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Gesundheitsökonom fordert für jeden Arztbesuch Praxisgebühr

Liminski: Es gibt ein böses 'on dit' unter Ärzten, das lautet gesund ist jemand, der nur nicht ausreichend untersucht worden ist. Nun soll künftig, darüber sind sich alle einig, keine nötige Untersuchung entfallen und dennoch weiter gespart werden. Was ist nun nötig, wo sind weitere Einsparpotentiale? Dazu begrüße ich am Telefon Professor Peter Oberender, er ist Gesundheitsökonom an der Universität Bayreuth und Mitglied im Wissenschaftsrat der Bundesrepublik und dort vor allem im Medizinausschuss tätig. Guten Tag.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Oberender: Guten Tag, Herr Liminski.

    Liminski: Erste Fortschritte sind wohl zu beobachten, alle sagen aber, das reicht noch nicht aus. Wo sehen Sie denn noch Einsparpotentiale?

    Oberender: Ich glaube, man kann dadurch einsparen, dass man eben moderne Medizintechnik stärker einsetzt, zum Beispiel CT. Die sind exakt in der Untersuchung, man kann dadurch letztlich überflüssige Chirurgie vermeiden, insbesondere bei Lungenkarzinomen und auch Vermeidung einer überflüssigen Strahlentherapie und hat dann dazu eben eine bessere Lebensqualität für den Patienten, das heißt, der ist letztlich weniger belastet.

    Liminski: Die Medizintechnik kommt uns also entgegen, aber die Bevölkerung altert, vom Methusalemkomplott ist die Rede. Ist das Komplott kostspielig auf Dauer, überfordert es uns vielleicht?

    Oberender: Ich glaube schon, darauf sollten wir uns auch einstellen, dass die Medizin nicht billiger wird sondern dadurch, dass wir immer mehr diagnostizieren und therapieren können, was ich auch sehr gut finde an der Sache, wird es insgesamt teurer werden, das heißt, wir müssen uns überlegen, welche Leistungen sind noch in der Solidargemeinschaft zu finanzieren und welche nicht. Und da bin ich der Meinung, man kann den Zahnbereich völlig rausstreichen, wie wir das jetzt machen zum 1. Januar 2005, diese Sache letztlich privat versichern, auch Kuraufenthalte, Krankengeld und so weiter. Es gibt sicher einiges, was man noch stärker dem Einzelnen anlasten muss.

    Liminski: Aber manche Kuraufenthalte sind nun doch auch notwendig, wenn ich zum Beispiel an die Mutter-Kind-Kuren denke.

    Oberender: Es gibt sicherlich welche, die erforderlich sind, aber das hat eigentlich nichts mit Krankheit zu tun sondern das muss aus anderen Töpfen kommen, eben aus dem Sozialministerium heraus und aus der Krankenkasse gelöst werden. Anschlussheilverfahren, äußerst wichtig, müssen wir weiter in der gesetzlichen Krankenversicherung lassen, da stimme ich Ihnen zu.

    Liminski: Welche sozial verträglichen Lösungen sehen Sie denn bei künftigen Einsparungen?

    Oberender: Ich könnte mir vorstellen, dass man eben stärker als bisher für jeden Arztbesuch eine Praxisgebühr verlangt. Man hat da in Schweden sehr gute Erfahrungen gemacht, wo für jeden Arztbesuch gezahlt werden muss. Das hat den Vorteil, das letztlich die Frequenz doch beträchtlich sinkt. Bei uns ist es im Durchschnitt so, dass ein gesetzlich Versicherter im Jahr so etwa 8,5 bis neun mal zum Arzt geht, in Schweden ist das 2,3 mal. Das ist die eine Seite. Dann glaube ich, wo man auch sparen kann ist, dass man Anreize schafft, auch für die Ärzte, um letztlich Prävention bei ihren Patienten voranzutreiben. Das kann man machen, indem man eben Komplexpauschalen konstruiert.

    Liminski: Praxisgebühr erhöhen, schlagen Sie vor - haben Sie da eine Zahl im Kopf, vielleicht das Doppelte, 20 Euro?

    Oberender: Nein, ich meine nicht erhöhen, sondern bei jedem Arztbesuch, dass man sagt, ihr müsst acht Euro bezahlen. Natürlich mit der Härtefallregelung, selbstverständlich, damit wir uns nicht missverstehen. Auch Kinder und Jugendliche müssen frei sein bis zum 18. Lebensjahr und Leute, deren Einkommen nicht hoch genug ist, wie wir das jetzt auch haben, müssen hier tatsächlich freigestellt werden. Ansonsten würde ich sagen: für jeden Arztbesuch acht Euro und dann kriegen Sie einen Steuerungseffekt. Das ist jetzt bereits vorhanden. Bei den Hausärzten nimmt die Frequenz um etwa zehn Prozent ab, bei den Fachärzten um etwa elf oder zwölf Prozent. Das heißt nicht, dass einzelne Ärzte stärkere Einbußen haben, das ist der Durchschnitt.

    Liminski: Aber insgesamt eine Verlagerung auf den privaten Bereich?

    Oberender: Ja, ich sehe in der Tat keine andere Möglichkeiten, wenn wir uns überlegen, wir werden älter, es werden die Jüngeren nicht nachwachsen, wir schrumpfen als Bevölkerung und es nimmt der Anteil der Alten immer mehr zu, dann ist die Frage, wer das finanzieren soll und das Argument, das ich immer wieder höre, dass man sagt, ich habe ja in die Sozialversicherung und auch Krankenkasse einbezahlt, das Argument stimmt, aber es war ja vieles nicht möglich bisher.

    Liminski: Das war Professor Peter Oberender, er ist Gesundheitsökonom an der Universität Bayreuth und Mitglied im Wissenschaftsrat der Bundesrepublik. Besten Dank für das Gespräch.