"Das ist unsere Schleuse für die Reinraum-Labore."
Am Institut für Raumfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Bremen tüfteln Forscher und Ingenieure wie Hartmut Müller an neuen Missionen für den Weltraum:
"Wir fangen oben an, mit dem Kopf..."
Wer ins Herzstück des Instituts will, braucht Haarhaube, Gesichtsmaske, Kittel und Überschuhe, um die kostbaren Satelliten vor möglicher Verschmutzung zu schützen. Zudem filtert die rauschende Lüftung Staubteilchen aus der Luft:
"Wir sind hier in der Integrationshalle vom Institut für Raumfahrtsysteme vom DLR. Was Sie sehen, ist der Integrationsplatz für den DLR-Kompaktsatelliten."
"Wir werden als Düngemittel künstlichen Urin mit an Bord haben"
Der Satellit EuCropis auf der Montagebühne ist in der Tat kompakt: Beim Start hat er die Ausmaße eines Würfels mit einem Meter Kantenlänge – im All klappen dann nach vier Seiten die Solarzellenflächen aus und versorgen ihn mit Strom. Im Innern des Satelliten befinden sich zwei Gewächshäuser:
"Wir werden Tomaten wachsen lassen. Wir werden das Experiment über Kameras überwachen und Tomaten sind sehr gut aufzunehmen und der Wachstumsprozess ist sehr gut zu erfolgen. Sie sind auch sehr pflegeleicht. Wir werden als Düngemittel künstlichen Urin mit an Bord haben."
Nach dem nach vielen Verzögerungen nun endlich gelungen Start ins All werden die Tomatensamen bald mit Nährflüssigkeit bewässert. LED-Leuchten sorgen für einen Tag- und Nachtrhythmus wie auf der Erde. Die himmlische Tomatenzucht mag zunächst nach einer eher abstrusen Idee klingen, doch dieses Projekt hat einen weitreichenden Hintergrund:
"Wir wollen ein geschlossenes Lebenserhaltungssystem testen, was das Ziel hat, aus Abfallstoffen Lebensmittel und atembare Atmosphäre zu gewinnen. Dieses Experiment ist auf der Erde schon getestet worden. Und wir wollen mit dem Satelliten nachweisen, dass wir das im Langzeitbetrieb, also mindestens sechs Monate, auch unter Gravitationsbedingungen auf dem Mond und auf dem Mars betreiben können."
Erstmalig künstliche Gravitation durch sich drehendes Raumfahrzeug
Sollte sich EuCropis bewähren, so könnten künftige Missionen zum Mond oder zum Mars den Urin der Menschen an Bord nutzen, um Sauerstoff und Lebensmittel herzustellen. Für den Test soll EuCropis auf einer 600 Kilometer hohen Bahn um die Erde kreisen – dort ist die Schwerkraft nicht zu spüren. Daher versetzen Projektleiter Hartmut Müller und sein Team den Satelliten in eine konstante Drehung. So wird anfangs die Anziehungskraft auf dem Mond simuliert, später beschleunigt der Satellit etwas und das zweite Gewächshaus lässt die Tomaten unter Bedingungen wie auf dem Mars wachsen:
"Sie werden nicht geerntet. Wir haben niemanden an Bord, der sie ernten wird. Wir überwachen die Kreisläufe von den Nährstoffen. Und an den Inhalten können wir feststellen, wie die Tomaten gedeihen, ob alles in Ordnung ist, ob irgendwelche Probleme mit der Versorgung gibt oder der Gesundheit der Pflanzen. Und dann haben wir schließlich noch optische Beobachtungen."
EuCropis funkt regelmäßig Bilder der Tomaten zur Erde und sowie viele Messwerte etwa der Zusammensetzung der Luft und der Nährflüssigkeit. Nach spätestens zwei Jahren sind die Mars- und Mondtomaten verrottet und das Experiment beendet. EuCropis wird bald darauf in der Erdatmosphäre verglühen. Geht alles glatt, dann schreibt das DLR mit dem kleinen Satelliten ein bemerkenswert großes Stück Raumfahrtgeschichte:
"Es ist das erste von Menschen gemachte Raumfahrzeug, was die Rotation des Gesamtraumfahrzeugs ausnutzt, um künstliche Gravitation zu nutzen. Also eine Idee, die sehr oft in Science-Fiction-Romanen angegangen wird, aber noch nie ausgenutzt wurde. Wir sind die ersten und daher ist das wirklich ein Anlass, mal so ein Raumfahrsystem ins Guinness Buch der Rekorde zu bringen."