Gewaltforscherin Vester
"Maßnahmen reichen nicht, um Gewalt im Fußball zu bekämpfen"

Der Bremer Fußball-Verband hat fast alle Amateurspiele nach Gewaltvorfällen abgesagt. Es gebe ein konstantes Gewaltproblem im Fußball, sagt Kriminologin Thaya Vester im Dlf. Die aktuellen Maßnahmen reichten nicht - es gebe aber erfolgreiche Projekte.

Thaya Vester im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Ein Fußballspieler liegt auf dem Boden und hält sich den Kopf. Daneben sind Beine weiterer Spieler und des Schiedsrichters.
Es gibt neue Maßnahmen gegen Gewalt im Amateurfußball - sowohl im Spiel als auch präventiv. (IMAGO / Hanno Bode / IMAGO / BODE)
Eine Rudelbildung bei einem Herrenspiel, bei dem es zu Tritten gegen den Kopf gekommen sein soll. Zuschauer, die bei einem C-Jugendspiel auf die Spieler losgehen wollten. Und diskriminierende Äußerungen und Gewaltandrohung bei einer Ü32-Partie. In Bremen hat es am vergangenen Wochenende gleich drei schwere Gewaltvorfälle gegeben. Der Verband hat daraufhin beschlossen, für ein Wochenende praktisch alle Spiele abzusagen.
"Wir wollen ein Stopp-Zeichen setzen", so Verbandspräsident Patrick von Haacke gegenüber dem NDR. "Jeder muss sich überlegen, damit solche Taten nicht weiter passieren."

Gewalt im Amateurfußball ein konstantes Problem

Gewaltvorfälle auf Amateursportplätzen sorgen bereits seit Jahren auch in anderen Landesverbänden für Probleme. "Wir hatten jetzt in der abgelaufenen Saison eine Rekordzahl an gewaltbedingten Spielabbrüchen. Und da sieht man durchaus, dass da was im Argen liegt", sagt Thaya Vester. Die Kriminologin von der Universität Tübingen erstellt für den DFB den jährlichen Bericht zu Gewalt im Amateurfußball.
Die Gewalt verstärke sich in Wellenbewegungen, jeweils zum Ende der Hin- und Rückrunde. Wenn es jetzt zu Beginn der Rückrunsch schon eine Häufung geben würde, sei das kein gutes Zeichen.

"Über neue Maßnahmen nachdenken"

Statistisch betrachtet habe der Sport zwar kein riesengroßes Problem mit Gewaltvorfällen, aber doch ein konstantes, sagt Vester: "Und wir sehen auch, dass die bisherigen Maßnahmen und die Bemühungen ganz offenkundig nicht ausreichen, um das Problem wirklich so zu bekämpfen, dass es zufriedenstellend ist." Man solle also über neue Maßnahmen nachdenken.
Als Beispiel nennt Vester das Stopp-Konzept, das in der vergangenen Saison in Württemberg erprobt worden sei. Dabei könne der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen, wenn sich Emotionen hochschaukelten und im Spiel immer mehr Provokationen und Fouls passieren. Die Mannschaften müssten sich dann für fünf Minuten in die eigenen Strafräume zurückziehen. In Württemberg habe es entgegen dem Bundestrend in der vergangenen Saison weniger Spielabbbrüche als in der Saison davor gegeben.

Nachholbedarf nach Corona-Pandemie

Noch besser sei präventive Arbeit: "Wir müssten viel mehr aktiv Fairplay und Werte fördern." Insbesondere in der Corona-Pandemie sei das viel zu kurz gekommen. Weil zu dieser Zeit die Energie in die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs geflossen sei, gebe es nun einen großen Nachholbedarf. Die Leitplanken müssten dabei von den Verbänden kommen, mit Leben könnten es nur die Verein füllen.