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Drohungen gegen Umweltschützer
Wenn Hass zu Gewalt wird

Menschen, die sich für Klima- und Umweltschutz einsetzen, werden nicht nur beschimpft, sondern auch mit massiver Gewalt bedroht. Das könnte auch mit einseitiger Berichterstattung zu tun haben, sagen Experten.

Bei einer Aktion der "Letzten Generation'" blockieren Umweltaktivistinnen eine Kreuzung im Stadtteil Prenzlauer Berg. Ein Mann versucht dabei, ihnen ihre Transparente wegzureißen.
Immer wieder werden Aktivistinnen der "Letzten Generation" direkt angegangen - hier von einem Mann, der versucht, ihnen ihre Plakate zu entreißen. (picture alliance/dpa/Sven Käuler)
„Geht ins Ohr, bleibt im Kopf – Heckler und Koch“, steht neben einem Foto mit sechs Patronen. Online-Drohungen wie diese erhält die Deutsche Umwelthilfe nach eigenen Angaben seit Jahren. Die Inhalte habe die Organisation nicht nur bei Facebook gemeldet, sondern auch schon in rund 300 Fällen bei der Polizei angezeigt.
Trotzdem sei der Hass ungebremst, sagt Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Es geht ihm dabei nicht um Beleidigungen, sondern um Androhungen von Gewalt, Folter und Mord gegen ihn und weitere Beschäftigte der Umwelthilfe.

Klage gegen Facebook-Konzern

Der gemeinnützige Verein hat deswegen schon im Januar vergangenen Jahres beim Berliner Landgericht geklagt, und zwar gegen den Konzern hinter Facebook, Meta. Die Umwelthilfe, die sich für Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz einsetzt, will erreichen, dass Meta die Facebook-Gruppen, die regelmäßig durch Gewalt- und Morddrohungen aufgefallen sind, löscht.
Als Beispiel nennt Jürgen Resch die Gruppe „Stoppt die Deutsche Umwelthilfe“. Sie habe mehr als 50.000 Mitglieder und sei von zwei leitenden Mitarbeitern der Automobilwirtschaft ins Leben gerufen worden. „Die sind bis heute stolze Administratoren, und sie sagen auch, dass es ihnen aus Eigennutz darum geht, dass die Deutsche Umwelthilfe eben die Automobilwirtschaft nicht kontrollieren soll“, sagt Resch.

Hassrede in großem Ausmaß

Gegen einzelne Posts vorzugehen, nütze in diesem Fall wenig, sagt die Anwältin der Deutschen Umwelthilfe, Juliane Schütt: „Bei der Menge und dem sich ständig wiederholenden Gewalt- und Bedrohungspotential, dem der Kläger hier ausgesetzt ist, sagt er, dass dies nicht ausreicht. Sondern es soll der Raum, den Meta in diesen Foren zur Verfügung stellt, geschlossen werden.“ Es handele sich um einen Präzedenzfall.
Eine Meta-Sprecherin widerspricht dieser Darstellung gegenüber der dpa: Von der Umwelthilfe gemeldete Inhalte seien durchaus entfernt worden. Hassrede sei inakzeptabel und man investiere laufend in Technologien und Meldetools, um sie schneller zu erkennen und zu entfernen.

Gewalt auch auf der Straße

Dass Online-Hass nicht im Netz bleibt und schnell zur physischen Bedrohung werden und Folgen haben kann, zeigen Fälle wie der der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, die sich 2022 nach Hass-Kampagnen und Bedrohungen das Leben nahm. Jürgen Resch berichtet von Polizeieinsätzen und Schutzmaßnahmen, etwa bei öffentlichen Auftritten der Umwelthilfe.
Auch die Aktivistengruppe „Letzte Generation“ wird online beschimpft und bedroht, auf Twitter unter anderem als „Kriminelle“ und „verfassungsfeindliche Extremisten“. „Wo bleibt ein Amokfahrer, wenn man ihn braucht?“, schreibt etwa ein Nutzer.
Aber die Angriffe finden eben nicht nur online statt. Bei einer Protest-Aktion in Berlin schob ein Autofahrer zum Beispiel einen Demonstranten langsam vor seinem rollenden Fahrzeug her, ein anderer fuhr über die angeklebte Hand eines Protestteilnehmers.
Aus Wut über blockierte Straßen, scheinen manche Menschen Gewalt zumindest in Erwägung zu ziehen. Wer bei Google den Suchbegriff „Darf man Klimakleber“ eintippt, bekommt als Suchvorschläge unter anderem die offenbar viel gesuchten Wörter „schlagen“, „überfahren“ und „verprügeln“ vorgeschlagen.

Medienethikerin kritisiert Berichterstattung

Claudia Paganini, Professorin für Medienethik an der Hochschule der Philosophie in München, kritisiert, dass die Medien über den Hass gegen die Gruppe bisher zu wenig berichtet hätten. Und auch die Politik hätte den Beschimpfungen bisher nichts entgegengesetzt. Die Gruppe sei stattdessen mit den Taliban und Terrorismus verglichen worden. Von einem "Master-Narrativ" spricht Paganini deshalb: „Wenn ich mal eine starke Erzählung habe, ein paar Stimmen, die laut genug schreien, dann schließen sich dem viele an.“
Auch Interessen im Hintergrund spielen aus ihrer Sicht eine Rolle: Eine Journalistin habe ihr direkt gesagt, dass ihre Abonnentinnen Autofahrer und nicht Klimaaktivisten seien. Paganini fordert, dass Medien zu einem guten Dialog beitragen – und nicht nur die Momente herausgreifen, die am meisten Aufmerksamkeit generieren.

Soziologe warnt vor Feindseligkeit

Der Soziologe Nils Kumkar von der Universität Bremen hatte schon im November im Deutschlandfunk davor gewarnt, dass bei einer sogenannten "Moral Panic" Feindseligkeit gegenüber eine Gruppe erzeugt werden könne. Bei dieser Kommunikationsdynamik werde das Verhalten einer Gruppe als Bedrohung der öffentlichen Ordnung dargestellt. Wenn die "Letzte Generation" immer offener als "Gegner eines gerechten Volkszornes" inszeniert würden, sei das besorgniserregend.
Weltweit sind Menschen, die sich für Umweltschutz engagieren, noch sehr viel stärkerer Gewalt ausgesetzt, bis hin zu Mord. Die Organisation „Global Witness“ berichtete 2022, dass in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt an jedem zweiten Tag ein Umweltaktivist ums Leben kam, mehr als 1.700 Menschen insgesamt. Besonders viele Morde gab es in Brasilien, Kolumbien, den Philippinen und Mexiko.
Quellen: Antje Allroggen, Dieter Nürnberger, epd