Seine Arbeit sei ein ständiger Kampf gegen das Vergessen. Jesus Abad ist Überzeugungstäter. Selbst Kind einer vom Land vertriebenen Familie, hat der 52-jährige Fotoreporter seine Augen, Ohren und Kamera ganz in den Dienst der Opfer des jahrzehntelangen Konflikts in Kolumbien gestellt. Zigtausende Fotos hat er in den letzten 25 Jahren geschossen, Massaker, Flucht und Gräueltaten dokumentiert, Porträts vor allem von Frauen, Kindern und alten Menschen gezeichnet.
"Wir haben uns dafür entschieden, in der Ausstellung vor allem die Opfer zu würdigen. Deshalb zeigen wir die Gesichter und das Leben der Menschen, die unter der Gewalt gelitten haben. Mit den Bildern wollen wir aber auch die Notwendigkeit zur Versöhnung aufzeigen."
Knapp 600 Fotos hat Kuratorin Maria Belén Saez de Ibarra mit ihrem Team ausgewählt und auf vier Säle im Obergeschoss des Klosters San Agustin verteilt.
"Wir haben die Fotos entsprechend der Dynamik des bewaffneten Konfliktes zusammengestellt und auf die Räume verteilt. Der erste Saal mit dem Titel ,das schweigende Land' behandelt die Vertreibung. Der zweite steht unter dem Thema ‚es gibt keine Finsternis, die das Licht nicht besiegt' und nimmt Bezug auf Entführung, Mord und gewaltsames Verschwinden. Und dann gibt es zwei große Säle mit Bildern über die großen Verbrechen, die Abad über all die Jahre dokumentiert hat, und zwar aus der Opferperspektive."
Vor allem Kinder und Frauen
Besonders beeindruckend ist der erste Saal, wo aus alten Zeitungen gebaute Bäume einen speziellen Rahmen schaffen. Viele Fotos sind schwarz-weiß, einige farbig: Zu sehen sind vor allem Kinder und Frauen, deren Söhne und Töchter in den Krieg zogen, Vertriebene, Verzweifelte, bewaffnete Gruppierungen in teils absurden Situationen. Es geht nicht um Effekthascherei, sondern darum, dass sich hinter jedem traurigen Augenpaar, hinter jedem Bild Lebensgeschichten, menschliche Schicksale verbergen.
Ein Massaker der Paramilitärs in Uraba - Jesus Abad selbst führt immer wieder und gerne Besuchergruppen durch die Ausstellung, erzählt das, was Besucher wie Ricardo sonst nur erahnen können.
"Das sind Lebenssituationen und nicht nur Fotos für mich. Es bricht mir das Herz. Und man nicht weiß so recht, ob man in die Tiefe der Angst Kolumbiens und seiner Menschen schaut oder nur oberflächlich sieht, was sie durchlitten haben."
"Wir alle haben Angehörige, die Opfer des Krieges geworden sind. Diese Ausstellung appelliert aber auch, den Frieden und das wenige Erreichte zu verteidigen."
Abads Fotos klagen nicht an
Anders als Ana Maria Montoya verdrängen viele Kolumbianer die Vergangenheit: Sieben Millionen Vertriebene, mehr als 300.000 Tote und Verschwundene, Entführungen: Guerilla, Paramilitärs, Militärs als Täter - aber irgendwie auch als Opfer. Jesus Abads Fotos klagen nicht an, sie dokumentieren, schockieren, bringen die Besucher ins Grübeln.
"Viele Menschen säen Hass in Kolumbien: Rechtsextreme, aber auch einige religiöse Gruppierungen und auch Politiker der extremen Linken. Ihnen allen sage ich: Es reicht! Die Menschen sind es leid, in Angst leben zu müssen",
glaubt Jesus Abad. Die Ausstellung mit dem bezeichnenden Namen ‚Testigo', ‚Zeuge', ist mehr als nur ein Zeugnis einer gewaltgeprägten Vergangenheit – eindrucksvoll kuratiert auch mit Audios, Videos, Steinornamenten. Diese Ausstellung ist ein politisches Statement. Sie lebt von der Authentizität der Bilder, die Jesus Abad oft unter hohem Risiko für sein eigenes Leben gemacht hat. Über die Gefahren als Fotograf und Dokumentar der Kriegsgräuel spricht er nicht gerne. Jesus Abad stellt seine Arbeit ganz in den Dienst des Friedens, gerade jetzt, wo der Prozess wieder gefährdet scheint:
"Wir wollen in Frieden leben und gemeinsam können wir das Land voranbringen. Denn Kolumbien ist ein wunderbares Land, unglaublich reich, aber sehr klassenbewusst, sehr rassistisch und eines mit der ungleichsten Einkommensverteilung in der Welt."