig Zeit haben, wie viel Zeit widmet er eigentlich diesen Pharmabesuchen? Und möglicherweise würde das auch dazu führen, dass der ein oder andere Arzt sagt, nein, ich möchte diesen Besuch nicht mehr. Das tun ja inzwischen schon einige.
Meurer: Die Idee, über die jetzt diskutiert wird – Hausärzte sollen nach Strafrecht verurteilt werden können, wenn sie Bestechungen entgegengenommen haben, viele wundern sich ja, dass das bisher überhaupt nicht als strafrechtlich relevant galt –, was würde das bringen?
Etgeton: Na, das würde bringen, dass der Freiberufler sich nicht mehr quasi außen vor sieht, was seinen öffentlichen Auftrag anbelangt. Wir haben es ja bei den Ärzten mit so einer Mischung zu tun aus Personen, die im öffentlichen Auftrag handeln, insbesondere wenn sie eine Kassenzulassung haben, und Menschen, die freiberuflich tätig sind. Es würde bei den Ärzten das Bewusstsein stärken, dass sie eben im öffentlichen Auftrag handeln, und würde – das ist in dem Beitrag ja auch gesagt worden – die Ständeorganisation natürlich auch sensibilisieren, an den Stellen schärfer zu reagieren. Ich glaube persönlich, dass die standesrechtlichen Konsequenzen, also Entzug der Zulassung oder sogar der Approbation, das schärfere Schwert ist als eine rein strafrechtliche Regelung, möglicherweise muss man das dann kombinieren.
Meurer: Wird das bisher überhaupt schon angewendet, dieses Schwert?
Etgeton: Soweit ich weiß, für den Fall der Korruption nicht. Ich kann jetzt Einzelfälle nicht ausschließen, aber jedenfalls ist es keine massenhafte Anwendung von Zulassung…, es ist ohnehin schwer, dem Arzt Zulassung zu entziehen.
Meurer: Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte, Verbraucherschutzexperte bei der Bertelsmann Stiftung in Berlin, zur Diskussion um korrupte Ärzte und was man dagegen tun kann. Danke und auf Wiederhören, Herr Etgeton!
Etgeton: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.