Archiv

Gesunkenes Flüchtlingsboot
Schwere Vorwürfe gegen Kapitän

Nach dem Flüchtlingsunglück mit mehreren hundert Toten hat die sizilianische Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe gegen den Kapitän erhoben. Die Behörden beschuldigen den inzwischen festgenommen Tunesier, durch Navigationsfehler und falsche Manöver das überladene Frachtschiff zum Kentern gebracht zu haben.

21.04.2015
    Aus Seenot gerettete Flüchtlinge im Hafen von Catania auf Sizilien.
    Aus Seenot gerettete Flüchtlinge im Hafen von Catania auf Sizilien. (AFP / Alberto Pizzoli)
    Der Kapitän aus Tunesien und ein syrisches Besatzungsmitglied wurden an Bord eines Rettungsschiffs verhaftet, das 27 Überlebende der Katastrophe nach Catania auf Sizilien brachte. Der Kapitän versuchte nach Angaben der Staatsanwaltschaft mit "fehlerhaften Manövern" sich einem portugiesischen Frachtschiff zu nähern, das dem Notruf gefolgt war. Dabei sei es zur Kollision mit dem viel größeren Boot gekommen.
    Den Ermittlern zufolge kippte und sank das 20 Meter lange Flüchtlingsschiff auch, weil es völlig überladen war und sich die Menschen nach der Kollision in Panik bewegten. Dem Kapitän werde vielfacher Totschlag, Verursachen eines Schiffsuntergangs und Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen. Dem Syrer wird Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen.
    Auch Kinder unter den Toten
    Um weitere Katastrophen zu verhindern, beraumte die Europäische Union für den kommenden Donnerstag einen Krisengipfel an. Auf der Agenda soll vor allem der Kampf gegen Menschenhändler stehen. Dazu wurde bereits ein Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem eine Ausweitung der Seenotrettung und "zivil-militärische" Maßnahmen zur Festsetzung und Zerstörung von Schleuserbooten vorsieht.
    Kritik an der Europäischen Union
    Der italienische Flüchtlingsrat hält den Plan für unzureichend. "Weil es keine Möglichkeit gibt, als Flüchtling legal und normal in die Europäische Union reinzukommen, werden die Schlepper auch weiterhin ihr schmutziges Geschäft machen können", sagte CIR-Gründer Christopher Hein im Deutschlandradio Kultur.
    Die Aufnahme zeigt Flüchtlinge, die mit ihrem Boot in unmittelbarer Nähe eines Frachtschiffes auf dem Mittelmeer gekentert sind.
    Flüchtlinge, die mit ihrem Boot in unmittelbarer Nähe eines Frachtschiffes auf dem Mittelmeer gekentert sind. (dpa / picture alliance / Opielok Offshore Carriers)
    Der Verband Deutscher Reeder forderte vom EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs greifbare Ergebnisse. Mit dem Auslaufen der Mission Mare Nostrum im vergangenen Herbst sei die Zahl der Flüchtlinge massiv gestiegen, sagte Geschäftsführer Max Johns im Deutschlandfunk. Er nannte die Nachfolge-Aktion Triton "halbherzig". "Deswegen gibt es jetzt mit klarer Ansage viele hundert Tote jede Woche." Viele Besatzungen und Kapitäne seien überfordert mit der permanenten Rettung von Flüchtlingen in Seenot.
    Auch der Deutsche Städtetag forderte ein schnelles Handeln der EU. "Europa kann es sich nicht leisten, in seinem Vorgarten, beziehungsweise in seinem Swimmingpool, so etwas zuzulassen", sagte der Präsident Ulrich Maly nach einer Sitzung des Städtetagpräsidiums. Er appellierte an den Bund und die EU, alles zu tun, damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt. Leitgedanke dürfe nicht der europäische Grenzschutz, sondern müsse die Humanität sein.
    (hba/nch/ach)