Beinah lautlos fährt der Roboter, an dessen Gestänge sich oben ein kleines Kameraauge befindet, über einen Meter in die Höhe. In Sekundengeschwindigkeit schwenkt ein Greifarm aus, der zielgerichtet auf eine einzelne Packung in einem gefüllten Regal zusteuert, diese herausnimmt und auf ein Transportband legt:
"Wir fahren hier gerade Qualitätstests unseres Handlingsystems, unseres Achssystems. Alle relevanten Funktionen werden hier auf Herz und Nieren getestet, circa 150 Stunden im Dauertest. Funktioniert die Mechanik, ist alles eingelaufen, Schrauben feste, funktioniert die Elektronik richtig und dann wird die Maschine an den Kunden ausgeliefert."
Wie ein großer begehbarer Kleiderschrank
Beschreibt Marc Rein, Produktionsleiter bei "Mach4" in Bochum, die Aktionen des Roboters im Innenleben eines Automaten, der nach der Endmontage an einen sehr groß geratenen begehbaren Kleiderschrank erinnert. Rechts und links befinden sich hohe Regale, bestückt mit Medikamentenpackungen, in der Mitte der Fahrweg für den Roboter.
Konzipiert sind diese Automaten für die Hauptumschlagplätze im Gesundheitswesen. Und zwar für Apotheken und Krankenhäuser. Das mittelständische Unternehmen "Mach4" gehört nur 16 Jahre nach der Gründung zu den international führenden Herstellern von vollautomatischen Lagerungs- und Ausgabesystemen für Medikamente. Schließlich gibt es in einer Apotheke nach den Worten von Geschäftsführer Gregor Malajka jede Menge zu lagern und zu sortieren:
"Eine Apotheke hat ungefähr fünfzehn- bis zwanzigtausend Arzneimittel im Lager. Für den Kunden sichtbar, aber auch vieles, was nicht sichtbar ist. Also rezeptpflichtige Artikel. Und ein Durchschnittsautomat von uns in einer klassischen Apotheke in Deutschland hat ne Aufnahme zwischen 10.000 und 15.000 Packungen."
Von einer Garage zum weltweiten Unternehmen
Packungen in den unterschiedlichsten Größen, die in Apotheken ansonsten nach dem Generalalphabet, also nach Buchstaben, von Hand in lange Regalwände einsortiert werden. Das verschlingt viel Platz, kostet Zeit und damit auch Geld. Automaten von "Mach4" verkürzen diesen Prozess erheblich:
"Wird eine Packung vom Kassenplatz angefordert, lagern wir mit einer Geschwindigkeit von ungefähr zehn Sekunden im Durchschnitt jede Packung aus."
Nachdem Apotheken-Mitarbeiter über den Computer, der Schnittstelle des Automaten, das gewünschte Medikament eingegeben haben. Mit drei Metern pro Sekunde ist der Roboterarm im Automaten schneller als jeder Mensch am Regal.
Der Firmenname "Mach4" steht allerdings nicht für imposante Geschwindigkeit, sondern für das Motto von damals vier jungen Ingenieuren, die eine Marktnische entdeckt hatten und sich sagten: Vier machen's. In der Startphase in kleinem Stil, sozusagen vor der Haustür, erinnert sich Geschäftsführer Malajka:
"Mit einer Garage angefangen, hinterher kam eine zweite, dritte, vierte dazu."
Heute beschäftigt das Unternehmen weltweit 150 Mitarbeiter, davon rund 100 am Produktionsstandort Bochum. Unter dem Strich erwirtschaftet "Mach4" einen Jahresumsatz von 22 Millionen Euro. Und angesichts der demografischen Bevölkerungsentwicklung zeichnet sich eine Expansion ab. Immerhin versorgen etwa 20.000 Apotheken in der Bundesrepublik Millionen Patienten:
Automat sortiert chaotisch - aber optimal
"Wir werden alle älter, dank der Medizin wahrscheinlich dann auch. Somit entsteht natürlich ein Riesenmarkt. Und wenn man diese Zahl halt benennt, kann man davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren etwa 80 bis 90 Prozent aller Apotheken sich verändern müssen. Um sich zu verändern, muss Automatisierung stattfinden, damit einfach Optimierung in der Fläche, im Verkauf, in der Dienstleistung auch stattfinden kann."
Der Automat sortiert übrigens nicht nach dem Alphabet, sondern chaotisch. Das mag widersinnig anmuten. Doch das heißt: Der Automat nutzt den Raum optimal, indem er je nach Größe der Packung den dafür passenden Platz in den Regalen findet. Natürlich vergisst das elektronische Gehirn nicht, an welcher Stelle das Medikament gelagert wurde:
"Durch die Erkennung im Automaten, die sehr sicher dargestellt ist durch Bilderkennung, erkennen wir einen pharmazeutischen Code, in Zukunft einen Data-Matrix-Code. Und mit dieser Information aus dem Strichcode lesen wir aus, was wir haben, vergleichen die Größenordnung aufgrund der Datenbank zum Arzneimittel in der Verpackung."
1.400 Pillensortier-Roboter weltweit im Einsatz
500 dieser Roboter-Anlagen hat man an deutsche Apotheken und Krankenhäuser ausgeliefert, weitere 900 quer über den Globus. Zum Beispiel jüngst an ein großes Krankenhaus mit 6.000 Patienten in China. Nur wenige Meter von der Produktionshalle entfernt befindet sich der Service-Raum, in dem vier Mitarbeiter an 365 Tagen rund um die Uhr zur Kundenbetreuung bereit stehen und sich per Fernwartung in jeden Automaten bei einem auftretenden Problem einwählen können.
Oder – wie Geschäftsführer Malajka vor einem großen an einer Seitenwand montierten Monitor erläutert – von Bochum aus in Echtzeit überprüfen, ob ein neu installierter Automat einwandfrei funktioniert:
"Hier haben wir die Sonnen-Apotheke in Gunzkirchen, das ist bei Linz in Österreich. Hier haben wir eine Apotheke im Norden von Polen, die wir jetzt die letzten Tage installiert haben und durch technische Oberflächen können wir hier sehen, was der Automat gerade macht."
Und da die demografische Entwicklung fortschreitet, hat man bei "Mach4" inzwischen auch Lösungen für die individuelle Portionierung der täglichen Tablettenration von Patienten entwickelt. Natürlich vollautomatisch.