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Gewalt bei EZB-Protesten
"Solche Attacken sind durch nichts zu rechtfertigen"

"Ich frage mich, was links daran sein soll, Dinge zu zerstören und Menschen anzugreifen", sagte der hessische Grünen-Landeschef Kai Klose im DLF. Nach den schweren Gewalttaten bei der Blockupy-Demonstration in Frankfurt betonte er, er hätte sich aber auch gewünscht, dass sich die Organisatoren eindeutiger von Gewalt distanzierten.

Kai Klose im Gespräch mit Silvia Engels |
    Kai Klose, der Landesvorsitzender der hessischen Grünen, in einem Raum vor dem Schriftzug "Hessen"
    Kai Klose, Landesvorsitzender der hessischen Grünen (dpa / Fredrik von Erichsen)
    Es habe Warnungen der Polizei vor anreisenden Gewalttätern gegeben, sagte Klose. Die Eskalation der Gewalt sei aber für alle gleichermaßen entsetzlich und unerwartet gewesen.
    "Diese Bilder gehen erst mal niemandem mehr aus dem Kopf", fasste Klose zusammen. Wer sich die Freiheit nehme zu demonstrieren, sei in der Verantwortung, das friedlich zu tun. Auf dieFrage, ob sich die Organisatoren von Blockupy nicht deutlich genug von den Gewalttätern distanziert hätten, sagte Klose man hätte im Vorfeld eine klarere und eindeutigere Abgrenzung erwartet.
    Mit Blick auf die kapitalismuskritische Bewegung sagte Klose, seit eineinhalb Jahren habe die Landesregierung Dialogbereitschaft signalisiert. Auch am Vorgehen der Polizei könne er zunächst keine Fehler erkennen. Man habe im Vorfeld für sehr viel Transparenz gesorgt. Auch die Einführung der Kennzeichnungspflicht von Polizisten sei ein wichtiger Schritt gewesen.
    Deshalb warnte er vor voreiligen Forderungen. Man müsse erst einmal die Analysen abwarten, ob sich tatsächlich neuer Handlungsbedarf abzeichne, betonte Klose.

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Viele Beobachter hatten ja im Vorfeld damit gerechnet, dass die Proteste in Frankfurt am Main anlässlich der Einweihung der neuen EZB-Zentrale nicht friedlich bleiben würden. Doch das Ausmaß, mit dem dann die Gewalt gestern eskalierte, überraschte doch viele. Insgesamt über 200 Verletzte, darunter über 90 Polizisten, auch rund 100 Demonstranten, so lautet die Bilanz. Mahnungen von Veranstaltern der Bewegung Blockupy, friedlich zu bleiben, waren also verhallt. In der Nacht beruhigte sich dann die Lage überwiegend.
    Für die Grünen in Hessen ist die Situation ungewohnt. Nach Jahren in der Opposition und einer traditionell engen Unterstützung von Protestbewegungen wie Occupy oder jetzt auch zum Teil Blockupy müssen sie umdenken. Schließlich bilden sie gemeinsam mit der Union die Landesregierung in Hessen. Am Telefon ist Kai Klose, Landeschef der hessischen Grünen und Mitglied im Landtag. Guten Morgen, Herr Klose.
    Kai Klose: Guten Morgen, Frau Engels.
    Engels: Hätten Sie denn im Vorfeld erwartet, dass die Situation so eskaliert, wie wir das gestern beobachten mussten?
    Klose: Nun, es gab Warnungen der Polizei vor Gewalttätern, die möglicherweise anreisen. Aber wir haben, glaube ich, alle bis zuletzt gehofft, dass es doch gelingt, am gestrigen Tag friedlich zu protestieren. Gewalt kann nie ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Deshalb war das für uns alle gleichermaßen entsetzlich wie erschreckend, was da gestern passiert ist.
    "Bilder gehen erstmal niemandem aus dem Kopf"
    Engels: Der hessische SPD-Chef Schäfer-Gümbel hält den Blockupy-Organisatoren allerdings vor, auch wenn sie sich grundsätzlich erschrocken zeigten, hätten sie sich klarer von Gewalt distanzieren müssen. Teilen Sie die Kritik?
    Klose: Wir haben ja im Vorfeld der Demonstration, die ja jetzt über viele Monate absehbar war, viele Debatten auch dazu geführt, auch im Landtag geführt. Die Polizei hat sehr frühzeitig Dialogangebote gemacht. Die haben leider nicht alle Organisatoren ergriffen. Auch wir haben sicher eine klarere und eindeutigere Abgrenzung im Vorfeld von Organisatoren erwartet. Es ist bedauerlich, dass das bis jetzt nicht so richtig möglich zu sein scheint. Für uns ist entscheidend: Wer das Demonstrationsrecht in Anspruch nimmt, wer sich die Freiheit nimmt zu demonstrieren, was ein hohes demokratisches Gut ist, der ist auch in der Verantwortung, das friedlich und gewaltfrei zu tun, ohne andere und ihr Eigentum zu gefährden, und das ist gestern leider nicht gelungen in Frankfurt.
    Engels: Das heißt, die Distanzierung von Gewalt durch Teile der Organisatoren von Blockupy war nicht deutlich genug?
    Klose: Ja, das empfinde ich jedenfalls nach wie vor so. Sie müssen ja auch sehen: Die große Mehrheit der Menschen, die da gestern demonstriert hat, wollte friedlich, wollte laut, wollte bunt demonstrieren gegen die Austeritätspolitik der EU. Die EZB ist dafür ihr Symbol gewesen. Aber dieser friedliche Protest der großen Mehrheit der Demonstranten ist jetzt überschattet von dem, was die Minderheit der Straftäter angerichtet hat, und die Bilder, die gestern in Frankfurt entstanden sind, werden über Blockupy liegen und diese Bilder gehen ja auch erst mal niemandem aus dem Kopf.
    Engels: Die Jugendorganisation der Grünen, die Grüne Jugend, hatte ja zumindest zur Teilnahme an den Protesten gestern aufgerufen, die Eröffnung der EZB-Zentrale zu blockieren. Muss sich nun Ihre Parteijugend stärker von Blockupy distanzieren?
    Klose: Ich glaube - das ist auch das, was ich gestern durchaus wahrgenommen habe -, dass gerade unsere Grüne Jugend von dem, was gestern dort passiert ist, doch auch erschreckt war und dazu Abstand gesucht hat. Das ist auch entscheidend. Der friedliche Protest ist legitim, Gewalt ist immer destruktiv und ich glaube, dass das auch zu einem Nachdenkprozess bei all den vielen friedlichen Demonstranten, die dort gestern waren, führen wird.
    "Solche Attacken sind durch nichts zu rechtfertigen"
    Engels: Blockupy also mit zerschnittenem Tischtuch gegenüber der Grünen Jugend und umgekehrt? Ist das die Forderung für die Zukunft von Ihnen?
    Klose: Nein, das kann nicht meine Forderung sein. Ich glaube, alle die, die die Anliegen der Bewegung teilen, die da gestern demonstriert haben, müssen sich jetzt überlegen, wie sie ihre Anliegen besser und in stärkerer Abgrenzung von Gewalttätern vortragen können, denn die Anliegen und der Protest an sich sind ja nicht illegitim, sondern man kann sich natürlich streiten und die Demonstrationsfreiheit ist wie gesagt ein sehr hohes Gut. Ich hätte mir gewünscht, dass Frankfurt, das ja mit der Paulskirche auch Wiege der Demokratie ist, gestern eher genau in dieser Tradition steht, dass man bunt, laut und friedlich protestiert und nicht anfängt, Autos in Brand zu setzen, Bushaltestellen zu zerstören, Polizisten und Feuerwehrleute anzugreifen. Solche Attacken sind durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen. Das ist kein Ausdruck von politischem Protest und ich frage mich, ehrlich gesagt, auch, was links daran sein soll, öffentliches Eigentum zu zerstören und Menschen anzugreifen.
    Engels: Aber muss die Grüne Partei sich nicht stärker darstellen, gerade in Hessen? Auf der einen Seite tragen Sie die Landesregierung, auf der anderen Seite war das Verhältnis zu Blockupy bislang ein wenig unklar, etwas ungeklärt. Muss sich das jetzt ändern?
    Klose: Nun, wir selbst haben als Grüne in Hessen ja zur Demonstration gestern nicht aufgerufen, weil wir eben nicht alle Inhalte teilen.
    Engels: Aber die Grüne Jugend.
    Klose: Ja, der Grüne Jugend Bundesverband hat das getan. Das ist eine eigene Organisation, für die spreche ich jetzt auch erst mal hier nicht. Ich möchte aber schon sagen: Wir haben gerade auch in der Verantwortung, die wir im Land tragen, auch dazu beigetragen, dass die Zeichen auf Deeskalation standen. Die Polizei hat ja in den vergangenen Monaten sehr deutlich gezeigt, dass sie Partner der friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten ist. Es gab seit anderthalb Jahren Dialogangebote an die Veranstalter, es gab eine ständig signalisierte Dialogbereitschaft, und zwar über das hinaus, was ja als Anmeldergespräch vorgeschrieben ist. Das war ein sehr besonnenes und sehr präventives Vorgehen der Polizei. Dafür gebührt ihr, glaube ich, auch unser Dank, weil das hat sicher auch zu dem friedlichen Verlauf der Hauptdemonstration beigetragen. Was wir tun können ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen dafür. Wir haben mit darauf gedrungen, dass so eine starke öffentliche Informations- und Transparenzpolitik gemacht wird seitens der Polizei, dass neue Kommunikationskanäle auch genutzt werden. Wir haben die Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten auch in Hessen mit eingeführt und ich glaube, das sind die Dinge, die wir als Politikerinnen und Politiker da zu tun haben. Den Rest entscheiden aus guten Gründen die Einsatzleitungen der Polizei vor Ort.
    "Analyse der Lage abwarten"
    Engels: Aber zeigt dieser Konflikt nicht gerade, dass die Grünen doch sehr zerrissen sind, rund um die Regierungsverantwortung und in Teilen, die bei Blockupy zumindest den Fuß in der Tür behalten wollen?
    Klose: Nein, das sehe ich gar nicht so. Wir haben in Hessen über die Frage der Teilnahme an Blockupy keine Zerrissenheit gehabt. Es war für uns klar, dass wir nicht alle Inhalte teilen, die Blockupy da vorträgt, dass wir deshalb auch nicht aufrufen werden. Das eine oder andere Mitglied ist sicher mitgelaufen bei dem DGB-Demonstrationszug. Ich bin mir aber auch sehr sicher, dass an den Geschehnissen am Vormittag kein Grüner beteiligt gewesen ist. Die Gewaltfreiheit ist für uns nach wie vor auch ein sehr hohes Gut und eine der Säulen, auf denen diese Partei gegründet ist.
    Engels: Der Bundestags-Unionsvize Thomas Strobl von der CDU verlangt nun einen überparteilichen Pakt, der Gewalt gegen Polizisten und Einsatzkräfte ächtet. Das sagte er in der Zeitung "Die Welt". Stehen die Grünen da vornean dabei?
    Klose: Ich glaube, wir tun allesamt gut daran, genau hinzuschauen, die Analyse der Lage gestern abzuwarten, auch zu hören, was die Demonstrationsbeobachterinnen und Demonstrationsbeobachter, die ja von vielen Parteien auch vor Ort waren, uns berichten und danach zu entscheiden, ob sich aus dem Verlauf der Demonstration in Frankfurt gestern neuer Handlungsbedarf ergibt. Ich glaube nicht, dass uns Schnellschüsse da jetzt in irgendeiner Form weiterbringen.
    Engels: Kai Klose, Landeschef der hessischen Grünen und Mitglied im Landtag. Wir sprachen mit ihm über die Konsequenzen, die aus den Krawallen in Frankfurt gestern zu ziehen sind. Vielen Dank für Ihre Zeit.
    Klose: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.