Das Fryshuset in Malmö. Eine Einrichtung für junge Leute, wie es sie in mehreren Städten in Schweden gibt. Treffpunkt, Anlaufstelle bei Problemen, überparteilich, nichtreligiös. Sigrun Sigurdsson leitet die Abteilung Arbeit und Unternehmertum. Sie hat einen blonden Pferdeschwanz, trägt ein weites, rotes Fryshuset-Sweatshirt und ein rasselndes Armband.
"Malmö ist für mich eine zweigeteilte Stadt. Ich denke zunächst ans Positive, ich lebe in Malmö und will nirgendwo anders leben. Parks, Freizeitgestaltung, wir haben ein reiches Kulturleben. Aber wir haben auch große Herausforderungen mit Menschen, die nicht in die Gesellschaft reinkommen oder nicht die richtigen Voraussetzungen haben."
Im Foyer hängen ein paar Kids rum. An einer Wand haben Jugendliche ihr Bild von Malmö verewigt, gemeinsam mit Graffiti-Künstlern. Darunter Kinderfiguren und ein Porträt der Fußball-Ikone Zlatan Ibrahimovic. Von heiler Welt kann hier aber keine Rede sein. Sigrun Sigurdsson, die Sozialarbeiterin, die jungen Leuten Jobs vermitteln will, hat acht von ihnen verloren – Opfer der Gewalt in der südschwedischen Metropole:
"Ein Begräbnis folgte auf das nächste. Und ich hatte es satt. Deshalb schrieb ich einen offenen Brief. Der war eigentlich an die Politiker und Beamten gerichtet. Weil nichts passiert ist und man einfach hinnahm, dass junge Menschen auf den Plätzen und Straßen sterben."
Rosengård - ein Viertel, das Kummer bereitet
In dem Brief beschreibt Sigrun Sigurdsson, wie junge Leute in Malmö verzweifelt nach Jobs suchen. Wie sie in der Kleinkriminalität landen. Wie sie getötet werden.
"Die meisten von ihnen haben nur einen Wunsch: Ein normales schwedisches Leben mit Frau, Kindern und einem Job bis zur Rente."
Im Fryshuset gibt es Hilfe für Kriminelle, die aussteigen wollen, Beratung bei der Jobsuche, Sprechstunden für junge Mütter, und Kreativ-Workshops. In einem Raum sitzen Jugendliche beim Graffitikurs zusammen und zeichnen.
Cora und Hannes helfen im Tonstudio des Fryshuset aus. Sie bearbeiten gerade den Song eines 10-Jährigen am Rechner. Er kommt aus schwierigen Verhältnissen, aber seine Leidenschaft ist Hiphop. "Alles ist krass die ganze Nacht, die ganze Zeit, das ganze Leben. Immer das Gleiche, jeden Tag, und ich muss zurück in mein Viertel", rappt er.
Das müssen wir auf Youtube stellen, meint Cora. Sozialarbeiterin Sigrun Sigurdsson wünscht sich von der Politik, dass Kindern wie dem 10-jährigen Rapper früh geholfen wird.
"Ich will, dass die Politik die jungen Menschen als Ressource sieht und nicht als Belastung. Wir sehen schon im Kindergarten und in der Schule, welche Kinder uns Kummer machen werden. Und wir helfen ihnen nicht richtig."
Eines der Viertel mit besonders vielen Jugendlichen, die Kummer machen, ist Rosengård.
Mit hartem Training in eine bessere Zukunft
In der Sporthalle dort trainieren jeden Abend junge Ringer des Clubs Malmö Wrestling Tigers. 25 Jungs zwischen neun und 13 sind auf der Matte. Links die Gruppe der Fortgeschrittenen. Die Füße an der Wand müssen sie in den Liegestütz. Das ist hart. Die Gruppe habe nicht gespurt, erklärt Trainingschef Dan Flasch. Für den Mann mit der österreichischen Mutter ist Disziplin ein wichtiges Gebot.
"Das Problem, das wir haben in diesem Gebiet Rosengård. Viele von den Kindern kriegen von zu Hause nicht die Struktur und wir helfen denen. Wir sind streng und zeigen, das machst du nicht und das darfst du machen. Das ist besser, hier drinnen zu trainieren, als auf der Straße Autos zu verbrennen."
Dan Flasch ist in Malmö aufgewachsen, hat eine eigene Firma. Einen großen Teil seiner Freizeit verbringt er hier beim Ringen. Entsprechend stolz ist er, wenn seine Schützlinge in der Nationalmannschaft Erfolge feiern.
"Wir haben gerade ein Kind, das sehr Probleme in der Schule und alles hatte. Und er fängt an mit Landslaget, in Schweden, zu trainieren. Er ist nur 15 Jahre und jeden Tag hier und trainiert. Und das ist richtig so einer, wenn er nicht hier wäre, dann wäre er 100-prozentig auf der Straße und vielleicht Narkotika oder Gangs und so."
Ringen verändert das Leben der Jugendlichen
In einer der beiden Umkleidekabinen sitzt ein Mann auf dem Boden und betet gen Mekka. In der anderen sitzt der von Dan Flasch gelobte Nachwuchsringer, der 15-jährige Armando Molin.
"Ringen hat mich sehr stark verändert. Als ich angefangen habe mit Ringen, habe ich begonnen, über meine Zukunft nachzudenken, alles mögliche. Vorher dachte ich: Okay, scheiß drauf. Jetzt trainiere ich hart und denke an die Zukunft und die Schule. Ich bin ein anderer Mensch."
Armando ist in Schweden geboren, seine Eltern sind polnische Roma.
"Zu Hause ist es superschön. Manchmal ist es ein bisschen schwierig. Aber beim Ringen fühle ich mich wohl. Mein zweites Zuhause. Ringen ist all in. Gewinnen oder Verschwinden."
Für den Trainingschef Dan Flasch eine Genugtuung. Aber zufrieden ist er noch nicht. Sein Wunsch: mehr Engagement der Mitmenschen:
"Ich liebe es, mit den Kindern zu arbeiten. Wenn ich sehe, dass es den Kindern gut geht, geht es mir auch gut. Wenn mehr Leute in Malmö helfen würden, würde es nicht so aussehen."