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Gesundheitspolitiker Ullmann (FDP)
Einzelne Krankenhäuser schließen und Qualität steigern

In Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser – zu diesem Schluss kommt eine Bertelsmann-Studie. Das Problem der Überversorgung bestehe vor allem in Ballungsräumen, erklärte der FDP-Politiker Andrew Ullmann im Dlf. Deswegen sollten Krankenhäuser geschlossen und mehr Patienten ambulant behandelt werden.

Andrew Ullmann im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Professor Andrew Ullmann, Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages.
Andrew Ullmann, Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages ist selbst Arzt (imago / Florian Gaertner )
Christoph Heinemann: Am Telefon ist Professor Andrew Ullmann, Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, Wahlkreis Würzburg und selbst Arzt. Guten Tag!
Andrew Ullmann: Guten Tag, Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Ullmann, wäre weniger mehr?
Ullmann: Ich denke, wir müssen die Krankenhausstrukturen eigentlich von der Qualität her aus betrachten, und da muss ich explizit sagen, ich begrüße die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie, denn es zeigt deutlich, was wir brauchen. Wir brauchen eine Strukturreform der Krankenhäuser, denn wir haben – und das hat die Studie auch gezeigt – eine Über-Unter-Versorgung, die müssen wir versuchen zu zerschlagen. Wir haben eine Überversorgung gerade in Ballungsgebieten und eine Unterversorgung meist in ländlichen Regionen, und was ich gerne haben möchte als Politiker ist, dass ich eine moderne, das heißt bedarfsgerechte und medizinisch auch hochwertige Versorgung auch gewährleisten möchte für alle in unserem Land.
"Problem nicht in der ländlichen Region"
Heinemann: Wenn man jetzt hunderte Kliniken schließen würde, wären dann die Menschen auf dem Land nicht die Gekniffenen?
Ullmann: Ich glaube nicht, dass die gekniffen sind. Im Gegenteil, wir könnten sogar Häuser in der ländlichen Region auch aufwerten. Aufwerten – und das kam ja auch gerade in dem Beitrag auch ein bisschen vor –, wo die ambulante Versorgung auch gestärkt werden kann, sollte es Häuser geben im ländlichen Raum, die geschlossen werden müssten, weil sie einfach die Qualität nicht aufhalten können, diese Häuser auch durchaus in lokalen integrierten Gesundheitszentren umgewidmet werden, wo eine ambulante und auch eine teilstationäre Versorgung stattfinden kann.
Aber die Studie hat ja gezeigt, dass das Problem ja weniger in der ländlichen Region existiert, sondern in Ballungsgebieten, wo über 75 Prozent dieser kleineren Häuser noch existieren, die die Qualität nicht aufbringen können, die auch gerade in dieser Studie kritisiert worden ist.
Heinemann: Nun sagt die deutsche Krankenhausgesellschaft, sie warnt vor einer Zerstörung einer sozialen Infrastruktur in abenteuerlichem Umfang. Wieso sollte man das in Kauf nehmen?
Ullmann: Ich denke, das passiert auch nicht. Was wir eigentlich wollen als Politiker, ist, dass jeder in unserem Land die bestmögliche gesundheitliche Versorgung auch bekommt, und wir wissen auch, dass die Zahlen, die vorliegen, gesagt haben, dass die stationäre Versorgung in 27 Prozent der Fälle möglicherweise gar nicht notwendig gewesen wären, sondern hätte ambulant stattfinden können, und wir hätten dadurch auch hochqualitative Versorgung gewährleistet.
Ein Beispiel, auch in der Studie erwähnt worden: Hubschrauberrettungsdienst zu akquirieren, damit auch die Menschen rasch in diese Zentren kommen, die die Qualität auch gewährleisten können. Ich möchte, ehrlich gesagt, haben, dass die ältere Dame, die ein Herzinfarkt im Allgäu hat, relativ schnell ein Krankenhaus bekommt, die dann zum Beispiel, wenn sie ein Herzinfarkt hat, ein Kathederplatz existiert, und das ist – ich kenne die Region natürlich im Allgäu jetzt nicht, aber das muss genauso gut gewährleistet sein, wie wenn jemand in München oder in Köln lebt.
"Geburtshilfe wird möglicherweise nicht in jeder Region aufrechterhalten"
Heinemann: Und wieso sollte die junge Frau zur Entbindung hunderte Kilometer in die nächste Stadt fahren müssen?
Ullmann: Ich denke, das ist eigentlich nicht gedacht dabei, dass man jetzt hunderte Kilometer in die Stadt fahren muss mit der Entbindung. Wir müssen auch klar konstatieren, Geburtshilfe wird möglicherweise nicht in jeder Region aufrechterhalten werden können, wenn die Geburtenraten zu niedrig sind, denn Übung macht ja auch den Meister. Nichtsdestotrotz muss man natürlich kritisch schauen, dass auch die Anfahrtswege nicht zu lang sind, aber auch da wiederhole ich mich ganz gerne: Wenn wir die Rettungssysteme so aufwerten, dass auch eine schnelle Versorgung gewährleistet ist, dass die Menschen, und die Frauen in diesem Fall, auch im Krankenhaus auch ankommen können.
Heinemann: Herr Ullmann, Sie sind Politiker. Halten Sie eine Schließung von 600 Kliniken oder mehr als 600 Kliniken politisch für durchsetzbar?
Ullmann: Ich denke, wenn wir einfach sagen, 600 Krankenhäuser wollen wir schließen, wird es natürlich, wenn wir es so kommunizieren, auf Widerstand stoßen. Wir müssen klarmachen, dass wenn Häuser geschlossen werden, dass die im Sinne der Bürgerinnen und Bürger qualitative, hochwertige Versorgung gewährleistet ist, indem wir Fachärzte in einem Krankenhaus 24 Stunden, sieben Tage die Woche aufrechterhalten können, dass Geräte da sind, ob ein CT oder ein Kathederplatz vorliegt, dass das gewährleistet ist.
Die Studie will ja nicht, dass flächendeckend gleichmäßig 600 Krankenhäuser geschlossen werden, sondern Ziel ist es, punktgenau dort eventuell zu schließen, wo eine Überversorgung existiert. Ich wiederhole mich auch gerne, das ist eher in Ballungszentren vorhanden als in ländlichen Regionen.
Heinemann: Bei einer Zusammenlegung geht es aber auch um Posten. Wie legt man Chefstellen zusammen?
Ullmann: Auch das muss man wieder regional schauen. Da habe ich jetzt auch kein Modell, muss ich ehrlicherweise sagen. Wenn jetzt zwei Häuser zusammengelegt werden oder eins geschlossen wird, und die Arbeitsplätze wären ja nicht verloren. Wir können diese Arbeitsplätze ja auch sehr gut im ambulanten Bereich gebrauchen. Wir brauchen Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich, und wir müssen auch schauen, dass wir auch die Sektorengrenzen abreißen, das ist also die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Wir müssen sehen, dass wir Menschen auch ambulant besser versorgen, und dass wir diese Fachkräfte, die wir da freisetzen, auch integrieren können problemlos.
"Ich habe es erlebt als Arzt, dass wir im Hamsterrad sind"
Heinemann: Herr Ullmann, ich habe es eingangs gesagt, Sie sind selbst Arzt. Wie haben Sie Mängel im Krankenhaussystem erlebt?
Ullmann: Ich habe es erlebt als Arzt, dass wir im Hamsterrad sind. Wir haben eine Notaufnahme, die regelmäßig überfüllt ist, wir haben die Probleme, dass eine ambulante Versorgung nicht immer gewährleistet ist und dass stattdessen lieber stationär behandelt wird anstatt ambulant, damit die Patienten auch versorgt sind. Da bedarf es dringlich auch bei uns in der Politik und nicht nur als Arzt … eine Änderung stattfinden, dass wir sehen, dass wir kooperieren, dass wir den Patienten die bestmögliche Versorgung auch gewährleisten können.
Heinemann: Teilen Sie die Erkenntnis der Studie oder eine der Erkenntnisse, dass es wegen der unzureichenden Ausstattung einzelner Häuser zu Komplikationen und Todesfällen kommt?
Ullmann: Da müsste man die Studie genauer anschauen, wie die Berechnungen durchgeführt worden sind, aber klar ist – und da gibt es ja auch die entsprechenden Studien, die das gezeigt haben –, wenn die Wartezeit bei einem entsprechenden Notfall, ob jetzt Schlaganfall oder Herzinfarkt, es zu höherer Sterblichkeit kommen kann, das heißt, kommt man in ein Haus hinein, die keinen Kathederplatz haben, wo eine unmittelbare Kathederuntersuchung notwendig wäre, dann aber den Patienten erst verlegt, kommt es zu zeitlichen Verzögerungen, und genau diese zeitliche Verzögerung ist mit einer erheblichen Sterblichkeit verbunden, und das müssen wir eigentlich beseitigen.
Es gibt ja auch internationale Studien, die gezeigt haben, dass unsere Herzinfarktsterblichkeit in Deutschland höher ist als in anderen Ländern, zum Beispiel in den nordischen Staaten, die auch deutlich weniger stationäre Betten haben im Vergleich zu Deutschland. Ich denke, da können wir uns auch noch weiter verbessern.
"Für mich ist ein Krankenhaus nicht Heimat"
Heinemann: Herr Ullmann, ich habe es gesagt, die deutsche Krankenhausgesellschaft spricht von sozialer Infrastruktur. Wie viel Marktwirtschaft verträgt das Krankenhauswesen?
Ullmann: Wir haben einen gesellschaftlichen Konsens, dass wir keinen freien Wettbewerb der Krankenhäuser aufrechterhalten, aber sozialer Wettbewerb gegenüber qualitativ hochwertiger Versorgung sehe ich ganz klar die Vorteile in qualitativ hochwertiger Versorgung. Es nützt nicht, ein Krankenhaus im Dorf zu halten oder in einer kleinen Kreisstadt aufrechtzuerhalten, wenn man vielleicht zehn Kilometer weiterfährt und ein besseres Haus hat, die die Geräte auch vorhalten kann.
Die soziale Härte entsteht ja dann, wenn wir einfach die Qualitätsunterschiede im ländlichen Raum, städtischen Raum nicht beseitigen, das heißt, in den ländlichen Regionen ist die Mangelsituation relativ klar, die wir haben, und eine Überversorgung im städtischen Bereich, und das sehe ich zumindest als sozialen Mangel, dass wir nicht dafür gewährleisten können bisher, dass die Versorgung, gleichwertig ist auf dem Lande oder in der Stadt.
Das ist etwas ganz Wichtiges, dass wir gleichwertige gesundheitliche Versorgung für alle Menschen in Deutschland erreichen, das heißt, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, und da müssen wir sehen, dass wir die Überkapazitäten, die wir gerade in Ballungsgebieten haben, abbauen können, die dann die Versorgung in ländlichen Regionen auch verstärken können. [unverständliches Wort; Anm. d. Red.] es ist ganz wichtig, und unser System ist momentan sehr teuer, weil zu viel stationär gemacht wird.
Heinemann: Wieso gibt es in Deutschland so viele Krankenhäuser?
Ullmann: Ich denke, das liegt daran, dass wir in Deutschland die Krankenhausplanung in den Regionen, in den Ländern haben, wo natürlich das Interesse meiner Kollegen derart ist, dass man sagt, lieber ein Krankenhaus vor der Tür, dann ist die Versorgung gewährleistet. Der Gesundheitsminister hat ja auch sogar schon mal von Heimat gesprochen. Da würde ich gerne widersprechen wollen.
Für mich ist ein Krankenhaus nicht Heimat, sondern Krankenhaus ist etwas, um kranke Menschen auch zu behandeln. Wir in Deutschland verdienen die bestmögliche Behandlung überall, und das kann man nur gewährleisten, indem wir die Qualität hochfahren und dass wir auch die Krankenhäuser, die diese Qualität nicht gewährleisten, auch mutig sind, auch gegebenenfalls zu schließen, um so die Versorgung gleichmäßiger auch zu verteilen in einem höheren Niveau. Dieses Niveau wird ja dadurch besser.
Da bedarf es auch natürlich den Einklang zwischen ambulanter Versorgung, auch der Rettungsdienste müssen wir verbessern, und bitte nicht vergessen: Wir können mehr ambulant machen, wenn wir diese stationären Aufnahmen auch weiter reduzieren, und darauf wollen wir eigentlich hingehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.