Rhythmisch blinkt das rote Kreuz an der alten Backsteinfassade. "Apteka Mikolowska" steht über dem Eingang. Alles in rot-weiß. Den polnischen Nationalfarben.
Auf der anderen Straßenseite rangieren PKW. Auf der Suche nach Parkplätzen. Ein halbes Dutzend "NFZ"-Schilder hängen an einem brüchigen Betonbau, dem Ärztezentrum der schlesischen Kleinstadt Mikolow. "NFZ"- drei Buchstaben, blaue Schrift auf weißem Grund, das ist das Zeichen für den staatlichen polnischen Gesundheitsfond. NFZ, das steht für "Narodowy Fundusz Zdrowia". Jeder Pole ist hier pflichtversichert. Auch das Ehepaar, das gerade angekommen ist.
"Als meine Frau Probleme mit ihrem Knie hatte, musste sie vier Monate auf eine Untersuchung warten", erzählt der grauhaarige Senior. Seine Frau steht schweigend daneben, nickt. Zur Untersuchung musste sie dann auch noch in eine andere Stadt fahren. Wer privat zahlt, kommt schneller dran. Aber das können sich viel ältere Patienten nicht leisten:
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe Der polnische Patient.
"Für die Alten ist es am Schwersten", sagen die beiden. "Meine Mutter ist 91 und bekommt umgerechnet 250 Euro Rente", rechnet die Frau vor. Da sind Extra-Ausgaben für die Gesundheit nicht drin.
St. Josef Spital kämpft ums Überleben
"Jetzt wollen sie auch noch das Krankenhaus der Ordensschwestern schließen", sagt der Mann kopfschüttelnd. Und deutet auf einen Klinik-Neubau. "St. Josef Spital" steht an der Seite. Hier kümmern sich seit mehr als hundert Jahren die Borromäerinnen, ein katholischer Orden, um Patienten. Jetzt aber kämpft das Krankenhaus selbst ums Überleben.
Im Altbau, im ersten Stock, hinter einer schmucklosen Holztür, arbeitet Malgorzata Dubinska. Ihr Schreibtisch ist aufgeräumt, die Büro-Wände kahl. Die einzige Dekoration ist ein kleines Holzkreuz über der Tür. "Ich liebe es minimalistisch", sagt die Krankenhaus-Direktorin, in dunkel-blauem Rock, blau-weiß gestreifter Business-Bluse.
"Mit unseren Investitionen wollten wir das Krankenhaus zukunftssicher machen. Und die Qualität weiter verbessern. Wir haben viele Millionen Zloty investiert, wir haben die Chirurgie und die Material-Sterilisation ausgebaut und eine Endoskopie-Abteilung eröffnet."
"Das Geld werden wir nie zurückbekommen"
Zwei Krankenhäuser gibt es in Mikolow, der Kreisstadt mit 40.000 Einwohnern. Eines gehört der Kommune. Eines dem Orden. Beide sind gut ausgelastet. Aber beiden fehlt Geld. Die Diagnose der Direktorin ist eindeutig:
"2017 wurde das Erstattungssystem für Krankenhäuser in Polen neu geregelt. Die Zahlungen, die wir aus dem Nationalen Gesundheitsfonds bekommen haben, wurden eingefroren. Und zwar auf dem Niveau von 2015. Was wir damals an Leistungen erbracht haben, war die Berechnungsrundlage für die zukünftigen Kostenschätzungen."
Das Entgelt für einige Operationen berechnet sich sogar auf der Grundlage von 2009, erzählt sie. Steigende Patientenzahlen, steigende Material- und Energiekosten, aber stagnierende Erstattungen. Das macht in Polen dem gesamten öffentlichen Gesundheitswesen zu schaffen. Und das seit Jahren. Manche sagen seit Jahrzehnten.
"Wir bekommen einen Pauschalbetrag, auf Grundlage von 2015. Die Patienten kosten uns aber pro Jahr aber rund 300.000 Zloty mehr. Das Geld werden wir nie zurückbekommen."
Mit jeder zusätzlichen Operation landet das Krankenhaus weiter in den Miesen. Christliche Barmherzigkeit führt in die irdische Schuldenfalle.
Zu wenig Geld, zu wenig Personal, zu viele Patienten
Raus aus dem Altbau geht es. Rüber in den modernen Anbau. Frisch gestrichene Wände, ein neuer Patientenfahrstuhl. Doch auf den Fluren ist kaum etwas los.
"Wenn ich könnte, würde ich sofort zehn Krankenschwester und zwei oder drei Ärzte einstellen. Wir schaffen es hier zwar noch. Aber wir sind überarbeitet, die Last ist einfach zu groß, es gibt viel zu viele Überstunden."
Ärzte und Schwestern sind in Polen schon lange Mangelware. Zu wenig Geld, zu wenig Personal, zu viele Patienten – da kann die Direktorin nur mit den Schultern zucken. Kürzlich erst warnte der "Verband der Krankenhäuser in den ländlichen Regionen" vor einem Versorgungsnotstand.
"Seit 2017 werden wir von immer neuen Regelungen überrascht. Mal kommen sie vom Ministerium, mal vom Gesundheitsfond. An diese Regelungen müssen wir uns anpassen. Da gibt es keine Alternative. Ich persönlich sehe da keinen Plan, keine Vision, wo es hingehen soll. Sie denken glaube ich nicht langfristig. Nur von heute auf morgen. Und das ist oft einfach nicht nachvollziehbar"
Und das macht die Planungen schwierig. Wenn nicht unmöglich. Und der Kredit für den Neubau muss auf jeden Fall weiter abbezahlt werden. Malgorzata Dubinska bleibt stehen. Atmet tief durch. Die kämpferische Direktorin sieht auf einmal müde aus.
"Im Augenblick haben wir keinerlei Ressourcen mehr, um noch irgendetwas zu finanzieren. Wir können kaum noch unseren Klinikalltag aufrechterhalten. Die Zukunft wird sehr schwierig werden. Alles hängt von der Finanzierung ab."