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Gewalt gegen Frauen
Israelinnen protestieren gegen das Wegschauen der Polizei

Die Zahl der Morde an Frauen hat sich in Israel im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Die jüngsten Opfer: eine 13- und eine 16-Jährige. Regierung und Polizei müssten endlich mehr gegen die Gewalt gegen Frauen unternehmen, forderten mehr als 100.000 Israelinnen am Dienstag bei ihren landesweiten Protesten.

Von Benjamin Hammer |
    Eine israelische Frau hält ein Schild in der Hand mit der Aufschrift "Stopt die Gewalt gegen Frauen".
    Eine israelische Frau hält ein Schild in der Hand mit der Aufschrift "Stopt die Gewalt gegen Frauen" (AFP / Jack Guez)
    Im ganzen Land legten Frauen gestern den Verkehr lahm, so wie hier auf einer großen Straßenkreuzung in Tel Aviv. "Ich bin eine Frau. Ich streike", skandierten die Israelinnen. Und wollten damit zum Ausdruck bringen: Uns reicht’s!
    Seit Anfang des Jahres wurden in Israel 24 Frauen durch Gewalt getötet. Ein Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wenn man die Zahl der Einwohner berücksichtigt, ist die Zahl etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Vor allem zwei Fälle sorgen in Israel für Bestürzung: Ende November wurde im Norden von Israel eine 16-jährige arabische Israelin getötet. In Tel Aviv wurde ein 13-jähriges Mädchen getötet, das aus Eritrea stammt. Im Verdacht: der Ex-Partner ihrer Mutter. Die Feministin und Aktivistin Gabriella Dekalo Dor sprach mit dem Fernsehsender I24news.
    "24 unserer Schwestern wurden ermordet. Darunter eine 13-Jährige. In den letzten Monaten hat sich das Mädchen vier Mal bei der Polizei gemeldet. Sie wurde ermordet von einer Person, die der Polizei gut bekannt war. Wir Frauen haben die gleichen Rechte. Aber wir werden anders behandelt."
    Arabische Israelinnen besonders betroffen
    Etwa 50 Frauenrechtsorganisationen hatten zu den Protesten aufgerufen. Sie werfen der Polizei und der israelischen Regierung vor, nicht genug gegen Gewalt gegen Frauen zu unternehmen. Die männlichen Täter sind häufig Partner oder Ex-Partner der Frauen. Rund die Hälfte der Morde wurde an arabischen Israelinnen verübt. Obwohl die nur 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
    "Ich entziehe mich nicht er Verantwortung, die wir als Gesellschaft tragen", sagte Sondos Salah von der arabisch-israelischen Frauenrechtsorganisation Ta’al im israelischen Fernsehen. Aber ich sage auch, dass die Kriminalität hoch ist, die Polizei ist nicht präsent und das führt zu weiteren Morden. Das Gesetz wird nicht vollstreckt."
    Proteste an einer Straßenkreuzung in Tel Aviv: Die Demonstration soll auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen
    Proteste an einer Straßenkreuzung in Tel Aviv: Die Demonstration soll auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen (Deutschlandradio / Benjamin Hammer)
    Die Proteste und die Wut vereinen die Israelinnen – über gesellschaftliche Grenzen hinweg. Jüdinnen und Araberinnen gingen gemeinsam auf die Straße. Dass etwas unternommen werden muss, ist eigentlich Konsens in Israel. Viele Unternehmen gaben ihren weiblichen Angestellten gestern frei – um zu demonstrieren. Auch die Frau des israelischen Präsidenten beteiligte sich. Doch es gibt Streit zwischen der israelischen Regierung und der Opposition. Die Regierung hatte ein Notfallprogramm beschlossen mit einem Budget von umgerechnet 60 Millionen Euro. Damit soll zum Beispiel die Arbeit der Polizei verbessert werden. Doch das Geld ist immer noch nicht ausgezahlt worden. Die Oppositionsführerin Tsipi Livni:
    "Es heißt immer, diese Sache hätte nichts mit Opposition oder Regierungskoalition zu tun: Dann beweist es! Stellt das Budget dafür bereit, gebt die Gelder heraus. Finanziert die Einrichtungen, in den die Frauen wohnen, die unter Gewalt leiden."
    Kritik von der eigenen Ehefrau
    Israels Premierminister Benjamin Netanjahu besuchte vor kurzem ein Frauenhaus, das Opfern von Gewalt Schutz bietet. Er kündigte eine Kommission der Regierung an, um die Lage zu verbessern. Im israelischen Parlament hatte der Premierminister gegen den Antrag der Opposition gestimmt, einen Untersuchungsausschuss zum Thema einzurichten. Das sorgte sogar für Kritik von Sara Netanjahu – seiner Ehefrau.