Mehr Schläge und mehr sexuelle Gewalt gegen Kinder, sogar mehr tote Kinder während des Pandemiejahrs 2020 – das ist der erschreckende Befund aus der entsprechenden polizeilichen Kriminalstatistik, die das Bundeskriminalamt (BKA) am Mittwoch (26. Mai 2021) vorlegte. "Das waren unsere schlimmsten Befürchtungen, und sie sind eingetreten", sagte Rainer Becker von der Deutschen Kinderhilfe nach Auswertung der Zahlen.
"Man wollte nicht damit rechnen, dass der Anstieg so groß ist"
"Experten haben das vermutet und eigentlich auch gewusst", betonte auch Pater Bernd Siggelkow, Gründer und Leiter des Berliner Kinder-Hilfsprojekts Arche e.V, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Siggelkow hatte wie viele andere schon vor Jahresfrist gewarnt, dass die Isolation der Menschen im Lockdown zu mehr sexueller Gewalt und Missbrauch führen könnte:
"Ich hatte schon vor einem Jahr gesagt: Mensch, Leute, macht die Schulen auf, für fünf Kinder pro Klasse, so dass jedes Kind einmal pro Woche zur Schule kommt. Damit man eben die Sozialpartner hat und da die Probleme sehen kann. Aber das hat man übersehen, weil man eben nicht damit rechnen wollte, dass der Anstieg so groß ist."
"Mehr hinsehen, mehr hingehen"
Ein Problem sei die mangelnde Sichtbarkeit während der Schul- und Kitaschließungen, so Sigellkow. "Kein Sozialarbeiter, Lehrer, Erzieher konnte sehen, was bei den Kindern zu Hause los ist", sagte er. Und Kinder hätten meist keinen Ausweg. Nicht nur hätten sie oft Angst und eine Tendenz, ihr Umfeld zu schützen. Die meisten Sorgentelefone, so sie den Kindern überhaupt bekannt seien, seien nur mit Geld auf dem Handy erreichbar.
Umso wichtiger ist es nach Siggelkows Ansicht: "Auch in solchen Zeiten mehr hinsehen und auch hingehen." Das gelte für Nachbarn, die lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nachfragen sollten, ob alles okay ist. Er selbst habe beispielsweise kürzlich einen Jungen mit einem blauen Auge auf der Straße angesprochen und gefragt, wie das passiert sei.
Forderung nach härteren Strafen
Seine Organisation halte auch in der Pandemie mit wöchentlichen Hausbesuchen Kontakt zu den betreuten Kindern. So ein Hilfssystem könne man nicht einfach aus Infektionsschutzgründen komplett herunterfahren.
Zudem forderte Siggelkow härtere Strafen für Sexualstraftaten. Verglichen etwa mit der Straferwartung bei Steuerhinterziehung hält er die Strafen für sexuelle Gewalt gegen Kinder für unverhältnismäßig niedrig.