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Gewächshaus in der Antarktis
Gurken und Salat vom Südpol

Es ist ein Testlauf fürs All: das Gewächshaus in der Antarktis, in dem isoliert von der Außenwelt Gemüse angebaut wird. Nun konnten die Forscher zum ersten Mal etwas ernten. Gesteuert wird das Ganze von Bremen aus. Projektleiter Daniel Schubert erklärt im Dlf, mit welchen Widrigkeiten man beim Gemüseanbau bei minus 30 Grad zu kämpfen hat.

Daniel Schubert im Gespräch mit Lennart Pyritz |
    Totale des Inneren eines neues Antarktis-Gewächshauses, das als Vorbereitung für Marsstation dient
    Kein Tageslicht, keine Erde: So sieht es im Antarktis-Gewächshaus aus. (Deutschlandradio/Frank Grotelüschen )
    Lennart Pyritz: 3,6 Kilo Salat, 18 Gurken und 70 Radieschen – so viel Gemüse konnte ein Forscherteam jetzt in der Antarktis ernten – ohne Erde und ohne Tageslicht. Möglich wurde das durch ein Hightech-Gewächshaus, in dem die Pflanzen computergesteuert mit einer Nährstofflösung und Licht versorgt werden. Das Gewächshaus wurde im Januar in der Nähe der deutschen Polarforschungsstation Neumayer III installiert. Der Name: Eden-ISS. Unter der Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt wird dort autarke Pflanzenzucht erforscht, die irgendwann in der Zukunft auch Astronauten auf dem Mond oder Mars zugutekommen soll. Ich habe vor der Sendung mit dem Ingenieur Daniel Schubert telefoniert. Er ist Leiter des Projekts, hat das Gewächshaus mit in die Antarktis gebracht und überwacht nun den Gemüseanbau aus einem Kontrollraum des DLR in Bremen. Ich habe ihn erst mal gefragt, ob es schon Rückmeldungen zum Geschmack des jetzt geernteten Gemüses gab.
    Daniel Schubert: Soweit, wie ich das gehört habe, hat es allen geschmeckt.
    Pyritz: Wurde das in einer bestimmten Weise zubereitet, haben Sie das auch gehört?
    Schubert: Es wurde hauptsächlich als Salat verzehrt, weil es ist ja auch genau das, was den Menschen dort unten in der Antarktis im Moment gerade fehlt, nämlich frisches Gemüse.
    Harte Bedingungen bei 30 Grad unter Null
    Pyritz: Welche Probleme und Herausforderungen haben sich bei diesem Gemüseanbau in der Antarktis bislang gezeigt, die vorher in der Theorie vielleicht nicht so absehbar waren?
    Schubert: Wir haben jetzt momentan gerade minus 30 Grad in der Antarktis, das ist schon einiges, und wir merken jetzt schon, wie die einzelnen sogenannten Lebenserhaltungssysteme für die Pflanzen schon arg am Arbeiten sind, um die notwendigen Umweltbedingungen für die Pflanzen aufrechtzuerhalten.
    Pyritz: Dieses Containergewächshaus basiert ja auf geschlossenen Kreisläufen. Wie funktioniert das unter diesen doch harschen Bedingungen in der Antarktis?
    Schubert: Wir geben den Pflanzen quasi die optimalen Umweltbedingungen wieder und haben aber die Kreisläufe, soweit wie wir das konnten, geschlossen. Das betrifft zum einen den Bewässerungszyklus. Das Wasser oder die Nährstoffe, die wir der Pflanze zum Trinken geben, wird wieder aufgefangen und wird wieder rezirkuliert, das heißt, es wird aufgefangen und dann neu justiert. Wir haben einen eigenen speziellen Mischcomputer entwickelt, der da die Nährstoffe wieder hinzufügt. Und zusätzlich, was auch neu ist, ist, dass wir Aerotronic benutzen, da werden quasi die Pflanzen ohne Erde kultiviert, das heißt, die Wurzeln hängen in der Luft und werden alle fünf Minuten mit einem Nährstofffilm quasi angesprüht. Zuzüglich haben wir das Air-Management-System, bei dem wird quasi die Atmosphäre im Gewächshaus auch recycelt. Wir filtern das Wasser aus der Atmosphäre raus, und dieses Wasser wird zurückgewonnen und wird den Pflanzen wieder zum Trinken gegeben. Darüber hinaus gasen wir auch noch CO2 in die Atmosphäre ein, damit stimulieren wir quasi den Ausstoß der Astronauten, der späteren, wieder, und durch den erhöhten CO2-Gehalt im Gewächshauscontainer haben wir auch ein höheres Wachstum und schnelleres Wachstum vor allen Dingen.
    Pyritz: Sie sind für die Fernüberwachung des Gewächshauses von Bremen aus zuständig, können bis zu drei Tage die Pflanzen versorgen, wenn vor Ort, zum Beispiel bei einem Schneesturm – das ist ja wohl kürzlich so passiert –, niemand zum Gewächshaus vordringen kann. Wie muss man sich das vorstellen, drücken Sie dann in Bremen auf einen Knopf und in der Antarktis werden die Radieschen gewässert?
    Schubert: Ja, genauso muss man sich das vorstellen. Also wir können hier von unserem sogenannten Mission-Kontrollzentrum in Bremen den Container komplett beobachten, können die einzelnen Parameter ablesen, und wir können sogar alles einstellen, so wie wir das haben wollen. Also wir können zum Beispiel sagen, dass die Temperatur im Gewächshaus um zwei Grad steigen soll, und das können wir dann von Bremen aus steuern.
    Ein Ingenieur vor Ort
    Pyritz: Wie genau läuft das ab, also über welche Zwischenschritte passiert das dann von Bremen, dass Sie tatsächlich auf diesen Container in der Antarktis Zugriff haben?
    Schubert: Von unserem Steuercomputer geht das dann erst mal zum Alfred-Wegener-Institut, die zuständig sind für die Neumayer-Station. Die sitzen in Bremerhaven, und von dort aus geht es dann über eine Satellitenverbindung direkt in die Antarktis zur Neumayer-Station selbst, und von der Neumayer-Station zum Container, der 400 Meter entfernt ist, haben wir dann ein Glasfaserkabel gelegt.
    Pyritz: Sie haben diesen Container Anfang des Jahres, diesen Gewächshauscontainer, ja auch mit in die Antarktis gebracht und da die Installation mitverfolgt, deswegen kennen Sie den Alltag dort ja auch. Wie sieht denn das alltägliche Arbeiten Ihres Gärtnerkollegen vor Ort in der Antarktis jetzt aus, welche Arbeiten muss er regelmäßig im Gewächshaus verrichten, wenn Sie das nicht von Bremen aus machen?
    Schubert: Natürlich können wir nicht alles machen, wir können quasi nur die Umweltparameter steuern. Das eigentliche Arbeiten, nämlich zum Beispiel das Aussäen der Pflanzen, das Umsetzen der Pflanzen, aber auch wie zum Beispiel bei Gurke und Tomate, weiß ja vielleicht jeder aus seinem Garten, müssen von Zeit zu Zeit mal einige Triebe abgeschnitten werden und ausgedünnt werden. Das macht der Herr Zabel, der vor Ort ist, und zusätzlich hat Herr Zabel natürlich auch noch Experimente durchzuführen. Wir schauen uns die Essensqualität an, also wie gut ist das, was wir da ernten, ist es sicher zum Essen, und dann macht er dort verschiedene mikrobiologische Untersuchungen im Container.
    Raumfahrtingenieur Paul Zabel beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hinter einem Modell des Projekt "Eden-ISS" (hier eine Aufnahme von November 2017).
    Raumfahrtingenieur Paul Zabel hinter einem Modell des Projekt "Eden-ISS" (Aufnahme von November 2017). (dpa, Carmen Jaspersen)
    Pyritz: Können Sie das noch ein bisschen ausführen, was für mikrobiologische Untersuchungen sind das?
    Schubert: Alle zwei Wochen werden bis zu 40 Proben im Gewächshauscontainer genommen, und das über die gesamte Isolationsperiode, und wir wollen dann sehen, inwieweit bilden sich da irgendwelche Mikroorganismen aus, wie dreckig wird unser Container quasi.
    Pyritz: Ab Mai, also ab kommendem Monat, soll das Containergewächshaus in vollem Betrieb sein und dann jede Woche kiloweise Gemüse abwerfen. Ist das nach dem jetzigen Stand der Dinge, nach Ihren jetzigen Erfahrungen realistisch?
    Schubert: Ja, das glauben wir schon. Wir haben jetzt wie gesagt noch nicht die volle Kapazität erreicht, wir haben jetzt nur den ersten Salat, einige Radieschen und die ersten Gurken geerntet. Das wird sich aber jetzt noch steigern, sobald die Tomaten reif sind und die Paprika.
    Pyritz: Erdbeeren soll es dann auch noch irgendwann geben, habe ich gelesen.
    Schubert: Ja, ich hoffe mal, dass das Ganze wahrscheinlich so gegen August so weit sein wird, dass wir dann quasi auch noch Erdbeeren servieren können.
    Wissen für mögliche Projekte auf dem Mars gewinnen
    Pyritz: Das Projekt dient ja unter anderem dazu, zu erforschen, wie Astronauten auf Mond- und Marsmissionen mithilfe solcher mitgebrachter Hightech-Gewächshäuser mit frischem Gemüse versorgt werden könnten. In welchen Punkten ist denn der aktuelle Gewächshausbetrieb in der Antarktis mit einem solchen künftigen auf dem Mars zum Beispiel vergleichbar und in welchen Punkten ist er das nicht?
    Schubert: Es ist so, dass die Mannschaft dort vor Ort hoch isoliert ist, also die sind jetzt in ihrer Isolationsphase, das heißt, da kommt kein Flugzeug rein oder raus. Eine bemenschte Mission zum Mars, die sind ja auch sehr isoliert und auf sich selbst gestellt, und da erhoffen wir uns mögliche Rückschlüsse, woraus es ankommt bei dem Betrieb eines Gewächshauses. Also wir können jetzt hier nicht einfach mal zum nächsten Bauhaus fahren und irgendwelche Ersatzteile kaufen, sondern wir mussten uns das alles im Vorhinein überlegen, was man braucht, was kann kaputt gehen, und da erhoffen wir uns jetzt Rückschlüsse draus zu ziehen, wie kompliziert, wie komplex ist quasi das Anziehen in so einer isolierten Umgebung. Zusätzlich die extremen Umweltbedingungen: Wie ich ja anfangs schon erwähnt hatte, minus 30 Grad, das wird jetzt höchstwahrscheinlich noch weiter runtergehen, bis minus 40 Grad, besonders wenn wir Sommer haben, leben die dort unten in absoluter Dunkelheit, das sind schon extreme Umweltbedingungen, und das macht das Ganze so realistisch, und wir hoffen, da möglichst viel Wissen herauszuziehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.