Drei von zehn Studentinnen in Deutschland bekommen mindestens einmal im Jahr eine psychische Diagnose, bei den männlichen Studierenden sind 15 Prozent betroffen. Das geht aus dem Gesundheitsreport hervor, den die Techniker Krankenkasse, kurz TK, heute in Berlin vorgestellt hat. Gesundheitsdaten von fast 200.000 Studierenden wurden für den jährlichen Report ausgewertet. Vor allem die Arzneimitteldaten lassen Rückschlüsse auf die Gesundheit zu. Demnach hat laut Gesundheitsreport mehr als jeder fünfte Studierende eine psychische Diagnose bekommen, erklärt Thomas Grobe vom Aqua-Institut. Er hat als Mitautor der Studie die Daten ausgewertet.
"Studierende erhalten merklich mehr Antidepressiva als Gleichaltrige, die schon im Berufsleben stehen oder in der beruflichen Ausbildung. Es betrifft nicht alle Studierenden, sondern insbesondere ältere Studierende."
Bis zum Alter von 26 Jahren bekommen Studierende seltener Antidepressiva verschrieben als ihre berufstätigen Altersgenossen. Danach überholen die Studierenden und bekommen ab 32 etwa doppelt so viel verschrieben. Das unterstreicht auch eine Forsa-Umfrage vom März, die die Daten aus dem Gesundheitsreport ergänzt. 1.000 Studierende haben sich zu ihrem Lebensstil geäußert. Demnach geben über die Hälfte der angehenden Akademiker an, dass sie regelmäßig unter Stress leiden. Die Prüfungen, der Lernstoff, die Doppelbelastung von Studium und Job, werden als Hauptfaktoren für Stress genannt. Lena Kattenbeck ist im 3. Semester ihres Masterstudiums Sportmanagment an der TU Darmstadt.
"Also am schwierigsten für mich ist eigentlich das wirkliche Abschalten während der Studienzeit. Wenn die Prüfungen vorbei sind, dann hat man kurz Ferien, aber man guckt schon wieder, muss ich vielleicht ein Praktikum machen, wie geht es weiter. Also ich habe nebenbei noch gearbeitet, und dass man das halt doch alles irgendwie unter einen Hut bringen kann."
Bewältigung der Belastung oft nur mit Hilfe
Sie findet Ausgleich im Sport, doch Lena Kattenbeck ist in der Minderheit. Der Gesundheitsreport zeigt, dass viele Studierende die Belastungen nicht ohne fremde Hilfe bewältigen können. Die Psychotherapeutin Birgt Rominger betreut Studierende in der psychologischen Beratungsstelle des Berliner Studentenwerks. Sie erzählt, dass viele unter depressiver Verstimmung leiden, unter Stressproblematiken und Burnout. Die Ursachen sind vielfältig.
"Es gibt zum Beispiel Studierende, die merken so nach zwei Jahren mit der Doppelbelastung Berufstätigkeit oder Job nebenher und Studium kommen sie nicht so klar. Bei denen baut sich das eher mit der Zeit auf. Es gibt aber auch die Studenten, die haben von Anfang an ein Problem, weil sie vielleicht das soziale Umfeld verlassen mussten. Die Studierenden werden ja jetzt immer jünger, die verlassen ihre Heimat früher als das vor ein paar Jahren üblich war. Sie kommen dann in eine Großstadt wo sie sich zuerst zu Recht finden müssen."
Für viele gilt heute, Abitur mit 17 und dann zum ersten Mal weg von zuhause zum Studium in eine fremde Stadt. Auch die Studienreform mit Bachelor und Masterabschlüssen hat das Studium verändert. Vielen fehlt einfach die Zeit, um sich um ihre Gesundheit zu kümmern, meint die Psychotherapeutin Birgit Rominger. Sie erlebt täglich, dass Studierende sich immer mehr unter Druck setzen.
"Das heißt, dass sie ihr Studium in Regelstudienzeit machen, das heißt, dass sie nicht ein Semester, wenn sie zum Beispiel eine Erkrankung haben, rausfallen. Dass sie sich sehr viel persönlich Druck machen und wenn sie länger brauchen zum Studieren, dass sie das als Scheitern und Sitzenbleiben erleben. Also da merke ich eine sehr deutliche Veränderung gegenüber früher."
Eines zeigt der Gesundheitsreport auch. Im Vergleich zu 2009 ist die Zahl der Studierenden, bei denen mindestens einmal im Jahr eine psychische Erkrankung diagnostiziert wird, um etwa vier Prozent gestiegen.