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Gewalt gegen Kinder
"Da muss man hinsehen, hingehen, an der Tür klingeln"

Laut polizeilicher Kriminalstatistik ist die Gewalt gegen Kinder in der Pandemie drastisch gestiegen. Genau davor hatte der in der Jugendhilfe engagierte Berliner Pater Bernd Siggelkow vor einem Jahr gewarnt. Er appelliert an die Gesellschaft, trotz und gerade wegen der Härten des Lockdowns genau hinzusehen.

Bernd Siggelkow im Gespräch mit Sabine Schmitt |
Bernd Siggelkow dem Gruender und Vorstand des christlichen Kinder- und Jugendwerks Die ARCHE e.V. beim Tag der offenen Tuer in der Arche Hamburg Jenfeld am Samstag 16.02.2019
Die polizeiliche Kriminalstatistik über Gewalt gegen Kinder hat Bernd Siggelkows Befürchtungen bestätigt (picture alliance)
Mehr Schläge und mehr sexuelle Gewalt gegen Kinder, sogar mehr tote Kinder während des Pandemiejahrs 2020 – das ist der erschreckende Befund aus der entsprechenden polizeilichen Kriminalstatistik, die das Bundeskriminalamt (BKA) am Mittwoch (26. Mai 2021) vorlegte. "Das waren unsere schlimmsten Befürchtungen, und sie sind eingetreten", sagte Rainer Becker von der Deutschen Kinderhilfe nach Auswertung der Zahlen.

"Man wollte nicht damit rechnen, dass der Anstieg so groß ist"

"Experten haben das vermutet und eigentlich auch gewusst", betonte auch Pater Bernd Siggelkow, Gründer und Leiter des Berliner Kinder-Hilfsprojekts Arche e.V, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Siggelkow hatte wie viele andere schon vor Jahresfrist gewarnt, dass die Isolation der Menschen im Lockdown zu mehr sexueller Gewalt und Missbrauch führen könnte:
"Ich hatte schon vor einem Jahr gesagt: Mensch, Leute, macht die Schulen auf, für fünf Kinder pro Klasse, so dass jedes Kind einmal pro Woche zur Schule kommt. Damit man eben die Sozialpartner hat und da die Probleme sehen kann. Aber das hat man übersehen, weil man eben nicht damit rechnen wollte, dass der Anstieg so groß ist."
Pastor Bernd Siggelkow zu Beginn der Pandemie auf Hausbesuch bei einer Familie in Berlin-Hellersdorf
"Es ist eine kleine Katastrophe"
Die Pandemie habe die Gesellschaft in zwei Gruppen geteilt, denn die Armen verlören komplett den Anschluss, sagte Pastor Bernd Siggelkow im Dlf. Gerade für Kinder aus bildungsfernen Schichten sei die Lage dramatisch.

"Mehr hinsehen, mehr hingehen"

Ein Problem sei die mangelnde Sichtbarkeit während der Schul- und Kitaschließungen, so Sigellkow. "Kein Sozialarbeiter, Lehrer, Erzieher konnte sehen, was bei den Kindern zu Hause los ist", sagte er. Und Kinder hätten meist keinen Ausweg. Nicht nur hätten sie oft Angst und eine Tendenz, ihr Umfeld zu schützen. Die meisten Sorgentelefone, so sie den Kindern überhaupt bekannt seien, seien nur mit Geld auf dem Handy erreichbar.
Umso wichtiger ist es nach Siggelkows Ansicht: "Auch in solchen Zeiten mehr hinsehen und auch hingehen." Das gelte für Nachbarn, die lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nachfragen sollten, ob alles okay ist. Er selbst habe beispielsweise kürzlich einen Jungen mit einem blauen Auge auf der Straße angesprochen und gefragt, wie das passiert sei.

Forderung nach härteren Strafen

Seine Organisation halte auch in der Pandemie mit wöchentlichen Hausbesuchen Kontakt zu den betreuten Kindern. So ein Hilfssystem könne man nicht einfach aus Infektionsschutzgründen komplett herunterfahren.
Zudem forderte Siggelkow härtere Strafen für Sexualstraftaten. Verglichen etwa mit der Straferwartung bei Steuerhinterziehung hält er die Strafen für sexuelle Gewalt gegen Kinder für unverhältnismäßig niedrig.